Kampf gegen Tierseuchen: preiswert und wirksam

Mitteldeutsche Wissenschaftler wollen mit revolutionärer Idee punkten

Im Forschungsprojekt VEROVACCiNES haben Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt eine neuartige Impfstoffplattform gegen Tierseuchen entwickelt. Mit dem kostensparenden Verfahren gehört VEROVACCiNES zu den Gewinnern des hochdotierten GO-Bio-Wettbewerbs des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung. 2017 soll das Universitätsprojekt ausgegliedert und ein veterinärpharmazeutisches Unternehmen gegründet werden.

Die Idee ist geradezu revolutionär: In modifizierten und patentierten Milchhefezellen (Kluyveromyces lactis) werden ungefährliche Virusbestandteile gebildet, die später Tieren injiziert werden und durch die massive Aktivierung des Immunsystems einen hundertprozentigen Schutz vor Vireninfektionen bieten. Diesen neuen Ansatz bei der Entwicklung von viralen Impfstoffen haben Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in Deutschland entdeckt. Fünf Jahre lang haben die beiden Arbeitsgruppen von Prof. Sven-Erik Behrens - Virologie - und Prof. Karin Breunig - Hefegenetik - im Projekt VEROVACCiNES die Technologie entwickelt, deren Wirksamkeit inzwischen nachgewiesen wurde. VEROVACCiNES soll 2017 als Unternehmen ausgegründet werden. Seinen Sitz will es im mitteldeutschen Halle/Saale auf dem Weinberg-Campus, einem der größten Technologie- und  Gründerzentren Deutschlands nehmen.

Günstig und sicher in der Herstellung sei der Impfstoff, und er habe eine hohe Wirksamkeit, sagt Dr. Hanjo Hennemann, Molekularbiologie und derzeit mit der Gründung des Unternehmens beschäftigt. „Das Besondere ist die spezielle Nutzung unserer Hefe. Sie ist einfach in der Handhabung, hat anspruchslose Nährbedingungen und ist zudem sehr preisgünstig.“ Aus der Menge Hefe, die einem handelsüblichen Würfel Bäckerhefe entspricht, könnten 50 000 Impfdosen hergestellt werden! Ein geeignetes Werkzeug also. Die Hefezellen mit den ungefährlichen Virusbestandteilen werden nach der Fermentation ohne Abtrennung der Virusbestandteile direkt getrocknet, abgetötet und zu Pulver verarbeitet. Das Impfstoffpulver wird vor der Anwendung in wässriger Lösung gelöst und kann dann den Tieren direkt unter die Haut injiziert werden. „Die Virusbestandteile verbleiben in der Hefe; damit spart man sich den kostenintensiven Aufreinigungsprozess. Zweiter Vorteil ist, dass die Hefezellen selbst eine Grundstimulierung des Immunsystems bewirken. Zusammen mit der Bildung von Antikörpern resultiert so eine sehr starke Immunantwort“, erklärt Dr. Hennemann. Von großer Bedeutung, so der Biotech-Unternehmer, könnte die Impfplattform für Schwellen- und Entwicklungsländer sein: Da das Impfstoffpulver nicht gekühlt werden müsse, sei es leicht zu lagern und besonders für Länder mit warmem Klima interessant.

Für drei verschiedene Impfstoffe hat VEROVACCiNES inzwischen Wirksamkeitsnachweise: gegen Hühnerbusitis, virale Rinderdiarrhoe und Vogelgrippe. Zwei weitere Vakzine sind noch in der frühen Entwicklung. Außerdem arbeiten die Forscher an einer neuen Technologie, um Kombinationsimpfstoffe zu generieren. Dabei ist die neue Methode deutlich kostensparender als herkömmliche, bei denen jede Impfkomponente eines Kombipräparates einzeln hergestellt werden muss und erst am Ende zum fertigen Präparat zusammengefügt wird. VEROVACCINES stellt hingegen Hefezellen her, die bereits jede der Einzelkomponenten enthält. „Wir haben schon verschiedene experimentelle Kombinationen, aber noch keinen Fertigimpfstoff. “Wenn dessen Herstellung gelänge,“ so Hanjo Hennemann, „wäre das ein Riesenfortschritt“.

Als Medikament ist der neue Impfstoff noch nicht auf dem Markt. „Der Impfstoff gegen Hühnerbusitis ist so optimiert, dass er bereits jetzt in die klinische Erprobung gehen könnte. Die Anforderungen der Tests sind aber so hoch, dass wir alleine sie nicht durchführen können“, sagt Hanjo Hennemann. Derzeit finden Gespräche mit zwei internationalen veterinärpharmazeutischen Unternehmen statt, die zwei der Impfstoffe testen wollen.

Und es laufen intensive Vorbereitungen zur  Ausgründung eines veterinärpharmazeutischen Unternehmens. Das Feedback nationaler und internationaler Investoren ist positiv. VEROVACCINES sucht bereits die Öffentlichkeit, um auf sich aufmerksam zu machen. So nahmen die Forscher aus Sachsen-Anhalt zum Beispiel in diesem Jahr - als einziger deutscher Beitrag - am European Animal Health Investment Forum in London teil.

Bis zum angestrebten Unternehmensstart im Mai kommenden Jahres sollen  Investorengelder eingeworben und bereits erste Umsätze erzielt werden

Mit seiner Idee gehörte das Forscherteam 2012 zu den Gewinnern des GO-Bio-Wettbewerbs des deutschen Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Ziel des hochdotierten GO-Bio-Programms ist es, deutschlandweit Entwicklungen aus der Grundlagenforschung zu fördern, so dass biotechnologische Firmengründungen ermöglicht werden. Der Run auf den Wettbewerb ist groß, die Erfolgsrate gering: Von 100 Teilnehmern gewinnen pro Runde etwa fünf. Dazuzugehören, darauf sei man stolz, sagt Hanjo Hennemann. Der Erfolg in verschiedenen Förderprogrammen bescherte dem Projekt bisher über fünf Millionen Euro Förderung. „Diese neue und äußerst flexible Impfstofftechnologie und die damit generierten Impfstoffe bieten ideale Voraussetzungen für eine gesunde Tierhaltung und damit die sichere Herstellung von Nahrungsmitteln“, so Hennemann.

Autor: Anja Falgowski

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