Preisgekrönter Dokumentarfilm „Original Bitterfeld“ kommt ins Kino

„Bitterfeld ist ganz anders als gedacht.“
(Uwe Holz, Leiter IFM Wolfen & Kreismuseum Bitterfeld)

Der in Cannes mit dem Goldenen Delphin ausgezeichnete Dokumentarfilm „Original Bitterfeld“ kommt in die deutschen Kinos. Der Film entstand im Jahr 2018 in Koproduktion zwischen der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH und der Leipziger Filmproduktion commlab GmbH. Anlass war das 125-jährige Jubiläum, das die Chemieregion Bitterfeld-Wolfen in diesem Jahr begangen hat. Die öffentliche Premiere findet am 13.12.2018 im Industrie- und Filmmuseum Wolfen statt. Weitere Vorführungen sind für den 20.12. und den 10.01.2019 geplant. Der Einlass ist jeweils ab 18:30 Uhr, die Vorführung startet um 19:00 Uhr.

Der Film zeigt einen beliebigen Tag in Bitterfeld. Er startet in der frühen Morgendämmerung und endet in tiefer Nacht. Ziel war es, den Charakter dieser geschichtsträchtigen Chemieregion in der Mitte Deutschlands erfahrbar zu machen und das Meinungsbild über die einst dreckigste Region Europas zu verbessern. Besonders der Wandel von den chemischen Staatsbetrieben der DDR zum freien Unternehmertum der Marktwirtschaft soll mit all seinen Verwerfungen, aber auch Erfolgsgeschichten, in den Fokus gerückt werden. Auch die schwierige Metamorphose einer völlig vergifteten Landschaft in ein wasserreiches Naturparadies soll diesen Wandel illustrieren.

Die Dreharbeiten fanden von August 2017 bis März 2018 statt. Zwei Drehteams waren unter Regie von Marcus Hansmann an insgesamt 30 Drehtagen in der Chemieregion un-terwegs. In dieser Zeit wurden mehr als 50 Drehmotive besucht und gaben Einblicke hinter die Kulissen der gewaltigen Produktionsprozesse. Über 20 Interviews wurden geführt und beinahe 5.000 Minuten Filmmaterial gesammelt. Die Fertigstellung erfolgte im April 2018. Am 06. Juni 2018 wurde der Dokumentarfilm im Industrie- und Filmmuseum Bitterfeld-Wolfen einem geladenen Publikum im Rahmen der Festwoche des Jubiläumsjahres uraufgeführt.

Patrice Heine, Geschäftsführer der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH: „Im Mittelpunkt des Dokumentarfilms stehen die Menschen, die hier teilweise schon seit Generationen leben und arbeiten. In eindrucksvollen Bildern, die von den Lebensgeschichten der Protagonisten getragen werden, entstand so ein besonderer Blick auf die Region und ihre Akteure.“
Chemiepark Bitterfeld-Wolfen GmbH | Telefon: (03493) 7 2633 | E-Mail: nancy.rotsch@chemiepark.de

Sándor Mohácsi, Produzent: „Persönlich liegt mir sehr viel an der Region, daher war und ist mir dieses Projekt sehr wichtig. Wir sind den Menschen in Bitterfeld-Wolfen sehr dankbar für all die Unterstützung, die wir im Laufe der Dreharbeiten erhalten haben. Wir haben ganz neue Einblicke in diese Chemieregion gefunden und die Stadt Bitterfeld-Wolfen anders kennengelernt, wie man sie landläufig beschreibt. Wir konnten hier diese einmalige Transformation, die die Menschen und die Region erlebt hat, erfahren.“
Marcus Hansmann, Regisseur berichtet eindrucksvoll von seinen Erlebnissen: „Der Dreh in Bitterfeld-Wolfen war für mich Abenteuer- und Bildungsreise zugleich. An jeder der vielen Stationen gab es erstaunliche Dinge zu entdecken und zu lernen. Geschichte, Technik, Wissenschaft, Wirtschaft und Alltag; jeder Blick eröffnete immer gleich ein ganzes Panorama. Das Beste aber waren unsere „Reiseführer“, die Menschen in den Unternehmen, in der Region, die uns von ihrer Arbeit und ihrem Leben erzählten, uns Türen und Tore öffneten, freimütig, einladend und spürbar stolz.“

DVD mit über 100 Minuten Zusatzmaterial ab sofort erhältlich
Zeitgleich findet auch der DVD-Release des Dokumentarfilms statt. Die DVD wird im Industrie- und Filmmuseum Wolfen, im Kreismuseum Bitterfeld sowie online unter www.originalbitterfeld.de erhältlich sein. Neben dem 70-minütigen Hauptfilm gibt es über 100 Minuten Zusatzmaterial. Dazu zählen Interviews mit Akteuren aus dem Film, die ausführlich über ihr Leben und Arbeiten in der Chemieregion von damals uns heute berichten.

