Neubau des Instituts für Kompetenz in AutoMobilität (IKAM) auf dem Magdeburger Universitäts-Campus

Neubau des Institutes für Kompetenz in AutoMobiliät wird auf dem Magdeburger Universitäts-Campus eingeweiht.

Auf dem Campus der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität wird am 21. März der Neubau des Instituts für Kompetenz in AutoMobilität (IKAM) eröffnet. Das hochmoderne Forschungslaborgebäude wird neben dem Räumen im Innovations- und Gründerzentrum ein weiterer Standort sein, in dem Wissenschaftler Automobilforschung betreiben. Ein Gespräch mit IKAM-Geschäftsführer Dr.-Ing. Stefan Schünemann über das neue Gebäude, Herausforderungen und das Auto der Zukunft.

Das IKAM bezieht bald zusätzliche Räume auf dem Campus. Ist das Institut dann komplett?
Das ist ein stetiger Prozess. Es gibt noch ein paar weitere Schritte. Räume, Technologien, Maschinen und Anlagen sind neu, wir müssen uns zunächst vieles erarbeiten. Wir müssen den Nachweis erbringen, dass wir mit diesen Maschinen und Anlagen arbeiten können und damit Forschung und Entwicklung betreiben. Demnächst wollen wir auch noch ein Technikum in Barleben fertigstellen, wo weitere interessante Technologien zum Einsatz kommen sollen. Ich denke, dass wir in einem halben Jahr dann nochmal deutlich weiter sind. Der Anfang ist aber gemacht. Die Inbetriebnahmen der einzelnen Technologien in unserem Gebäude auf dem Campus wecken bereits ein hohes Interesse bei Partnern und Kunden. So ist beispielsweise auf unserem sehr leistungsfähigen Antriebsstrangprüfstand, mit dem man ganze Fahrzeuge oder Triebstränge von Fahrzeugen testen kann, ein erster umfassender Auftrag eines Kunden zu bearbeiten.

Könnte das eine Kettenreaktion in Gang setzen und IKAM so richtig ins Rollen bringen?

Das IKAM ist ein Newcomer in der Forschungs- und Entwicklungslandschaft. Wir müssen uns am Markt platzieren und zeigen, dass wir fit in der zielgerichteten Umsetzung industrieller Projekte sind und neue Impulse setzen können. Mit dem ersten Auftrag können wir natürlich beweisen, dass wir die neuen Technologien beherrschen und für weitere Aufträge zur Verfügung stehen.

Welche Vorteile hat der Standort auf dem Campus?

Wir fangen nicht bei null an, sondern nutzen insbesondere das exzellente Know-how und die Erfahrungen der Wissenschaftler der Otto-von-Guericke-Universität. Hier existieren langjährige Verbindungen in die Fachwelt, in die Wissenschaft und auch in die Wirtschaft. Die mit dem Aufbau des IKAM entstehenden Möglichkeiten wollen wir gemeinsam nutzen, um eine neue qualitative und quantitative Stufe unserer Arbeiten zu erreichen. Wir arbeiten aber nicht nur mit der Universität zusammen. Auch die anderen Hochschulen Sachsen-Anhalts besitzen Know-how, welche für die Automobilbranche interessant ist. Darum wirken wir beispielsweise im KAT, dem Kompetenznetzwerk für Angewandte und Transferorientierte Forschung, selbst aktiv mit. Der wissenschaftliche Background ist für uns immens wichtig, um unsere Ziele erreichen zu können, nämlich neue Produkte, Verfahrenstechniken zu entwickeln und diese Technologien sowie das entstandene Wissen in die Industrie zu transferieren. Lassen Sie mich dazu noch einen anderen Aspekt beleuchten. Unsere Aufgabe ist es auch, die erwarteten zukünftigen Anforderungen der Industrie in die Hochschulen hineinzutragen und eine Umsetzung zu moderieren. An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft müssen wir immer den Spagat machen zwischen gegebenenfalls längerfristiger Forschung und dem kurzfristigen Bedarf der Unternehmer. Der Transfer geht in beide Richtungen: Das Know-how der Wissenschaft soll schnellstmöglich der Industrie zugänglich gemacht werden. Die Unternehmen sollen stärker an die Wissenschaft herangeführt werden. Die Schwelle zu reduzieren, um gemeinsame Innovationen entstehen zu lassen, ist eben auch eine unserer Aufgaben.

Sind Sie aufgeregt?
Bei solchen Herausforderungen? Im positiven Sinne, ja! Wir nehmen sehr komplexe Technologien und umfangreiche Prüfstände in Betrieb. Nun sind wir gespannt: Funktioniert die Technik so, wie wir uns das vorgestellt haben? Entspricht sie den Anforderungen, die benötigt werden? Und können wir damit Aufgaben, die wir umsetzen möchten, realisieren? Gewinnen wir damit das Interesse am Markt?

