Regionaler Strukturwandel: Auf die Stärken besinnen

Die Strategien des Bündnis „BioZ – Biobasierte Innovationen aus Zeitz“

Ein junges Bündnis im Süden Sachsen-Anhalt, im Burgenlandkreis, verknüpft branchenübergreifend die regionalen Stärken in der Agrar-, Lebensmittel und Chemieindustrie. Die Partner*innen von „BioZ – Biobasierte Innovationen aus Zeitz“ haben sich auf die Fahnen geschrieben, stärke-, zucker-, protein- oder fetthaltige Stoffströme zu neuen, hochwertigen Erzeugnissen zu veredeln. Sie setzen dabei auf effiziente Verfahren und Wertschöpfungsnetze der nachhaltigen, biobasierten Wirtschaftsweise – auf die Bioökonomie als Motor des Strukturwandels.

Das Verbundvorhaben in der Braunkohleregion um Zeitz ist klar definiert: Mit Akteuren aus Wirtschaft, aus Start-Ups, aus  Forschung und Entwicklung, aus Netzwerken, der Administration, aus Clustern und der Politik soll ein breit angelegtes „Innovationsökosystem“ geschaffen werden – mit idealen Bedingungen für die Entwicklung von Innovationen. „Unser Ziel ist es, branchenübergreifende Kooperationen der Agrar-, Lebensmittel- und Chemieindustrie zu initiieren, um neue Wertschöpfungsketten in der Bioökonomie zu entwickeln“, sagt Prof. Dr. Matthias Zscheile, Clustermanager des „BioEconomy Cluster e. V.“. Der sachsen-anhaltische Spitzencluster legte den Grundstein für das „BioZ – Biobasierte Innovationen aus Zeitz“, das zu den 44 deutschen Bündnis-Ideen gehört, die von insgesamt 130 den Sprung in die zweite Förderrunde des Programms „WIR!“ geschafft haben. Das Projekt, das sich aktuell in der Antragsphase befindet, wird als erste Aufgabe haben ein Konzept für ein bioökonomisches Bündnis zu erstellen, bei dem der Burgenlandkreis die Kern-Region der Aktivitäten ist. Die neunmonatige Konzeptphase startet am 1. September 2020.

Die Abkürzung „WIR!“ steht für „Wandel durch Innovation in der Region“, mit dem das Bundesforschungsministerium den Anstoß für neue regionale Bündnisse und einen nachhaltigen innovationsbasierten Strukturwandel geben möchte. Dabei sollen gezielt Menschen vor Ort erreicht und motiviert werden, spezifische Stärken und Potenziale ihrer Region zu erkennen und weiterzuentwickeln, erklärt das Bundesministerium zum Start der gesamtdeutschen Förderkonzeption unter dem Titel „Innovation und Strukturwandel“.

Herausragende Dichte von Verbundstandorten der Chemieindustrie

Und was bedeutet das für Sachsen-Anhalt und speziell für den Burgenlandkreis? Die ländlich geprägte Region südlich der Metropolregion Halle-Leipzig blickt auf Traditionen beim Braunkohle-Abbau zurück. „Aber der endet bald“, sagt Prof. Dr. Matthias Zscheile, „wir müssen uns auf unsere Stärken besinnen und den Strukturwandel vorantreiben“. Zu diesen Stärken zählt der Cluster-Manager die fruchtbaren Böden, auf denen Zuckerrüben und Getreide bestens gedeihen. Die Landwirtschaft sei bereits in effizienten Lieferketten organisiert – mit mehrstufigen, vor- und nachgelagerten Verbindungen zwischen Unternehmen, die wiederum als Netzwerk von der Rohstoffgewinnung, über die Veredelungsstufen bis hin zum Endverbraucher an der Wertschöpfung beteiligt sind. Zscheile sagt: „Hier ist seit jeher eine starke Lebensmittelindustrie ansässig, es gibt viel Know-how und eine hervorragende Verarbeitungskompetenz.“ Dazu käme eine herausragende Dichte von Verbundstandorten der Chemieindustrie. Große Standorte der Bioethanolproduktion und neue Bioraffinerien befänden sich im Kerngebiet. Auch mit Clusterstrukturen der Bioökonomie kann das Bündnis punkten, in denen kleine und mittelständische Unternehmen, Start-Ups, exzellente Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen sowie Skalierungsplattformen gebündelt werden.

Aufbau neuer Wertschöpfungsketten

Darauf will das „BioZ“ aufbauen – und hat bereits Strategien dafür im Kopf und auf Papier. „Viele Verarbeiter suchen biobasierte Vorprodukte, um ihren Kunden zukunftsfähige Produkte liefern zu können. Wir können hier mit biologischen Produktionssystemen Zucker, Stärke und andere biogene Stoffströme in hochwertige Produkte umwandeln“, erklärt Prof. Dr. Matthias Zscheile. „Biobasierte Innovationen aus Zeitz“ sollen den Aufbau neuer Wertschöpfungsketten vorantreiben. Die Initiatoren laden Partner*innen aus der Region und ganz Deutschland ein, sich aktiv daran zu beteiligen, Kontakt mit dem Bündnisteam aufzunehmen und von den guten Grundlagen zu profitieren.