So erzählt Ingrid Weinhold, ehemalige Gründerin und Geschäftsführerin der MABA Spe-zialmaschinen GmbH, von der aufregenden aber auch schwierigen Phase, die die politische Wende mit sich gebracht hat. Uwe Holz, Leiter des Industrie- und Filmmuseums Wolfen und des Kreismuseums Bitterfeld, bietet einen umfassenden Einblick in die Geschichte der Region. Dr. Harald Rötschke, Geschäftsführer der MDSE Mitteldeutsche Sanierungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH, fokussiert sich dem Umweltschutz und der Umweltsanierung. Weiterhin sind beeindruckende Collagen aus Luft- und Kameraaufnahmen entstanden, die die Landschaft, Stadt und Industrie der Region Bitterfeld-Wolfen in den Mittelpunkt stellen.

Auch 2019 soll es mit der Verbreitung des Dokumentarfilms weitergehen. Neben weiteren Kinovorführungen in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, ist auch die Veröffentlichung des Films bei bekannten Internet-Streaming-Anbietern geplant, da das Interesse an der Chemieregion international sehr hoch ist. Die Teilnahme an weiteren nationalen und internationalen Filmfestivals und Filmpreisen ist bereits angelaufen.

Wenn in Bitterfeld ein neuer Tag erwacht, dann hat die Stadt davor nicht geschlafen. Ein neuer Tag ist hier eine neue Schicht. In Bitterfeld geht es immer weiter und weiter … und das seit 125 Jahren. 24 Stunden Bitterfeld. Der Film zeigt einen beliebigen Tag in Bitterfeld und Umgebung. Er startet in der frühen Morgendämmerung und endet in tiefer Nacht.

Bitterfeld wurde und wird geprägt von der Chemie, von der Industrie. Vom Abbau der Braunkohle im großen Stil am Ende des 19. Jahrhunderts, der frühen Chlor-Alkali-Elektrolyse über die Farbchemie, die weltweit bedeutende Filmherstellung bis zum modernen Chemiepark der Gegenwart mit seinen über 300 Unternehmen, ist Bitterfeld-Wolfen zum Laboratorium einer kontrastreichen Schicksalsgeschichte geworden, zu deren immer neuen Variationen nicht zuletzt die Abfolge ganz unterschiedlicher politischer und wirtschaftlicher Systeme beigetragen hat.

Einst mit dem Makel behaftet „Europas dreckigste Stadt“ zu sein, hat sich Bitterfeld-Wolfen in den Jahren nach der Wiedervereinigung zum Schaukasten einer beispiellosen Transformation entwickelt. Darin zu erkennen, ist der Schmerz über den Verlust von Arbeitsplätzen und vertrauter Kulisse, aber auch der Stolz auf das Gewonnene, auf die Modernität des längst wieder wachsenden Standorts mit seinen Konzernen, Familienunternehmen und Weltmarktführern, auf die Verwandlung einer durch Industrieabfälle verschmutzten Natur in eine attraktive und lebenswerte Seenlandschaft, die an manchen Stellen eher an Finnland als an das Zentrum mitteldeutscher Industriegeschichte erinnert.

