Wie altern Solarmodule unter der Wüstensonne?
Wissenschaftler aus Sachsen-Anhalt und Marokko sind Forschungspartner
Intensive Sonneneinstrahlung, enorme Hitze und Staubbelastung – Solarmodule sind in der Wüste anderen klimatischen Einflüssen ausgesetzt als in Deutschland. Für die Solarforscher am Fraunhofer CSP in Halle eine interessante Herausforderung. Als Kooperationspartner des marokkanischen Forschungsinstituts IRESEN haben sie einen Photovoltaik-Testpark entwickelt, der in der Nähe von Marrakesch gebaut wurde. Die Wissenschaftler können jetzt in Echtzeit auswerten, wie Solarmodule in der Wüste altern.
Am Ende der Treppe zum begehbaren Dach des Fraunhofer-Centers für Silizium-Photovoltaik hängt eine Tafel. An die schreibt jeder seinen Namen und die Zeit, in der er sich dort oben aufgehalten hat. „Schattenwurf verfälscht die Messergebnisse unseres Testfeldes. Wir können ihn aber rausfiltern“, sagt Matthias Ebert. Der Wissenschaftler leitet am Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik CSP in Halle, Sachsen-Anhalt, die Arbeitsgruppe „Zuverlässigkeit von Solarmodulen und Systemen“. Sein Forscherteam beschäftigt sich mit der materialwissenschaftlichen Analyse von Solarmodulen, macht mechanische und thermomechanische Versuche im Labor sowie im Feld und analysiert die Messdaten, um die Module wie auch deren technologische Herstellungsprozesse zu optimieren und weiterzuentwickeln. Denn hohe Zuverlässigkeit, lange Lebensdauer und bestmögliche Leistung zu gewährleisten – zu möglichst niedrigen Kosten –, das sind die Herausforderungen für die Solarbranche auf dem gesamten Weltmarkt.
30 Messplätze stehen auf dem Dach des Hallenser Forschungszentrums und fangen das Licht über der Saalestadt ein. Es sei eine fälschliche Annahme, die Lichteinstrahlung sei in südlichen Ländern intensiver, sagt Ebert. Überall auf der Welt betrage sie maximal 1000 Watt pro Quadratmeter, sie würde in südlichen Ländern nur viel häufiger auftreten.
„Die Messplätze auf unserem CSP-Dach können gut mit den nahezu identischen in Marokko verglichen werden“, sagt der promovierte Bauingenieur und dass der „Green Energy Park“ in einer Steinwüste bei Marrakesch steht. Wissenschaftler des Frauhofer CSP haben ihn mit entwickelt und 2015 mit aufgebaut. „Grüne Energien werden in Marokko zu einem großen Thema. Das Land verfügt weder über Gas noch Öl, in ausreichendem Maße aber über Sonne und Wind“, sagt Matthias Ebert. Viermal war er bislang im Rahmen der Kooperation mit dem Institut de Recherche en Energie Solaire et Energies Nouvelles (IRESEN) in Marokko. Dessen Leiter Badr Ikken hat 17 Jahre in Berlin gelebt. Er kennt die Solarindustrie in Deutschland und schätzt das Hallenser Forschungszentrum als kompetenten Partner, mit dem sein Institut die Nutzung der erneuerbaren Energien in Marokko voranbringen will.
Seit 2012 besteht die Kooperationsvereinbarung zwischen dem Fraunhofer CSP in Halle und IRESEN in Rabat. Zunächst war die Entwicklung einer Test-Plattform für Photovoltaik-Module und -Systeme vorgesehen. „Die Test-Plattform sieht so aus wie diese hier“, Matthias Ebert schwenkt seinen Arm über die Solar-Module auf dem Dach. „Der Photovoltaik-Park in Marokko ist allerdings viel größer, ist der größte in ganz Afrika. Und er ist interessant für Solarmodulhersteller weltweit. Hier können sie das Ertragsverhalten ihrer Module unter den extremen klimatischen Bedingungen der afrikanischen Wüste testen“, ergänzt der Wissenschaftler und benennt etwa Verschmutzungen durch Sandstürme oder veränderte Materialeigenschaften durch extreme Hitze und Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht.
Von der Bauphase gehen die Kooperationspartner in diesem Jahr 2016 in die Forschungsphase über. „Die Module in Afrika können in der Abhängigkeit von der Witterung doppelt so hohe Erträge bringen wie in Deutschland. Eine entscheidende Frage ist aber, ob sie dort auch die von den Herstellern garantierten 25 Jahre Lebensdauer gewährleisten. „Beispielsweise wirken Temperaturen von über 70 Grad auf die Module “, erklärt der Wissenschaftler. Ergebnisse aus Belastungs- und Alterungsversuchen im Labor könnten nun durch Messungen in Echtzeit unter den ortsabhängigen Einflüssen von Sonneneinstrahlung, Atmosphäre, Wind, Niederschlag, Temperatur und Verschmutzung ergänzt werden. Im Mittelunkt des Projektes zwischen dem Fraunhofer CSP und IRESEN stehen die Materialalterung und das Verschmutzungsverhalten von Solarmodulen.
„In Workshops und Ausbildungskursen transferieren wir unsere Kompetenzen nach Marokko, wo sich derzeit die angewandte Forschung gut entwickelt“, sagt Matthias Ebert. Ein Ziel der deutsch-marokkanischen Partnerschaft sei es zum Beispiel, die Photovoltaik mit Entsalzungseinheiten zur Trinkwasseraufbereitung zu koppeln. „Natürlich sind auch die Speichertechnologien für Photovoltaikanlagen in der Wüste interessant“, ergänzt der Solarforscher. Das CSP werde da einen weiteren seiner Forschungsschwerpunkte einbringen: die Umwandlung von Wind- und Solarenergie in speicherfähigen Wasserstoff.
Bildunterschrift: Dr. Matthias Ebert zeigt die Solar-Messplätze auf dem Dach des Fraunhofer CSP in Halle. Sie sind identisch mit denen im „Green Energy Park“ in Marokko und lassen einen direkten Vergleich der Messdaten zu.
Autor: Kathrain Graubaum (Text und Foto)
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