Mutmacher statt Patriarch


"Wer langsam zum Bahnhof geht, wird nicht fallen, aber wahrscheinlich den Zug verpassen", heißt ein sardisches Sprichwort. Eine ganze Reihe solcher Weisheiten hat Hausmann an eine Wand gepinnt. Lebensmaximen, die den promovierten Tierarzt mit einem Diplom als Landwirt in der Tasche charakterisieren. Nein sagt er, die Hände in den Schoß legen lag ihm noch nie. Nach der Wende ging der Mann, der jahrelang für die Landwirtschaft in seiner Heimatregion Verantwortung trug, keinen leichten Weg. Zufälle spielten eine Rolle, sagt Hausmann. Man beauftragte ihn, die 17 Schlachthöfe in Sachsen-Anhalt abzuwickeln. Der halberstädter lehnte den Treuhandauftrag ab. Das sei eine absurde Situation gewesen, die Tierbestände sanken auf ein Viertel und mit der Konzentration der Verarbeitung auf wenige Standorte entstanden lange Wege.

Hausmann konnte die Entwicklung nicht aufhalten, suchte nach tragfähigen Konzepten. Dass der Halberstädter Schlachthof 1992 zur Disposition stand, ging ihm gegen den Strich. "Ich war nicht Rockefeller und habe trotzdem den Schritt ins Unternehmertum gewagt", räumt er ein. Es sei wohl auch ein wenig Protest gewesen. Mit der Frage, was die Großen der Branche falsch machen, begann ein neuer Lebensabschnitt. Wer gigantisch Vieh einkaufe, um es zu verarbeiten, der hänge immer am Tropf der Preisschwankungen auf dem Markt. "Ich machte es anders und setzte einen Fuß in die Primärproduktion", lautete die logische Konsequenz. So kam die Gruppe mit einer eigenen Zucht- und Mastanlage auf die Beine. Diese Symbiose zahlt sich aus. Einen Teil der Schweine kommen aus dem Firmenverbund, weitere liefern Bauern aus der Umgebung. Damit sei man unabhängiger von äußeren Einflüssen. Vertikale Produktion nennt Hausmann sein Vorgehen. Schließlich kam Mitte der 1990er Jahre noch ein eigener Verarbeitungsbetrieb dazu. Das Dreigespann bewährt sich.

Die Zahlen sprechen für sich. Aus den 42 Mitarbeiter des Schlachthofs sind 220 in der Gruppe geworden. Als die Treuhand vor fast 20 Jahren den Vertrag mit Hausmann schloss, drohte ihm eine Strafe von 30.000 DM für jeden Beschäftigen, der entlassen würde. "Von einer Prämie für mehr Arbeitsplätze war leider keine Rede", bedauert er mit einem Lächeln. Heute beliefert das kleine Imperium 300 große Kunden wie Fleischerein, Seniorenheime oder Gaststätten, betreibt 18 eigene Läden und schickt 5 Verkaufswagen durch die Lande. Der Erfolg, darauf beharrt Hausmann, sei nicht Allein sein Werk. Drei junge Geschäftsführer und die gesamte Belegschaft habe Tolles geleistet.

Der Mutmacher mischte und mischt überall mit, wo er eine Aufgabe für sich sieht. Nicht immer war er freundlich, galt manchmal als unbequemer Partner. Vier Jahre war er Halberstädter Oberbürgermeister, sitzt heute in Aufsichtsräten. Besonders zufrieden geht er am historischen Dom vorbei. Dort sorgte der Konfessionslose für den neuen Klang der Glocken. Desolat seien sie gewesen. Bei einer Besichtigung des Sakralbaus Anfang der 1990er Jahre war er über deren Zustand entsetzt. Für ihn bedeuteten sie Leben, ihr Klang die Stimmen der Stadt. Als 1995 die Gaststätte "Schwejk“ des eigenen Unternehmens eröffnet wurde, feierte Hausmann seinen 55. Geburtstag. Anlass für den Start einer Spendenaktion, die 11.000 DM erbrachte. Von da an widmete sich der Halberstädter dem Klang von den Türmen des Domes St. Stephanus und Sixtus. Mit einer handvoll Verbündeter suchte er Lösungen für jede einzelne der 13 Glocken, von denen gerade noch eine im Dienst war. Deutschlandweit gibt es kein zweites Geläut, das eine so große Zahl Glocken aus dem Mittelalter besitzt.

Die nächsten Pläne sind geschmiedet. Hausmann analysierte die Chancen einer Biogasanlage. Zwei Drittel von ihnen arbeiteten nicht rentabel, erzählt er schulterzuckend. Dabei habe er alle nötigen Rohstoffe im eigenen Unternehmen. Gülle gibt es ausreichend aus der Schweinmast, Schlachtabfälle fallen an. Mit vier Gleichgesinnten, alle im gesetzten Alter, Hausmann nennt die Truppe eine "Jugendbrigade", wurde getüftelt. Die Lösung scheint simpel. Es soll besonders reines Gas produziert, verflüssigt und dann beispielsweise an Gastankstellen verkauft werden. Die Qualität und Zusammensetzung entspricht Erdgas. Der Macher hat mit der Pilotanlage seine nächste Aufgabe geschultert. Zwei Millionen Euro sind nötig, um sie zu errichten. Banken verwehren noch die Kredite. Andere Lösungen werden gesucht. "Ich bin ein unverbesserlicher Optimist, in einem Jahr könnte das Projekt verwirklich sein", sagt der 70-Jährige selbstbewusst. Den Schneid lasse er sich nicht nehmen. Das wäre ja auch das erste Mal. "Dem Geduldigen laufen die Dinge zu, dem Eiligen laufen sie davon", zitiert er von seiner Pinnwand ein indisches Sprichwort.

Autor: Klaus-Peter Voigt

 

Kontakt:

Schlachthofgruppe

Dr. Crohn-Straße 1

38820 Halberstadt

Dr. Harald Hausmann

Telefon: 03941-567910

harald.hausmann@halberstaedter-landwurst.de

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