Hört mal her

Sieben der zehn weltweiten Eliteuniversitäten arbeiten mit seinen Kopfhörern, sagt Frank Baumgart. Der Magdeburger gründete vor elf Jahren aus dem Leibniz-Institut für Neurobiologie heraus die Firma MR confon. Seine Kopfhörer, entwickelt für Forscher, die mit Hilfe von Kernspintomografen Prozesse im Gehirn aufspüren, gelten inzwischen als die leistungsfähigsten am Markt. Eine Idee aus der Elbestadt wird vom Hintergrundrauschen zum Grundton.

Der Ort: Die alte Ölmühle in Magdeburg, ausgebaut zu ruhigen Büros mit großen Fenstern. Ein herbstlicher Morgen, die Blätter wehen über das Pflaster. Hupend hält ein VW-Bus vor der Tür mit der Aufschrift "MR confon". Frank Baumgart steigt aus, ein Mittfünfziger mit Dreitagebart und freundlichen Augen, schließt auf und greift als erstes in die Schale mit Lakritzbonbons. "Ich lebe von dem Zeug", sagt er. Statt Kaffee und Kuchen also Bonbons, und statt kleiner Brötchen die ganz große Nummer: "Was ich anbiete, ist weltweit Spitze."

Frank Baumgart verkauft Kopfhörer. Seine Produkte stehen allerdings nicht im Elektromarkt sondern in Forschungsinstituten rund um den Erdball. Sie gleichen äußerlich einem Gehörschutz, wie ihn Bau- oder Waldarbeiter tragen, aber entwickelt hat sie Baumgart für die Nutzung in Kernspintomografen (MRT). Das war schon 1994, als der gebürtige Bremerhavener nach Magdeburg ans Leibniz-Institut für Neurobiologie kam. Dort arbeiteten Wissenschaftler an der Idee, Abläufe im Gehirn mit Hilfe des MRT sichtbar zu machen. Eine damals revolutionäre Idee. Während der visuelle Kortex bereits erforscht war, galt die Frage, wie und wo Hören, Sprache und Lernen im Gehirn verarbeitet werden, noch als Terra incognita.

"Um aber zuschauen zu können, wie der akustische Kortex arbeitet, muss er stimuliert werden", erklärt Baumgart das Problem.
Die Probanden mussten aufmerksam zuhören – und das trotz des lauten Klopfens und Knackens eines MRT. Normale Kopfhörer enthalten aber Magnete, sie würden im starken Magnetfeld zu gefährlichen Geschossen werden. Und auch die verwendeten Materialien spielen eine wichtige Rolle: Schon bestimmte Farben am Kopfhörer könnten aufgrund ihrer Zusammensetzung das Ergebnis verändern. Denn MRTs messen die Veränderung der Magnetfelder im Kopf, die selbst extrem schwach sind.

Für den Physiko-Chemiker Baumgart eine Tüftelaufgabe, aber eine lösbare. Er entwickelt einen Kopfhörer, der den Lärm dämpft, Geräusche überträgt und via Mikrofon die ungestörte Kommunikation ermöglicht. Baumgart und seinen Kollegen gelang es, den Ort nachzuweisen, an dem das Gehirn das Richtungshören verarbeitet. Ein im Übrigen extrem gut ausgeprägte Fähigkeit des Menschen, weil er durch die Stellung seiner Augen im Gegensatz zu fast allen Tieren nur 180 Grad überwachen kann. "Den Rest hält unser Richtungshören quasi im Blick."

2001 gründet Baumgart MR confon mit der Idee, seine Kopfhörer auch anderen Forschern zur Verfügung zu stellen. Die Anfragen von wissenschaftlichen Instituten aus aller Welt häuften sich. Längst war Baumgart verwurzelt in der Elbestadt, lebte mit seiner Frau Monika und den Kindern Julian und Myriel in einer nahen Einfamilienhaus-Siedlung. Als Wahlberliner, der 18 Jahre in der Metropole gelebt hatte, keine Selbstverständlichkeit. "Aber hier herrschte nach der Wende eine Aufbruchstimmung, das hat mich begeistert. Und ein Haus kaum sechs Kilometer vom Stadtzentrum entfernt wäre in Berlin nie möglich gewesen."

Noch bis 2005 bleibt er bei den Neurobiologen, dann konzentriert er sich voll auf die Firma. Und war schnell ernüchtert. Das Geschäft lief nicht. "Aus heutiger Sicht sage ich: Wir haben viel dummes Zeug gemacht. Zuviel Forschung, zu wenig Kundenakquise. Wir haben unser Geld dafür ausgegeben, ein gutes Produkt noch besser zu machen, anstatt die Kopfhörer erstmal unter die Leute zu bringen." Ein nach seiner Ansicht klassischer Fehler bei Ausgründungen. Hinzu kam ein Effekt, den Baumgart fehlendes Langzeitvertrauen nennt. "Obwohl wir auf Messen und Kongressen geworben haben, kaufte kaum jemand. Der gute Ruf als Leibniz-Forscher reichte da nicht aus."

Baumgart schwenkt um, trennt sich von Mitarbeitern und Produzenten. Trotz der Sorge um sein schwindendes finanzielles Polster hält er durch. Heute produzieren zwei Magdeburger Firmen für ihn, die Zahlen sind tiefschwarz, die Auftragsbücher voll. Statt auf eine Marketingkampagne setzt er auf Mundpropaganda: der Erfolg der Kunden dank seiner Kopfhörer spricht sich herum. Dem Unternehmen eilt inzwischen der Ruf voraus, qualitativ hochwertige und langlebige Produkte anzubieten – und Komplettpakete. "Meine Kunden wollen forschen und sich nicht mit Technik auseinandersetzen. Deshalb verkaufe ich Audiosysteme, die bis zur letzten Schraube alles gebrauchsfertig enthalten." Baumgart scheut sich auch nicht, seinen Kleinbus mit Messgeräten und Bauteilen vollzupacken und Anwender in London, Barcelona oder Genf zu besuchen, die Installationen zu prüfen und Tests durchzuführen. "Wenn es sich irgendwie rechnet."

Auch wenn er heute viel Zeit am Telefon und über den Zollbestimmungen der Zielländer verbringt: Immer wieder entstehen Lücken, in denen er vom Schreibtisch zur Werkbank wechselt. Dann baut er Prototypen und testet sie. "Das brauche ich unbedingt, das macht meine Arbeit so spannend." Seit Monaten bereitet er zudem eine Kooperation vor, die sein Produkt an die Spitze des Weltmarktes bringen soll. Viel kann er nicht verraten. Es gebe, ganz unbescheiden müsse man das so formulieren, eine gewisse Einsicht, dass die Qualität seiner Kopfhörer nach wie vor unerreichbar ist. Immerhin: Wenn ein wacher Geist auf einen großen, im Markt etablierten Partner mit einem starken Vertriebsnetz trifft, würden neue Freiräume entstehen, in denen Baumgart weiter an seinen Kopfhörern arbeiten könnte. Nicht nur die Lakritzbonbon-Hersteller würden es ihm danken.


Autor: Kathrin Wöhler

Kontakt:
MR confon GmbH

Brenneckestraße 6

E-mail: office.ignore@mr-confon.de

Web: www.mr-confon.de
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