Rainer Thiele führte Kathi-Backmischungen zu Weltruhm


Freitags ist er nie da: Seit Rainer Thiele (67) seinen Söhnen Marco und Thomas die Geschicke des Familienunternehmens Kathi Backmischungen 2008 übergeben hat, gönnt er sich immer ein verlängertes Wochenende für ganz private Unternehmungen. „Nun ja, ich versuche es. Sie wissen doch, Rentner haben niemals Zeit und mein Terminkalender ist immer voll“, schmunzelt Rainer Thiele. „Ich sehe mich als Berater und habe auch noch die strategische Führung in den Händen unseres Familienunternehmens. Aber mit der Übergabe an meine Jungs, auf die ich sehr stolz bin,  ist für mich ein großer Traum in Erfüllung gegangen. Wenn Kinder das Lebenswerk der Eltern fortführen, das ist Glück pure“.

Täglich verlassen 25.000 Backmischungen in 60 Sorten die Produktionshallen in Halle an der Saale. Von der Händel-Torte bis zum  Kathi Pizzateig, vom Obstkuchen bis zum Kathi Mandel Gebäck. Rainer Thiele kennt sie alle, denn ohne ein Stück frischen Kathi Kuchen startet er nicht in den Tag.

Die Idee der Backmischungen ist nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Not heraus entstanden.  „Meine Mutter Käthe 'streckte' nach dem Krieg  Leberwurst mit würzigen Zutaten, verarbeitete sie zu einem Brotaufstrich und fuhr mit einem Dreirad über die Dörfer, um den Aufstrich gegen  Eier und Butter und anderen Sachen einzutauschen“, erzählt Seniorchef Rainer Thiele. „Sie war eine einfache, aber sehr kreative Frau. Sie kreierte Kuchen- und Kloßmehle, kochfertige Suppen und Soßen um zu überleben.“ Und so legte Käthe Thiele zusammen mit ihrem Mann Kurt vor mehr als 50 Jahren den Grundstein für das Familien-Unternehmen. „Am 31. März 1951 wurde unter dem Namen Kathi Nährmittelfabrik Kurt Thiele unsere Firma ins Handelsregister der DDR eingetragen. Den Namen Kathi ließ mein Vater 1953 als Markenpatent eintragen. Und warum Kathi? „Ganz einfach, das sind die Anfangsbuchstaben von Käthe Thiele, meiner Mutter“, lächelt Rainer Thiele.  Heute kennt man Kathi-Produkte in der ganzen Welt. Neudings geht das Kuchenmehl sogar auf die Reise nach Vietnam.

Begonnen hat alles in einem Garagenkomplex in der Meckelstraße 25 in Halle. „Dort stand das Haus meiner Großeltern. Sie wohnten im Obergeschoss, meine Eltern im Erdgeschoss und im Hinterhof  eben diese Garagen. Heute würde man sagen, ein Silicon Valley  und das 1951. Nicht nur Bill Gates hat in einer Garage angefangen“, lacht Rainer Thiele. Das Privatunternehmen entwickelte sich gut, dank Organisationstalent und Kreativität von Mutter Käthe. Doch 1957 musste Kathi auf Anweisung der Regierung das Sortiment eingeschränkt. „Keine fertigen Soßen und Suppen mehr. Wir entschieden uns für die Backmischungen. Der Staat war plötzlich mit 67 Prozent am Unternehmen beteiligt“ Doch es kam noch schlimmer. „1972 wurden wir enteignet.“ Für Rainer Thiele begann ein steiniger Weg. Er entschied sich das Familienunternehmen Kathi, zum VEB  Backmehlwerk Halle umbenannt, zu verlassen. Doch er war überzeugt, dass er eines Tages das Lebenswerk seiner Eltern weiterführen wird. Knapp 20 Jahre später ging der Wunsch tatsächlich in Erfüllung. Nach der  Wende politischen Wende reprivatisiert Rainer Thiele Kathi erfolgreich das Unternehmen und nahm die Geschicke 1991 wieder selbst in die Hand. „Wir sind Schritt für Schritt  gewachsen. Nach der Wende haben wir mit 32 Mitarbeitern begonnen. Heute ist die Firmenfamilie auf 90 Mitarbeiter angewachsen“, sagt Rainer Thiele stolz.  Kathi hat im Jahr 2009 insgesamt 17 Millionen Euro umgesetzt. Nach der Reprivatisierung 1991 waren es gerade mal 1,8 Millionen Euro. „Seit diesem Tag waren wir kein einziges Mal in den roten Zahlen und wir mussten keinen einzigen Mitarbeiter entlassen, obwohl Krisen auch um Kathi  keinen Bogen machen.“

In den neuen Bundesländern sind Kathi Backmischungen Marktführer.  Auf ganz Deutschland bezogen liegen das Familienunternehmen aus Halle an der Saale auf Platz drei nach Dr. Oetker und Ruff auf dem bundesdeutschen Markt für Backmischungen. „Es gibt also noch viel zu tun“, schmunzelt Rainer Thiele. Doch an einer Tatsache wird sich in naher Zukunft nichts ändern: „ Freitags ist er nie da.“

 

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