Fein- und Spezialchemikalien auf der Basis neuer Synthesestrategien und Verfahren und Moderatoren für die Stoffumwandlung, wie Katalysatoren und Enzyme, gehören dazu. Auch funktionelle, vegane Proteine und Enzyme auf Basis von Zucker aus effizienten Fermentationsprozessen sind im Blickfeld. Genauso wie abbaubare Biopolymere und Kunststoffe auf der Basis von Stärke- und Zuckerderivaten und wirtschaftlich attraktive biotechnologische Syntheserouten über Milchsäure. Und auch mit neuen Werkstoffen und Fasern will man sich in der Region beschäftigen – ein konkretes Beispiel dafür ist die Gewinnung bakterieller Zellulose aus Zucker.

Hin zu einer klimaneutralen Wirtschafts- und Lebensweise

In der Entwicklung neuer Werkstoffe und Fasern auf biologischer Basis sieht man hier großes Innovationspotenzial. Ein Beispiel: Aus Zucker bakteriell hergestellte Zellulose kann in Geweben mit völlig neuen Eigenschaften eingesetzt werden. Prof. Dr. Matthias Zscheile erklärt: „Sie ist äußerst reißfest, selbstlöschend, säurebeständig und ultra-leicht. Dieser Werkstoff eröffnet vielfältige Einsatzmöglichkeiten beispielsweise im Automobilbereich, der Mode oder als veganer Lederersatz und kann sogar in der Akku-Produktion als Separator von Kondensatoren eingesetzt werden.“ Für die Entwicklung dieses neuen Verfahrens wurde das Startup „ScobyTec“ kürzlich beim lokalen Wettbewerb Leipzig des IQ-Innovationspreises Mitteldeutschland ausgezeichnet. Besonderes Augenmerk gelte auch dem Vorantreiben  skalierbarer Verfahren und der frühzeitigen Vernetzung bestehender Produktionsprozesse.“ Das Motto laute: Weg von den fossilen Kohlenstoffträgern – hin zu einer klimaneutralen Wirtschafts- und Lebensweise, die auf nachwachsenden Rohstoffen basiert. „Mit der industriellen Umsetzung neuer Verfahren, Produkte und Geschäftsmodelle sollen attraktive Arbeitsplätze in der Bioökonomie entstehen“, sagt der Clustermanager und verweist dabei auf viele Alleinstellungsmerkmale. Eins davon sei die regionale Rohstoff- und Kompetenzbasis des Bündnisses – schließlich würden vor Ort Grundstoffe wie Zucker oder Stärke, und dabei anfallende Nebenprodukte und Reststoffströme in erheblichen Mengen hergestellt. „Insbesondere die relativ homogenen und regelmäßig anfallenden Nebenstoffströme eigenen sich zur Entwicklung neuer Veredelungsverfahren und bilden eine Schnittstelle zwischen Lebensmittel- und Chemieindustrie mit besonders großem Innovationspotenzial, da viele Ausgangsstoffe bereits in Lebensmittelqualität anfallen“, erklärt Zscheile.

Biobasierte Wirtschaft im Wissenschaftsjahr noch bekannter machen

Solche Argumente ziehen – beim Bund und auch vor Ort. Die Initiative von „BioZ“ wäre vom Start weg für viele Akteure interessant gewesen, die sich bereits in der Skizzenphase den Zielen bekannt und ihre Beteiligung zugesichert hätten. Die Initiatoren, die „PIC - Pi Innovation Culture GmbH“ aus Leipzig, der „BioEconomy e. V.“ aus Halle (Saale) und die „Infra-Zeitz Servicegesellschaft mbh“ arbeiten derzeit mit neun Partner*innen zusammen – darunter das „Fraunhofer Chemisch-Biotechnologisches Prozesszentrum, CBP“ in Leuna, das Deutsche Biomasseforschungszentrum oder die „Südzucker AG“ in Zeitz. Während der Konzeptphase soll das Bündnis nun auf mindestens 50 Partner*innen erweitert werden. Prof. Dr. Matthias Zscheile sagt: „Alle, die mitmachen, werden von der Vision angetrieben, die spezifischen Stärken und Potenziale unserer Region für die Zukunft weiterzuentwickeln. Wir sind auf einem guten Weg.“ Und das sei, „gerade im laufenden Wissenschaftsjahr der Bioökonomie ein guter Impuls, um die biobasierte Wirtschaft noch bekannter zu machen“.

Autorin: Manuela Bock/IMG Sachsen-Anhalt

www.bioeconomy.de,
www.innovation-strukturwandel.de 


Zukunftsfähiges Wirtschaften erfordert verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen. In Sachsen-Anhalt wird dies gelebt: Gut die Hälfte des im Land erzeugten Stroms hat seinen Ursprung in den Erneuerbaren Energien. 

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