Markterkundung im Iran

Nach dem Ende der Wirtschaftssanktionen wollen auch Sachsen-Anhalts Unternehmen Kontakte in den Iran aufnehmen oder wiederbeleben und hoffen Geschäfte anbahnen zu können.

Eine Delegationsreise des Landes vom 28. Mai bis 2. Juni, zu der sich rund 30 Teilnehmer aus Sachsen-Anhalt angemeldet haben, führt in die Hauptstadt Teheran und in die rund 400 Kilometer südlich gelegene Metropole Isfahan. Ein Messebesuch, Gespräche mit den Außenhandelskammern, mit fünf Ministerien sowie zahlreiche Unternehmenskontakte sollen die Möglichkeiten vor Ort ausloten. 2015 exportierten Firmen Waren im Wert von 18,6 Millionen Euro in den Iran, nur ein Bruchteil dessen, was vor dem Einbruch durch die Sanktionen zu Buche schlug. Der Iran sei an westlicher Technologie interessiert und insbesondere in der jüngeren Generation dem Westen gegenüber aufgeschlossen, erläuterte Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Wünsch in einem Pressegespräch. Er wird die Delegation aus Sachsen-Anhalt in den Iran begleiten, die von der Investitions- und Marketinggesellschaft organisiert wird.

15 Unternehmen aus Sachsen-Anhalt werden im Iran für ihre Produkte und Dienstleistungen werben, darunter auch die VKK Standardkessel Köthen GmbH, ein erfolgreicher Global Player. Wieder ist es eine Energiewende, die den Köthener Kesselbau vor Herausforderungen stellt. „Bisher sind die mit Öl oder Gas befeuerten Kessel unser Kerngeschäft. Jetzt konzentrieren wir unsere Entwicklungen auch auf Dampf- und Heißwasserkessel für die Energieerzeugung aus Biomasse“, sagt Velde und, dass sein Betrieb seit jeher nah dran ist an den Bedürfnissen des deutschen und internationalen Marktes. Der Exportanteil ist mittlerweile auf bis zu 65 Prozent gestiegen. „Seit der Verschmelzung mit der Standardkessel Lentjes Fasel GmbH in Duisburg ist ein neuer Aufschwung ins Auslandsgeschäft gekommen“, sagt Lars Velde. Köthen ist Hauptsitz und einziger Fertigungsstandort des Unternehmens. 2011 übernahm Lars Velde den Staffelstab des Geschäftsführers. Derzeit zählt der Standort 136 Mitarbeiter. Auch das Engineering wird hier weiter ausgebaut, wo die Fachkompetenz traditionell zuhause ist und, wo es eine gute Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Köthen und mit der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg gibt. „Unsere Konstrukteure freuen sich natürlich, hier vor Ort selbst zu sehen, was als fertiges Produkt seinen Weg durchs Werktor hinaus in die Welt nimmt“, sagt Velde und benennt das Autobahnkreuz wie auch den nahen Hafen in Aken als Standortvorteile für das Köthener Unternehmen. Per Schwerlasttransport werden die Kessel deutschlandweit zu den Kunden gebracht.

Die Exporte gehen zu den europäischen Nachbarn, in die arabischen Länder, nach Südostasien und Russland. Besonders im Ausland wisse man die langlebigen, robusten und qualitativ hochwertigen Kessel und Anlagen aus Köthen zu schätzen, sagt Geschäftsführer Velde – und betont: „‚Made in Germany‛ ist ein Verkaufsargument. Wir sind das einzige Kesselbauunternehmen mit diesem zertifizierten Herkunftsnachweis.“ Dieses Alleinstellungsmerkmal, so Velde, sichere der Belegschaft den Standort Köthen und führe bei der Auftragsakquise zum Erfolg. Er rechnet mit einem guten Markteintritt, denn zum Iran hatte der Duisburger Unternehmensteil vor den Sanktionen gute Kontakte.

Für ein Studium in Sachsen-Anhalt will die Magdeburger Wirtschaftsinformatik AG (MDWi AG) im Iran werben. Das Unternehmen, 2008 als Spin Off der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg mit deutsch-internationaler Besetzung gegründet, treibt mit seinem privaten Studienkolleg die Internationalisierung der Universität mit voran. Es wirbt im Ausland für ein Studium in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt und ermöglicht jungen Leuten den Zugang zu allen Ingenieurstudiengängen sowie zur Fachrichtung Informatik. Daher bezieht sich die Kollegausbildung neben der Vermittlung der deutschen Sprache auf die Fächer Mathematik, Informatik, Chemie sowie Physik. Die Delegationsreise soll genutzt werden, um Kontakt zum zuständigen Ministerium in Teheran aufzunehmen, Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der Stipendienvergabe auszuloten sowie eventuell bereits den Kontakt zu einer Bildungseinrichtung zu knüpfen. 

Erfahrungsgemäß bleibe ein Großteil der Studenten nach dem Abschluss hier, berichtet Dr. Jubran Rajub, Vorstand der Magdeburger Wirtschaftsinformatik AG. Sie seien ein großer Gewinn für die heimische Wirtschaft, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Auch Rajub, aus Palästina stammend, ist nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik und der Dissertation hiergeblieben, hat Unternehmen und Familie gegründet. Seine Mitarbeiter stammen aus der Slowakei, Russland, der Ukraine, Albanien und dem Libanon. Assistenten aus Syrien, Jordanien, Ägypten und dem Jemen verstärken die Mannschaft. Aber auch jene, die in ihre Heimat zurückkehrten, könnten mit ihren Kenntnissen vom deutschen Markt und Kontakten zu Unternehmen neue Türen für Kooperationen oder Handelsgeschäfte öffnen.

Auch das Institut für internationalen Wirtschaftstransfer, das bereits in Teheran präsent ist, gehört der Wirtschaftsdelegation an. Das Unternehmen mit Sitz im sachsen-anhaltischen Wolmirstedt hilft Unternehmern und Wissenschaftlern – hauptsächlich aus Sachsen-Anhalt – bei der Kontaktaufnahme zu passenden Geschäftspartnern im Ausland. Im Februar dieses Jahres hat das IWT sein „Institut für internationalen Wirtschaftstransfer im Iran“ mit Sitz in Sachsen-Anhalt und in Teheran geründet. Mitgesellschafter ist Missagh Ghasemi. Der 28-jährige Iraner hat in Deutschland sein Abitur gemacht und hier Rechtswissenschaften studiert. „Wir haben uns auf der Iran-Konferenz des Deutschen Industrie- und Handelskammertages in Berlin kennengelernt“, erzählt Behrendt. „Und da das Interesse der Iraner an Geschäften mit Deutschland auch sehr groß ist, war schnell der Beschluss gefasst, mit dem IWT-Iran einen Türöffner zu platzieren für die Unternehmen in Sachsen-Anhalt“. So ziemlich alle Branchen hätten Chancen, sich den iranischen Markt zu erschließen, meint Behrendt: „Produkte ‚Made in Germany‛ leisten dort seit vielen Jahren ihren Dienst, was von hoher Qualität und Langlebigkeit zeugt. Das wollen die Iraner jetzt wieder haben, aber auf modernem Niveau.“ Im Rahmen der Delegationsreise hat das IWT eine Informationsveranstaltung zur Vorstellung der sieben Sonderwirtschaftszonen des Irans vorbereitet, in denen wirtschaftliche Aktivitäten von Ausländern zugelassen sind. Vor allem die Bereiche Tourismus, Landwirtschaft und das große Thema Wasser seien Entwicklungsschwerpunkte im Iran, sagt IWT Manager Matthias Behrendt.

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