Wie kann sich ein Laie das neue Forschungsgebäude und die Arbeit darin vorstellen?
Dort gibt es Geräte und Prüfstände, die teils Leistungsparameter haben, die man momentan nirgendwo sonst findet. Echte Alleinstellungen eben. Die Lieferanten dieser Technik und wir gehen dabei an technologische Grenzen. Das macht das Ganze so spannend. Für uns sind die Maschinen und Anlagen Hilfsmittel, um Ideen umzusetzen. Das wichtigste sind die exzellent ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie entwickeln nicht Dinge, die sich lediglich der Forscher vorstellen kann. Wir nehmen die Notwendigkeiten des Marktes aber auch die Fachkenntnisse und die Ideen der Unternehmen auf und entwickeln sie mit ihnen gemeinsam. So haben wir am Ende nicht nur ein Forschungsergebnis, sondern auch die Grundlage für eine realistische Marktumsetzung geschaffen.

Was sieht man, wenn man im neuen Gebäude die Tür öffnet?
Man sieht große und kleine Geräte, die schon nach High-Tech aussehen, aber für den Laien nicht immer auf den ersten Blick erkennen lassen, was man mit ihnen tun kann und welchem Entwicklungsziel sie dienen. Für hervorragende Forschung und Entwicklung muss man die erforderlichen Bedingungen schaffen, die umfassen nicht immer nur die Maschinen und Anlagen, sondern auch die Räume mit ihren haustechnischen Voraussetzungen. Es reicht nicht, nur einen Antriebsstrangprüfstand aufzubauen, um Fahrzeuge und Motoren testen zu können, man muss auch die gesamte Peripherie zur Verfügung haben.

Wer wird dort arbeiten und was wird getan?
Es sind die bereits angesprochenen hochqualifizierten Ingenieure und Techniker. Schrittweise wollen wir uns einen festen Mitarbeiterstamm aufbauen. Wir arbeiten mit allen ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten der Universität zusammen und kooperieren mit regionalen und überregionalen Unternehmen. Das sind vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen der Zulieferindustrie, aber auch die Automobilhersteller. Unsere Arbeiten konzentrieren wir in den Geschäftsfeldern Antriebstechnik, Elektromobilität, Leichtbau sowie Mess- und Prüftechnik. Wir beschäftigen uns dabei sowohl mit der Optimierung und Effizienz von Verbrennungsmotoren als auch mit der Entwicklung von Radnabenmotoren für elektrisch betriebene Fahrzeuge. Ebenso ist im Geschäftsfeld Elektromobilität die Leistungselektronik und die Softwareentwicklung ein wichtiges Thema. Wir beschäftigen uns mit Mess- und Prüftechniken, wo es unter anderem um Schwingungsuntersuchungen und Vibroakustik geht, also um die Prüfung mechanischer Belastungen von Bauteilen sowie die Schallemission. Die daraus abzuleitenden Optimierungen führen beispielsweise zu einer verbesserten Lebensdauer und zu besseren Fahreigenschaften. Außerdem beschäftigen wir uns mit dem Leichtbau. Hierbei stehen besonders die Fertigungstechniken im Vordergrund. Dabei gilt es, solche Fragen zu beantworten: Wie können wir die jeweils positiven Eigenschaften einzelner unterschiedlicher Materialkomponenten, wie beispielsweise ein geringes Gewicht und eine hohe Verbiegesteifigkeit, zu einer verbesserten gemeinsamen Bauteileigenschaft eines Strukturbauteils vereinen. Wie sieht eine Prototypenfertigung und eine spätere Fertigung unter Massenbedingungen aus?

Antriebsstrangprüfstand oder Komplexprüfstand sind Ihre Zauberwörter. Was können Sie mit diesen Kerntechnologien alles anstellen?
Sie bilden zunächst einmal eine Basis für unsere Forschungen und Entwicklungen zur Optimierung konventioneller Verbrennungsmotoren und deren Antriebssysteme. Wichtige Themen sind hier die Wirkungsgradoptimierungen durch Reduzierung von Reibungsverlusten, die Reduzierung von Schadstoffemissionen, die Nutzung alternativer Kraftstoffe bis hin zur Absicherung von Lebensdauer und Funktionen. Aber auch die Weiterentwicklung der neuen Antriebe, elektrische oder Hybridantriebe sind wichtig. Wir zielen dabei insgesamt weniger auf routinemäßige, fertigungsbegleitende Untersuchungen von Antrieben und Motoren. Das ist nicht unser Feld. Uns interessieren die Forschungs- und Entwicklungsaufgaben, bei denen wir unter anderem Fahrzeugtests von der Straße auf den Prüfstand zu holen und die somit  gewonnenen Prüfergebnisse für Neu- und Weiterentwicklungen der Antriebssysteme einsetzen können. Dazu sind wir beispielsweise in der Lage, reale Fahrten auf der Straße in ihrer Beschleunigung und ihrem gesamten Fahrverhalten aufnehmen. Die Zyklen können wir auf dem Prüfstand nachfahren und damit wiederholbar machen. Das können andere natürlich auch, aber in Verbindung mit der Technik und dem vorhandenen Know-how haben wir interessante Ansatzpunkte für Neuentwicklungen.

