Am Unstrutradweg warten fast 1000 Jahre alte Gewölbekeller auf Besucher


Der Unstrut-Radweg und der Naumburger Ortsteil Henne sind eine  Symbiose eingegangen. Vor den Toren der Domstadt endet die 190 Kilometer lange Trasse zwischen der Quelle im Eichsfeld bei Kefferhausen, die durch das Thüringer Kernland, die Kyffhäuserregion und das südliche Sachsen Anhalt bis zur Mündung in die Saale im Blütengrund bei Kleinjena führt. Auf seinem letzten Abschnitt trifft sie auf die 13. deutsche Weinstraße. Seit 1993 führt diese durch die Saale-Unstrut-Region. Pedalritter legen vor dem Ziel ihrer Reise an der Henne mit Vorliebe einen Zwischenstopp in der Naumburger Wein & Sekt Manufaktur ein. Das Gelände ist geschichtsträchtig, edle Tropfen laden zum Verweilen ein. Mehrere hunderte Jahre alte Eichen bieten wohltuenden Schatten.


Wein ist ein besonderer Saft. Goethe möge die Abwandlung des Faust-Zitats verzeihen. Andreas Kirsch unterstreicht die Aussage. 1991 war der Mann in das Saale-Unstrut-Gebiet als Sachverständiger für Kraftfahrzeuge gekommen. Der Wein von bodenständigen Winzern tat es ihm sofort an. Zum Bauernhof, den er damals kaufte, gehörte ein Weinberg. "Dann will ich auch meinen eigenen Wein haben", sagte Kirsch und widmete sich fortan der Freizeit-Winzerei. Bis zu 2.000 Flaschen wurden im Jahr abgefüllt, die Begeisterung für gute Weine war geweckt.
Leerstehende Gebäude in Henne interessierten ihn. Als er auf deren Geheimnis stieß, gab es kein Halten mehr. Exakt an dieser Stelle hatte vor fast zweihundert Jahren einer der nachweislich ersten Hersteller deutschen Sekts, die Champagnerfabrik W. F. Bürger & Sohn, mit seiner Produktion begonnen.

 
Der mit Napoleon nach Deutschland gekommene Champagner begann hierzulande gerade den Siegeszug, im Bürgertum fand das prickelnde Getränk schnell Liebhaber. Ende des 19. Jahrhunderts als Folge der Reblauskatastrophe ging die Fabrik in Henne unter. Das Kellerei-Verwaltungsgebäude und die uralten in den Fels gehauenen Keller blieben erhalten. Vor allem Obstsäfte wurden später auf dem Gelände hergestellt. Mit der Wende ging 1990 der damals Volkseigene Betrieb unter. Die historischen Anlagen schienen vom Verfall bedroht.

Darauf nahm Andreas Kirsch deren Schicksal in seine Hände. 2002 kaufte er das Areal, steckte Geld und viel eigene Arbeit hinein. Inzwischen hat sich auch Tochter Franziska dem Weinbau verschrieben und kümmert sich mit um das Geschäft. Die Mühen des Anfangs lassen sich heute nur erahnen. Alles erstrahlt inzwischen in ursprünglicher Schönheit. Viel wichtiger, inzwischen wird in der Wiege des deutschen Sektes wieder produziert. "Wir wollen keine Massenware, sondern setzen auf hohe Qualität", erklärt Andreas Kirsch. Seine Vision einer Wein & Sekt Manufaktur hat sich erfüllt und wurde zur Erfolgsgeschichte. Die setzt nicht allein auf den Verkauf.

Tourismus spielt eine wichtige Rolle im kleinen Unternehmen, das heute auch einige Pensionszimmer vermietet. Die Felsenkeller, in denen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts der "vaterländische Sekt" reifte, werden gern besucht. Elf Grad Celsius herrschen dort konstant. Fast 1.000 Jahre alt geht ihre Geschichte bis zu den Mönchen des Naumburger Georgenklosters zurück, die an dieser Stelle bereits Wein anbauten und lagerten. "Diese besondere Atmosphäre wollen wir unseren Besuchern vermitteln", sagt Kirsch. Für die gibt es bei den Führungen viel zu sehen. Viermal in der Woche gibt es dafür feste Termine, Gruppen können zusätzliche Besuche vereinbaren. Kirsch nennt die Gäste seine liebsten, die sich an Ort und Stelle auch über die Ursprünge der Erzeugnisse informieren möchten. Ihnen wolle er etwas von der "eigenen Begeisterung" weitergeben.
 
Wein- und Sektproben von Riesling, Kerner, Spätburgunder und Sauvignon Blanc kommen an. Die Nachfrage sei groß, versichert Kirsch. Der sieht die Nähe zur weithin bekannten Freyburger Sektkellerei von Rotkäppchen nicht als Konkurrenzsituation. Ganz im Gegenteil, das Nebeneinander solcher Traditionen wirke sich positiv auf die ganze Region aus.

Inzwischen bewirtschaftet das junge Unternehmen 23 Hektar Rebflächen. Allein 2013 werden rund 40.000 Flaschen Sekt, natürlich in Flaschengärung und von Hand gerüttelt, produziert. Eine komplette Verarbeitungskette von der eigenen Traube bis zum fertigen Sekt, das ist etwas Besonderes. Für die Weinlese dieses Herbstes zeigt sich Kirsch optimistisch. Man solle sich nicht zu früh freuen, sagt er. Doch die Zeichen stehen gut, es könnte ein "toller Jahrgang" werden.

Am 3. Oktober laden die Winzer aus dem Blütengrund bereits zum vierten Mal zu einem Besuch der Weinberge ein. Sonst verschlossene Türen öffnen sich, es gibt jede Menge Interessantes direkt vom Fachmann an acht Stationen zu erfahren. Dazu kann natürlich Rebensaft probiert werden. Aus diesem Grund sollte die Wanderung durch die malerische Gegend ausschließlich zu Fuß erfolgen.


Autor/Foto: Klaus-Peter Voigt

Kontakt:
Andreas Kirsch
Naumburger Wein & Sekt Manufaktur
Blütengrund 35
06618 Naumburg
Tel.: +49 3445 202042
E-Mail: info.ignore@naumburger.com
Web: www.naumburgersektundwein.de
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