Ein Glücksfall für Mittelständler

Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft gehören zur Königsliga der deutschen Forschungslandschaft. Vor diesem Hintergrund ist das neue Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP) im Chemiepark Leuna ein Glücksfall für die dort niedergelassenen kleinen und mittelständischen Unternehmen: Mit wissenschaftlicher Hilfe können sie fortan ihre Produktion optimieren. Dabei kommt der Nutzung nachwachsender Rohstoffe eine besondere Bedeutung zu. Denn Pflanzen, Stroh, Holz oder Mikroalgen können langfristig Erdöl als Rohstoff für die chemische Industrie ersetzen. REPORT INVEST sprach darüber mit dem Leiter des neuen Zentrums, Gerd Unkelbach.

REPORT INVEST: Ein neues Fraunhofer-Zentrum in der Region ist ein Grund zur Freude. Aber warum entsteht es gerade in Leuna?
Unkelbach: Die Bedingungen hier sind ideal. In der Region gibt es viele kleine und mittelständische Unternehmen. Im Chemiepark Leuna selbst haben sich rund 75 solcher Firmen angesiedelt. Der überwiegende Teil davon ist für uns interessant. Denn wir verstehen uns als offene Entwicklungsplattform.

Was bedeutet das?
Unkelbach: Wir wollen den kleinen und mittelständischen Unternehmen innovative Forschung ermöglichen. Dabei schließen wir eine bisher bestehende Lücke, nämlich die zwischen Laborforschung und der Überführung neuer Erkenntnisse in die Industrieproduktion. Diese Spanne ist für Mittelständler teuer und deshalb kaum zu leisten. Wenn sie mit uns zusammenarbeiten, ist das günstiger und sie benötigen keine eigene Forschungsabteilung. Bereits jetzt arbeiten wir mit kleinen und mittleren Firmen an diversen Projekten, in denen es immer darum geht, Anlagen oder Produktionsabläufe zu optimieren oder zur Marktreife zu bringen. Im Mittelpunkt steht dabei die Nutzung nachwachsender Rohstoffe.

Wie muss man sich das vorstellen?
Unkelbach: Wir stellen den Firmen unser Wissen und unsere Versuchsanlagen zur Verfügung. Wir sind inzwischen zum Beispiel in der Lage, aus nachwachsenden Rohstoffen Basis-Chemikalien zu gewinnen, wie sie viele Firmen für ihre industrielle Produktion als Grundstoff benötigen. So können wir aus Holz oder Stroh die Basis-Chemikalien Äthylen, Propylen und Buten herstellen. Bisher werden sie überwiegend aus Quellen geordert, die für ihre Erzeugung keine nachwachsenden Rohstoffe, sondern Erdöl nutzen.

Und wie kann auf Erdöl verzichtet werden?
Unkelbach: In einer Pilotanlage können wir Holz und Stroh in ihre Bestandteile aufschließen. Dabei entstehen Cellulose, Hemicellulose und der Zellklebstoff Lignin. Die beiden erstgenannten lassen sich mit Hilfe biotechnologischer Prozesse in Zucker umwandeln, der zu Alkoholen weiterverarbeitet werden kann. In einem weiteren Schritt kann man daraus Olefine, also besagtes Äthylen, Propylen oder Buten herstellen. Im Leunaer Chemiepark und auch darüber hinaus gibt es etliche Unternehmen, die diese Stoffe dringend als Grundstoff für ihre Produktion benötigen. Sie müssen umdenken. Denn auf Dauer sind auf Erdölbasis hergestellte Olefine teurer und außerdem ungünstig unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit.

Apropos Nachhaltigkeit: Gibt es in den Unternehmen inzwischen ein Bewusstsein dafür?
Unkelbach: Auf jeden Fall. Aber die Bereitschaft, dafür einen höheren Preis zu zahlen, ist oft nicht sehr stark ausgeprägt. Doch wir werden um solche Diskussionen nicht umhin kommen. Unsere Erdölreserven werden in rund 50 Jahren aufgebraucht sein. Insofern ist die Suche nach Alternativen alternativlos.

Das Fraunhofer CBP wird bald ein neues Gebäude nutzen können. Wie ist der Stand der Dinge?
Unkelbach: Die Etablierung unseres Zentrums ist mit einer 50 Millionen Euro schweren Investition verbunden. Der überwiegende Teil davon kommt von Bund und Land. Unser Neubau entsteht derzeit am Rand des Chemieparks in Leuna. Er ragt mit seinen 150 Metern Länge auch optisch heraus. Dort stehen uns 15.000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung. Herzstück wird ein Technikum. Dort können wir biotechnologische und chemische Prozesse unter Realbedingungen durchspielen. Dazu werden wir auch so genannte Mini-Plant-Anlagen nutzen: Wenn man so will, sind das kleine Fabrikteile, die aber schon groß genug sind, um Produktionsprozesse in größerem Rahmen als im Labor ablaufen zu lassen.

Sie sind zu Jahresbeginn aus Karlsruhe gekommen, um den Aufbau der neuen Einrichtung voranzutreiben. Was hat sich seitdem getan?

Unkelbach: Sehr viel. Ich habe mich zunächst nach gutem Personal umgeschaut. Derzeit sind wir bereits acht Leute. Bis zum Sommer wird die Mitarbeiterzahl auf 25 ansteigen. Sehr erfreulich: der überwiegende Teil von ihnen stammt aus der Region. Später sollen noch einmal 25 Mitarbeiter dazu kommen. Wir suchen noch Biotechnologen, Chemiker, Verfahrenstechniker, aber auch Laboranten und Chemikanten. Und wir sind zuversichtlich, im Juni in unseren Neubau einziehen zu können.


Autorin/ Fotografin: Ines Godazgar

Kontakt:
Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP
Gerd Unkelbach
Am Haupttor, Bau 4310
06237 Leuna
vorheriger Beitrag nächster Beitrag