Neues Leben für eine uralte Marke - WELTRAD manufactur Schönebeck

Bis heute gibt es Produkte, die allerhöchsten Qualitätsanforderungen standhalten und die dazu beitrugen, den Begriff „Deutsche Wertarbeit“ mit Leben zu füllen. Beispiel dafür ist die alte Fahrradmarke „WELTRAD“, die vor nunmehr acht Jahren von zwei Männern wieder erfolgreich aktiviert wurde. Damals gründeten René Leue (39) und Göran Scherf (43) die „Weltrad Manufaktur“ in Schönebeck, um den „Rolls-Royce“ unter den Fahrrädern wieder auf den Markt zu bringen.

Die Geschichte von „WELTRAD“ beginnt aber viel früher: 1885 starteten Walter Glahn und Carl Hoyer (beide waren Schlossermeister) im besagten Schönebeck südlich von Magdeburg mit einer Fahrradfabrik, die schnell erfolgreich war. Der Betrieb überlebte zwei Weltkriege und produzierte über 2,5 Millionen Fahrräder und rund 400.000 Kinderwagen. 1949 aber war Schluss: Es gab keine West-Lieferanten, die die dringend benötigten Teile, wie Speichen, Rohre oder Reifen in die damalige DDR liefern durften. Die Folge: Aus „WELTRAD“ wurde der VEB „Traktorenwerk Schönebeck“ und die einstige Traditionsmarke verschwand von der Bildfläche. Die alten Zweiräder verrotteten in Kellern oder landeten auf dem Müll. Genau hier entdeckte Göran Scherf 1985 sein erstes Weltrad: „Es war Liebe auf den ersten Blick“, erinnert sich der Schönebecker, „das klassische zeitlose Design, die perfekte Form.“ Göran Scherf organisierte im ganzen Land Ersatzteile und baute sein Rad in mühseliger Kleinarbeit wieder auf. Auch während seiner Lehre im VEB Traktorenwerk blieb Göran seiner Liebe treu. Er sammelte und restaurierte „Welträder“. 1996 öffnete Göran Scherf einen eigenen Fahrradladen, und hauchte heruntergekommenen Rädern aller Marken -da waren natürlich auch WELTRAD Fahrräder dabei- neues Leben ein, machte sie fahrbereit. Darunter war auch das Rad seines Freundes René Leue: Das war eigentlich die Geburtsstunde der neuen Fahrräder: Fahrzeugmechaniker Leue, der einen ausgeprägten Sinn für alles Schöne und technisch Perfekte hat, wurde von der Begeisterung seines Freundes Göran für alte Räder so sehr mitgerissen, dass die beiden beschlossen, eine eigene Fahrradfabrik zu gründen. Mit dem Ziel WELTRAD-Räder wieder zu neuem Glanz und Ansehen zu verhelfen: „Das war einfacher gesagt als getan“, erzählt Göran Scherf, „brauchten wir doch Produzenten, die bereit waren unsere hochwertigen Teile auch in geringen Mengen anzufertigen.“ Im Zeitalter von Massenproduktion und Millionen Stückzahlen eine fast hoffnungslose Aufgabe. Aber Göran Scherf und René Leue umschifften auch diese Klippe: Chromblitzende, nostalgische Rundlampen (mittlerweile gibt es sie auch mit LED) fanden sie in Portugal bei einem kleinen Lampenproduzenten. Hochmoderne Nabenschaltungen und Bremsen stammen aus Japan. Der formschöne Ledersattel und die Rohre für Gabel sowie Rahmen wurden in England entdeckt. Aus Holland kommen alte Messingklingeln nach Schönebeck und aus Belgien Felgen. Natürlich werden auch deutsche Produkte verbaut: Der Gepäckträger wird in Wuppertal gefertigt, die Schutzbleche in Thüringen.

In ihrer „WELTRAD Manufaktur“ begannen Göran und René mit der Arbeit am neuen alten Weltrad: „Wir hatten die früheren Baupläne und entwickelten daraus eine Art „Vorabserie des Klassikers“, erinnert sich Göran Scherf. Knapp 60 Exemplare wurden verkauft – der Grundstein für die Unternehmensgründung war gelegt. Da ein Erfolg nicht unwahrscheinlich war, bat René Leue den letzten Nachkommen der einstigen Gründer, den Namen nutzen zu dürfen. Als dieser zustimmte und gleich einige alte Fotos mitschickte, sicherten sich die Firmeninhaber auch die Maschinenrechte für die Lampenproduktion bei dem portugiesischen Hersteller.

Die Nachfrage nach luxuriösen „WELTRAD Fahrrädern“ stieg von Jahr zu Jahr. Kein Wunder, der englische Sattel bietet höchsten Sitzkomfort. Die Fahreigenschaften sind exzellent, auf Grund des längeren Radstandes. Die Schutzbleche dienen nicht nur der Zierde, sondern schützen wirklich. Dazu Farben wie „British Racing Green“, „Elfenbein mit taubenblau“ oder „weinrot“, freihändig gemalte Zierlinien und das Logo – ein schlichtes „W“! Alles erinnert an die Fahrrad-Ikone des 20. Jahrhunderts. Trotz allem Retro-Look sind die Zweiräder aber auch mit modernster Technik ausgestattet: Schimano-Schaltungen und perfekte Bremsen erfüllen alle nötigen Anforderungen, die heute an ein Rad gestellt werden. Ab 1.740 Euro ist ein „WELTRAD“ zu haben. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt

Jedes Exemplar wird in der „WELTRAD Manufaktur“ zusammengesetzt – bis zu zwei Tage sind für ein Zweirad einkalkuliert. Hier arbeitet niemand im Akkord. Hier gelten andere Kriterien als Zeit und Druck – hier haben Qualität und Präzision vor allem anderen Vorrang! - Im Durchschnitt wird jeden Tag ein Rad fertig: „Ein Grund, warum wir 2011 8.000 Quadratmeter am Schönebecker Cockturhof erworben haben“, erzählt Göran Scherf, „wir haben nicht nur die Manufaktur erweitert, sondern auch ein Restaurant mit Pension eröffnet.“ Ein nostalgischer Verkaufsraum, in dem die alten und neuen Fahrräder stehen, sowie ein moderner Fahrradladen wurden ebenfalls geschaffen. Komponenten, die die Firmen-Philosophie untermauern: „Ein Weltrad ist nicht nur ein Fahrrad – es ist ein Lebensgefühl“, erzählt Göran Scherf. Und er erklärt: „Jedes Exemplar ist auf den Kunden zugeschnitten. Länge, Höhe, Ausstattung – alles individuell angepasst. Da dauert eine Bestellung schon mal länger.“ Deshalb gibt es für Kunden, die aus ganz Europa kommen, das „WELTRAD -Quartier“, das Restaurant und die Möglichkeit, auf dem Gelände und an der Elbe ausgedehnte Probefahrten zu unternehmen. Perfekter Rundum-Service für ein perfektes Rad. Wie perfekt ein „WELTRAD“ ist, wird deutlich, wenn man weiß, das Göran Scherf mit dem Rad, das er vor Jahren auf dem Müll fand, jeden Morgen zur Manufaktur radelt.

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