Der Film zeigt den Chemiestandort Bitterfeld als das, was er ist: als gewaltige Brutstätte menschlichen Erfindergeistes, als Herzkammer des ewigen Fortschritts, als Schmelztiegel der Substanzen, als Füllhorn der Erzeugnisse, die in aller Welt unser modernes Leben von heute überhaupt erst möglich machen. Bitterfeld als Zellkompartiment menschlicher Schöpfungs- und Gestaltungskraft, als heiliger Bezirk von Wissenschaft und Technik. Und bei alledem aber den Menschen dienend, Arbeit und Brot gebend, das Leben erleichternd – und damit „humanistisch“ im Sinne des Wortes durch und durch. Doch das, was Brot gab und gibt, war auch für lange Zeit zerstörerisch. Gesundheit und Natur wur-den über Jahrzehnte hinweg von einer völlig unbekümmert waltenden Industriemaschinerie attackiert.
Und doch erwuchs für die Menschen vor Ort auch in diesen ruppigen Phasen der Region eine starke und innig empfundene Identität. Die Verbundenheit mit der Geschichte, mit den Schauplätzen der Arbeit, der Landschaft und des Alltäglichen, ist nahezu überall und bei fast jeder menschlichen Begegnung in Bitterfeld-Wolfen spürbar. Doch weisen die meisten Schauplätze immer mehrere, oft ganz unterschiedliche Perspektiven auf. Jedes System hat seine Spuren, jede Epoche hat dort ihre Prägungen hinterlassen - und bis heute fallen sämtliche Bilanzen Bitterfelds immer ambivalent aus, können so oder so gelesen werden, je nach Schicksal, je nach Haltung, je nach Blickwinkel. Immer ging und geht es um Verlust und Gewinn, meist beides in unheimlicher Synchronität; heute überwiegt vielleicht die Haben-Seite bei den Menschen, die in der Region ihre Zukunft sehen.

Zwei Hauptfiguren führen durch einen beispielhaften Tag in Bitterfeld-Wolfen:
Jürgen Ohme, Lokführer bei der Regiobahn Bitterfeld Berlin, ist ein charmantes und gleichsam raues Original. Er fährt mit seiner Rangierlok durch den Chemiepark und belie-fert per Kesselwagen die ansässigen Unternehmen mit allerhand Gefahrgut, mit Säuren, Laugen und Gemischen. Er führt uns durch den Tag in Bitterfeld-Wolfen, bringt uns auf der Schiene von einer Chemiefabrik zur nächsten und erzählt zwischendurch, wie es ihm an seinem durchaus fordernden und anstrengenden mobilen Arbeitsplatz ergeht und warum er sich trotz Traumjob stets auf den Feierabend freut.
Wenn es dunkel wird und die Nachtschichten im Chemiepark beginnen, wird Jürgen Ohme von Michael Pratsch, einem Wachmann des zentralen Sicherheitsdienstes, in seiner Funktion als Protagonist abgelöst. Akkurat und geradeheraus führt er uns durch sein nächtliches Geschäft, die Sicherheit im Chemiepark. Am Ende wird er dann doch ganz emotional, wenn er von seiner Heimat spricht und von dem Wandel, den die Menschen dort erleben, durchleiden, aber auch als großen Gewinn erfahren durften.

Dazwischen öffnen Unternehmer und Werksleiter ihre Fabriktore und erzählen von der Chemie, die sie am Standort Bitterfeld-Wolfen betreiben, sie erzählen von Prozessen und Prozeduren, von Erfordernissen und Besonderheiten, und schließlich auch von ihrer ganz persönlichen Sicht auf die Region und die Entwicklungen der letzten Jahre.
So sehen wir z.B. wie Milliarden von Tabletten für die ganze Welt produziert werden, auf welch bescheidene, aber durchaus erfolgreiche Weise die Traditionsmarke ORWO die Herstellung von Filmmaterial fortsetzt, wie Aroma- und Duftstoffe von einem Familienunternehmen entwickelt und zusammengebraut werden, wo der Grundstoff des Internet - nämlich hochreines Quarzglas - hergestellt wird, oder wie ein Staatsbetrieb versucht, in jahrzehntelanger Arbeit und mit ausgeklügelten Ideen, die Böden und Gewässer der Region von Giften und Altlasten zu befreien.
Im Film werden nicht die Nöte, die Probleme, die temporäre Naturfeindlichkeit und andere Schattenseiten des Standorts ausgeblendet. Alles gehört zusammen - aber alles ergibt am Ende ein Bild: ein mit Recht hoffnungsvolles und durchaus faszinierendes.

Die reportierende Erzählung über die Unternehmen und die Geschichte des Standorts wird visuell eingebettet in die Region, mit ihren Landschaften, Siedlungen, Stimmungen und Besonderheiten. Und wir werden Menschen sehen. Menschen, die unterwegs sind, die arbeiten, die dort leben, vom Werksleiter, über den Direktor eines Traditionsunternehmens bis hin zu den Damen vom Grill, die täglich Erbsensuppe und Bouletten austeilen.

Der Film zeigt der Welt einen Tag in Bitterfeld.

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