Sachsen-Anhalts Ingenieure auf dem Weg zur Industrie 4.0

Verein der Ingenieure stellt sich den neuen Herausforderungen der digitalen Wirtschaft 

Sachsen-Anhalt ist die Wiege des stärksten Ingenieurvereins in Europa. Vor 160 Jahren wurde in Alexisbad  der VDI – der Verein Deutscher Ingenieure – gegründet.  In den vergangenen 26 Jahren, seit der Neugründung des VDI in Mitteildeutschland, sind die Mitgliederzahlen kontinuierlich um ein bis zwei Prozent jährlich gewachsen. Heute zählt der Verein 155.000 Mitglieder, darunter ein zunehmender Teil von Frauen in Ingenieurberufen. Die berufliche Interessenvertretung hat die industrielle Entwicklung des Landes geprägt und will das auch in Zukunft vor den neuen Herausforderungen durch die digitale Revolution von  Industrie 4.0 tun. 

Es ist unzweifelhaft: Ohne die innovativen Ideen von Ingenieuren hätte es die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert  nicht gegeben. Dampfmaschinen und andere technische Entwicklungen veränderten grundlegende Produktionsprozesse. Ingenieurtechnisches Wissen und der Erfahrungsaustausch waren mehr denn je gefragt. Als Reaktion darauf wurde am Pfingstmontag, dem 12. Mai 1856, im Sachsen-Anhaltischen Alexisbad der Verein Deutscher Ingenieure gegründet.  Eine 1993 errichtete Stele erinnert heute daran. Eine seiner ersten Initiativen war die Etablierung einer Einrichtung, die vornämlich der technischen Verbesserung der Dampfkesselsicherheit diente – der Vorläufer der heutigen Technischen Überwachungsvereine (TÜV). „Das erste deutsche Patentgesetz von 1877 wurde ebenso maßgeblich durch Vorarbeiten des VDI beeinflusst“, so Lars Funk, Leiter des Bereiches Beruf und Gesellschaft im VDI. Frühzeitig setzte sich der Verein dafür ein, die Ingenieurwissenschaften als wissenschaftliche Disziplin zu etablieren. Auch die Gründung des Deutschen Normenausschusses (DIN) geht auf VDI-Initiativen zurück.

Heute wie damals wichtig für den VDI ist der wissenschaftlich-technische Austausch und die gesamtgesellschaftliche Einflussnahme auf optimale Rahmenbedingungen für den Technologiestandort Deutschland sowie die Förderung des ingenieurwissenschaftlichen Nachwuchses, so Funk.

Nach dem 2. Weltkrieg war der VDI auf dem Gebiet der DDR verboten. Erst 1990 kam es zur Neugründung von VDI-Landes- und Bezirksvereinen sowie Bezirksgruppen und  fachbezogenen Arbeitskreisen in Mitteldeutschland. 

Seit 1990 hat die Zahl der Vereinsmitglieder von 120.000 auf 155.000 kontinuierlich zugenommen. In Sachsen-Anhalt hat der VDI derzeit 1.960 Mitglieder und ist damit ein wichtiger Partner bei der Fachkräftesicherung für den Wirtschaftsstandort Sachsen-Anhalt. Bundesweit verlassen jedes Jahr rund 60. 000 Absolventen die Hochschulen mit einem Ingenieurabschluss.

„Das DZHW (Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung) hat im Rahmen einer Studie festgestellt, dass 98 Prozent der Absolventen innerhalb von sechs Monaten eine Ingenieurtätigkeit aufnehmen“, so Lars Funk. Positiv zu bewerten ist auch, dass die Ingenieurswissenschaften heute keine reine Männerdomäne mehr sind. Unter den Absolventen an den Hochschulen beträgt der Anteil der Frauen mit einem technischen Abschluss  heute durchschnittlich 24 Prozent – im Bauwesen liegt er sogar darüber.

Die beruflichen Anforderungen haben sich im Laufe der Zeit gewandelt. Mehr denn je müssen Ingenieure sich heute in Unternehmen behaupten, die im weltweiten Wettbewerb stehen. Die technologischen und unternehmerischen Herausforderungen  sieht Funk auf den Gebieten der Digitalisierung von Prozessen, dem intelligenten Verkehr  sowie der Energiewende und dem sparsamen Einsatz von Rohstoffen. „Ich bin überzeugt, dass die sogenannte vierte Revolution, auch als Industrie 4.0 bezeichnet, künftig für noch mehr Ingenieursarbeitsplätze sorgen wird“, ist Funk überzeugt. So wie vor drei Jahrzehnten das neue berufliche Arbeitsfeld Mechatronik an der Schnittstelle zwischen Mechanik und Elektronik entstand, wird künftig das stärkere Zusammenwachsen von  Maschinen- und Anlagenbau mit den Informationstechnologien die Arbeitswelt verändern und  weiteres Wirtschaftswachstum ermöglichen.

Wichtig für den VDI ist bei alledem , den Dialog mit der Gesellschaft zu gestalten. „Spätestens seit dem Projekt Stuttgart 21 ist deutlich geworden, dass  es nicht reicht, gute technische Lösungen zu präsentieren. Es ist ebenso wichtig, sie gemeinsam mit der Gesellschaft zu erarbeiten, Beteiligungsverfahren zu organisieren sowie Argumente und Wünsche aus der Bevölkerung in Planungen aufzunehmen“, so Funk. 

Autor: Uwe Seidenfaden

vorheriger Beitrag nächster Beitrag