Email ist nicht E-Mail

Außen grau und roh, innen schneeweiß und glatt wie Glas -  der fachmännische Blick von Karl Heinz Kießling gleitet zufrieden über das Innere des viele Tonnen schweren Stahlbehälters. Der Leiter des Emaillierwerks bei der THALETEC GmbH im Nordharz prüft jeden neuen Auftrag aus technischem Email zwischen den Brennprozessen akribisch, weil Fehler hier nicht durchgehen dürfen.

Kießling arbeitet schon seit Jahrzehnten im Unternehmen. Er und sorgt mit seinen Erfahrungen dafür, dass die unterschiedlichen Materialstärken durch die im Ofen einzeln regulierbaren Temperaturzonen optimal aufgeheizt werden. „Das ist eines unserer wichtigsten Geheimnisse für  die höchste Qualität im Spezialbehälterbau“ sagt er. Dazu kommen Innovationen, die die Konkurrenz alt aussehen lassen.

„Unsere Emaillierungen halten weit länger als die von Billigherstellern aus fernost, und wir können auch viel größere Behälter fehlerfrei emaillieren, versichert Geschäftsführer Dr. Jürgen Reinemuth, der das Unternehmen zusammen mit Jürgen Schleich und Karl. H. Bergmann Ende 2007 von der Schunk-Gruppe übernommen hat. Seither geht es steil bergauf: Erst im April haben vier Behälter von jeweils 90 Kubikmeter Füllvolumen per Schwertransport die Hallen in Richtung Hamburger Hafen verlassen. Von dort aus geht die Reise der zehn Meter langen, vier Meter dicken Kolosse  weiter nach Shanghai. Es ist für THALETEC der erste Großauftrag aus China, weitere sind angebahnt. „Behälter dieser Größe sind weltweit nur von wenigen Herstellern lieferbar. Lokale Hersteller in China bieten maximale Größen von etwa 25 bis 30 Kubikmeter an“, so Reinemuth.

Das Traditionsunternehmen aus Thale bürgt seit rund 170 Jahren für Wertarbeit und hat sich stets gegen die Konkurrenz durchsetzen können. Es begann mit einfacher Haushaltsware, um 1900 begann sich das Chemie Email für Spezialanwendungen in der aufstrebenden chemischen Verfahrenstechnik durchzusetzen. „Damals kannte man das Problem mit der Verwechslungsgefahr beim Namen mit der elektronischen Post noch nicht, was aber für uns schon mal richtig ärgerlich wurde“, erinnert sich Reinemuth an die erste Zeit als geschäftsführender Gesellschafter. 2008 wurde deshalb sogar der alte Firmenname geändert: Aus der Thalemail wurde THALETEC.

Das Unternehmen gehört inzwischen zu den größten Industrie-Emailliern in Europa, der Jahresumsatz kletterte von 13 Millionen Euro auf inzwischen knapp 20 Millionen. „Wir exportieren  bereits rund 70 Prozent, die Kunden kommen vor aus ganz West-Europa, zunehmend aber auch aus Russland und China“, so Reinemuth. Zwar agieren im aufstrebenden Reich der Mitte mindestens 70 einheimische Email-Firmen, doch wachse dort das Interesse an deutscher Qualitätsware für hochsensible Anwendungen stetig. „Unsere Apparate kosten mehr, halten aber auch deutlich länger, und wenn eine ganze Chemiefabrik wegen eines Behälters ausfällt, dann wird es viel teurer“, so Reinemuth.

Das Email – ein glasähnlicher Überzug aus rund 70 Prozent Quarzsand und entsprechenden Zuschlagstoffen  - und einer Menge Erfahrung – schützt das Innere der Reaktoren vor Korrosion. Das lässt sich zwar oft auch mit Edelstahl-Legierungen erreichen, doch besonders bei  konzentrierten Säuren, wie sie in chemischen Prozessen häufig auftreten, ist die Beschichtung mit hochwertigem technischen Email bis heute unübertroffen. Eigentlich, so Reinemuth, ist Email fast so beständig wie Gold, aber längst nicht so teuer oder selten. Im Gegenteil: Wir haben durch den starken Anstieg der Preise für Stahl Legierungselemente wie Nickel, Chrom oder Molybdän und anderen in Edelstahl enthaltenen Metallen für immer mehr Anwendungen Preisvorteile. Das spürt man inzwischen auch an Anfragen von Kunden, die früher üblicherweise in Edelstahl ausgelegten Anlagen bei uns anfragen“, sagt Reinemuth.

Die chemische Industrie ist nach wie vor das wichtigste Absatzgebiet, doch fast ein Drittel des Umsatzes erlöst THALETEC  bei Kunden aus der Pharma-Industrie. Ganz gleich ob Aspirin oder Cortison -  bei der Herstellung von Pulvern und Salben ist der Anteil emaillierter Rührwerke und Reaktoren noch weit höher,, als in der klassischen Chemie. Hier geht es weniger um den Korrosionsschutz als um höchste Reinheit und perfekte Reinigung. Emaillierte Oberflächen setzen keine Metallionen frei, sie lassen sich einfach und absolut rückstandsfrei reinigen – was bei den häufigen Produkt- und Chargenwechsel in der Pharmazie erforderlich ist. Vor zwei Jahren ist übrigens ein weitere Qualitätssprung gelungen: Durch Modifikation der Emailrezeptur konnte die Abriebfestigkeit des Emails so erhöht werden, dass sich die Einsatzdauer der Rührgeräte praktisch verdoppelt – was in diesem Frühjahr sicher auf der Leitmesse ACHEMA in Frankfurt am Main für Aufsehen in der Branche sorgen wird.

Doch damit nicht genug: THALETEC hat vor einigen Jahren eine Technologie entwickelt, mit der ein weiteres Geschäftsfeld erschlossen werden konnte. So stellt das Unternehmen jetzt auch emaillierte Wärmetauscher für die Kraftwerkstechnik her. „Die Rohrbündel aus mehreren hundert Kilometern emailliertem Rohr, die aus den Abgasen eines Kohlekraftwerkes noch einen guten Teil der restlichen Wärmeenergie aufnehmen, müssen in einem schwefelsauren, heißen Abgasstrom möglichst viele Jahre halten, was bislang als kaum möglich galt. Wir haben die Technologie, um diese Mengen in höchster Qualität zu emaillieren, es geht fast wie beim Brezelbäcker“, schwärmt Reinemuth. Der Einsatz der emaillierten-Wärmetauscher hilft auch der Umwelt, weil sich damit der Wirkungsgrad von Kohlekraftwerken – ganz ähnlich wie bei den Gas-Brennwertkesseln – noch um einige Prozentpunkte steigern lässt. „In Deutschland ist das zurzeit kein großes Thema, weil die Diskussion um die Übergangszeit zu rein grünem Strom nicht weiter kommt“, sagt der Manager. Doch nicht nur in China, wo jährlich Dutzende neue Kohleblöcke an Netz gehen, sondern auch in vielen anderen Schwellenländern und in Osteuropa ergeben sich hier große Absatzchancen.


Autor/ Fotograf: Manfred Schulze

Kontakt:
Dr.-Ing. Juergen Reinemuth
Managing Director/Technischer Geschäftsführer
THALETEC GmbH
Steinbachstraße 3
06502 Thale
Tel.: +49 3947 778-102
Web: www.thaletec.com
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