Sie möchten zukunftsträchtige Automobiltechnologien entwickeln. Was ist darunter zu verstehen?
Unsere Mobilität wird sich in den kommenden Jahrzehnten drastisch ändern. In der Automobilindustrie gibt es einen gewaltigen Umbruch: Wir bekommen neue Antriebstechnologien. Wir werden in den nächsten Jahren mit sehr unterschiedlichen Technologien leben. Da gibt es den klassischen Verbrennungsmotor, dessen Verbrauch und Effizienz optimiert werden muss. Wir werden Hybrid-Antriebe und voll elektrische Antriebe haben. Gerade in den Mega-Städten wird man auf kleineren Distanzen batteriebetrieben fahren können. Der Leichtbau von Fahrzeugen ist ein Topthema. Das alles muss entwickelt werden. Mobilität ist wichtig. Die Verbraucher haben Spaß daran, der muss erhalten werden. Wir erwarten mit, im und um das Fahrzeug einen gewissen Komfort, auf den wir ungern verzichten möchten. Dazu gehören auch die modernen Kommunikationsmittel, die wir aus unserer häuslichen und beruflichen Umgebung gewohnt sind und sich ebenso drastisch schnell entwickeln. Um das alles in neuen Produkten zu integrieren, brauchen wir neue Technologien und Fertigungsverfahren. Das sind sehr umfassende Entwicklungsaufgaben. IKAM kann das natürlich nicht alles umsetzen. Wir konzentrieren uns auf die Aufgaben, in denen wir Know-how besitzen und die wir auch hier in der Region bearbeiten und in die Wertschöpfung einbringen können. Wir werden an diesem Umbruch mitwirken und wollen dazu mit Innovationen – also in Produkte und Verfahren umgesetzte Neuentwicklungen – einen Beitrag leisten.

Wie wird sich die Rolle der Zulieferer ändern?
Deren Verantwortung wird steigen. Die Komplexität dessen, was sie liefern müssen, wird sich erweitern. Es geht in der zu betrachtenden Perspektive nicht darum, nur Teile zu liefern, sondern funktionale Komponenten, Baugruppen und komplexe Systeme. Die Verantwortung der Zulieferer und auch ihre Wertschöpfung in der gesamten Zulieferkette wird sich erhöhen. Diese Kette wird sich verändern, wir werden viel mehr in flexiblen Netzwerken arbeiten müssen. Das alles bedeutet, dass die Zulieferer sehr viel tun müssen, um stetig Innovationen zu entwickeln.

Lassen Sie uns visionär sein. Wie sieht Ihr Auto der Zukunft aus?
Da hätte ich selbst unendlich viele Ideen und Wünsche. Unsere Kinder und Enkel werden für sich ein ganz anderes Verhalten in der Nutzung der Fahrzeuge und ihrer Bedeutung entwickeln als wir es heute tun. Das futuristische Auto muss sich viel mehr an die Bedürfnisse der Nutzer anpassen. Es ist effizient, umweltverträglich, emissionsfrei und dies sicher in einem Maß, was über das heutige weit hinausgeht. Es genügt individuellen Mobilitätsanforderungen, egal, ob wir wenig, viel, lange oder kurz fahren. Ich denke dabei an weitreichende Assistenz- und Komfort-Systeme. Der Energiespeicher spielt sicher eine zentrale Rolle bei den visionären Überlegungen zukünftiger Mobilität. Warum soll eine Batterie im Auto nur dazu dienen, um damit zu fahren? Mit einer Nutzung der Batterie als Energiespeicher für eine mobile oder stationäre dezentrale Energieversorgung außerhalb des Autos sind wir bei den heute angestellten Überlegungen wieder angekommen. Der Vorstellung sind keine Grenzen gesetzt.

Autor: Manuela Bock
Fotograf: Dirk Mahler; Bildrechte IKAM

Kontakt:
IKAM Institut für Kompetenz in AutoMobilität – IKAM GmbH
Geschäftsführer Dr.-Ing. Stefan Schünemann
Universitätsplatz 2
39106 Magdeburg
Tel.: +49 391 597 993100
Fax: +49 391 59799 3101
E-Mail: info.ignore@ikam-md.de
Web: www.ikam-md.de

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