Hotelier will nach dem Hochwasser zurück "zur Normalität" – "Zur Henne" setzt auf Aktivurlauber und Kulturtouristen

Wenig Zeit blieb, um das Inventar in Sicherheit zu bringen, berichtet Schmidt. Viele Helfer und alle Mitarbeiter hätten angepackt, um das Schlimmste zu verhindern. Gerade das erst vor gut eineinhalb Jahren übernommene Haus "Hallescher Anger" mit elf Zimmern traf es hart. Vollkommen von der Saale eingeschlossen war dort der Betrieb unmöglich. Die "Henne" kam mit einem blauen Auge davon. Fünfzig Zentimeter hoch stand das Wasser im Weinkeller und in den Wirtschaftsräumen. Davon sieht der Gast inzwischen nur noch wenig. In den zwei Objekten ist inzwischen wieder der ursprüngliche Zustand hergestellt. Selbst die völlig zerstörten Freiflächen am Halleschen Anger sind komplett neu hergerichtet.

Der Hotelier ringt sich ein Lächeln ab. Das fällt schwer, denn ihm ist klar, dass es lange dauern wird, bis wirklich wieder Alltag herrscht. Auf 75.000 Euro beziffert Schmidt den direkten Schaden an Gebäuden und Inventar sowie durch Umsatzverluste. Für insgesamt 35 feste Mitarbeiter habe er Verantwortung und nun müsse die Werbetrommel gerührt werden. Der Veranstaltungsplan sei in Überarbeitung, denn vor allem die Sommermonate sichern die Einnahmen. Da wäre Zögern fehl am Platz. Die Einbußen durch ausbleibende Gäste nach dem Hochwasser sieht er als größtes Problem.
    
Mit der "Zur Henne" hatte sich der umtriebige Naumburger 2005 einen Traum erfüllt. Zuvor lag das Haus nach seiner Schließung kurz nach der Wende im Dornröschenschlaf. Ursprünglich befand sich in dem Gebäudekomplex eine Brauerei. Erstmals floss dort Ende des 19. Jahrhunderts edler Gerstensaft, ab Mitte der 1950er Jahre wurden nur noch Doppelkaramell und Hennebräu abgefüllt.

Die Lage des Hauses mit seinen 29 Zimmern ist ideal. Nur wenige Kilometer vor den Toren der Domstadt Naumburg und an den Weinbergen im Blütengrund steht es bei Touristen hoch im Kurs. Der 427 Kilometer lange Saale-Radwanderweg führt in unmittelbarer Nähe vorbei. Nur jeder fünfte Gast ist ein Geschäftsreisender, Aktivurlauber und Kulturinteressierte teilen sich die übrigen Übernachtungen. Mit einer Bettenauslastung von rund fünfzig Prozent steht man gut da. Im ersten Radfahrerhotel Deutschlands bekommen die Pedalritter besonders viel Aufmerksamkeit. "Wer möchte, kann bei uns durchaus komfortabel nach der sportlichen Anstrengung ausruhen", erläutert Schmidt. Die Nachfrage nach solchen Offerten sei da. Radwanderer suchten nicht nur spartanische Quartiere. Mit ihrem fahrbaren Untersatz können sie direkt ins Haus fahren. Dort stehen Boxen zum Parken zur Verfügung. Gerade sportliche Senioren wollen den Abend dann bei einem guten Essen im Kerzenlicht ausklingen lassen.

Sorgen, dass die Radwege entlang der Saale nicht passierbar sind, zerstreut der Hotelier. Im Burgenlandkreis sei die Trasse fast komplett wieder hergestellt. Auch die kulturellen Glanzlichter der Region laden uneingeschränkt zum Besuch ein.  

Naumburg hat sich nach der Wende zum eindeutigen Geheimtipp für Touristen entwickelt. Lange Zeit stand der Süden Sachsen-Anhalts eher im Schatten anderer Regionen. Wein, Radwandern, Bootstouren und Romanik gehören zu den wichtigsten Attributen des auch historisch interessanten Landstrichs.

Anziehungspunkt Nummer eins ist und bleibt der Naumburger Dom. Rund ein Drittel aller Besucher entlang der Straße der Romanik, die wie eine acht durch Sachsen-Anhalt führt, gehen auf das Konto des Sakralbaus. Bis zu 140.000 Besucher kommen im Laufe des Jahres, um es zu besichtigen. Seine Anziehungskraft verdankt der Dom St. Peter und Paul in erster Linie den Mitte des 13. Jahrhunderts vom so genannten Naumburger Meister geschaffenen lebensgroßen Stifterstandbildern im Westchor. Zu den bekanntesten gehören Ekkehard und Uta. Letztere wird gern als "schönste Frau" des Mittelalters bezeichnet.

Naumburg erweist sich als idealer Ort für Kulturtourismus der kurzen Wege. Der aufwändig sanierte Marktplatz bildet das Zentrum der ehemaligen Ratsstadt. Die Gebäude entstanden nach dem Stadtbrand von 1517 und bilden eine einmalige architektonische Geschlossenheit. Die mehretagigen Dachaufbauten dienten einst als Warenspeicher und zeugen von Naumburgs Blütezeit als Messestadt.

Ein Ausflug in den Blütengrund gehört zum Muss. Am Zusammenfluss von Saale und Unstrut herrscht beschauliche Ruhe. Wanderer und Radfahrer erkunden mit Vorliebe die idyllische Gegend mit ihren Weinbergen und Sehenswürdigkeiten. Ansonsten lohnt der Blick auf das Steinerne Bilderbuch Das 200 Meter lange und mannshohe Relief wurde 1722 von einem bislang unbekannten Bildhauer in den gewachsenen Bundsandstein der Weinberge in der Nähe von Großjena gehauen. Es gehört zu den wohl ungewöhnlichsten Kunstwerken in ganz Deutschland. Elf Motive aus dem Weinbau mit oftmals biblischem Inhalt sind zu sehen. Mitten in einem Weinberg findet sich die Max-Klinger-Gedächtnisstätte. Im Radierhäuschen erinnert eine Ausstellung mit Originalgrafiken an den Künstler, der bei Naumburg von 1903 bis zu seinem Tode 1920 lebte.


Autor/Foto: Klaus-Peter Voigt

Kontakt:
Hotel und Gasthaus "Zur Henne"
Henne 1
06618 Naumburg/OT Henne

Ansprechpartner:
Michael Schmidt
Tel.: +49 3445 23260
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