Magdeburger Hafen will Wege in den Iran ebnen

Mit Umschlag und Lagerung, Transport und Logistik sowie Ansiedlung und Infrastruktur ist die Transportwerk Magdeburger Hafen GmbH breit aufgestellt. Der größte Hafen Mitteldeutschlands sucht zudem stets neue Geschäftsfelder. Sein Geschäftsführer Karl-Heinz Ehrhardt nutzt jetzt die Gelegenheit und reist am kommenden Wochenende mit einer Wirtschaftsdelegation unter Leitung von Wirtschaftsstaatssekretär Thomas Wünsch  in den Iran.

Als zuverlässig und freundlich erlebte Karl-Heinz Ehrhardt die Iraner. Der Geschäftsführer der Transportwerk Magdeburger Hafen GmbH konnte gut mit ihnen arbeiten, vor allem mit den Geschäftspartnern, die die Staatsreederei IRISL in Hamburg vertraten. Bis 2002 arbeitete Ehrhardt in der Hansestadt als Geschäftsführer beim Steinweg-Südwest-Terminal und hatte viele Kontakte zu den Iranern in der dortigen IRISL-Niederlassung. Später wechselte er als Geschäftsführer in den Magdeburger Hafen . Aber durch das Embargo gegen den Iran endeten dann die Geschäftskontakte mit Deutschland . „Die Niederlassung blieb aber in all den Jahren bestehen“, sagt Karl-Heinz Ehrhardt nicht ohne Respekt vor der Weitsicht der Iraner. So müssen sie jetzt, nach dem Ende des Boykotts, nicht bei null anfangen.

Für die Transportwerk Magdeburger Hafen GmbH eröffnen sich mit dem Ende der Sanktionen gegen Iran womöglich neue Chancen im internationalen Geschäft. Unerfahren sind die 70 Beschäftigten des kommunalen Unternehmens auf diesem Feld nicht. Etwa die Hälfte der Geschäfte wird mit dem Ausland gemacht, davon wiederum nur die Hälfte mit europäischen Ländern. „Wir kooperieren beispielsweise mit großen Rohstoffhändlern in der Schweiz, in Singapur, in Asien und Skandinavien“, sagt Ehrhardt. Und ständig hält er Ausschau, um die Bandbreite zu vergrößern und damit das Unternehmen noch stabiler zu machen.

Dienstleister für den Weg ins Binnenland

So ergreift der Geschäftsführer die Gelegenheit beim Schopf und nimmt an einer Wirtschaftsdelegationsreise in den Iran  teil, die die Investitions- und Marketing-Gesellschaft Sachsen-Anhalt (IMG) organisiert. Er fährt indes nicht allein. „Ich wusste, dass der jetzige Geschäftsführer der Steinweg-Südwest-Terminal, Rainer Fabian, Interesse am Iran hat und habe ihn angerufen, als das Angebot zu der Markterkundungsreise kam“, erzählt Karl-Heinz Ehrhardt. Und natürlich sei er auch selbst ganz einfach neugierig auf das Land, das er bisher noch nicht besuchte.

Die beiden fahren nicht mit leeren Händen in die Hauptstadt Teheran und die zweitgrößte Wirtschaftsmetropole Isfahan. „Wir haben ein gemeinsames Konzept erarbeitet. Die Iraner kommen in Hamburg an und schlagen bei Steinweg-Südwest um. Und wir bieten den Weg ins Hinterland, denn Hamburg ist ja nicht Deutschland. Wir haben überdies Flächen für Ansiedlungen und Lagerung zu bieten“, skizziert Ehrhardt die Möglichkeiten der Magdeburger für neue Geschäfte. Denn, auch wenn es bislang keine direkten Anknüpfungspunkte gebe, so könne sich die Transportwerk Magdeburger Hafen GmbH als Dienstleister empfehlen. Mit ihren hiesigen Partnern - Verlade-, Speditions-, Produktionsunternehmen, Reedereien und Eisenbahngesellschaften – hat sie ein Netzwerk gebildet, mit dem sie punkten kann. Über die Elbe und den Mittellandkanal können die Magdeburger Wasserwege sowohl in Nord-Süd- als auch Ost-West-Richtung nutzen.

Umfangreiches Portfolio

Bei diesen Iran-Plänen zahlt sich aus, dass die Hafengesellschaft breit aufgestellt ist. Sie verdient mit dem Umschlag von Waren und Gütern ihr Geld ebenso wie mit der Einlagerung, mit der Bereitstellung von Logistikketten, mit Beprobung und Bemusterung sowie der Verpachtung und Ansiedlung von Betrieben. Im Jahr 2015 schlug sie rund vier Millionen Tonnen über die Kaikante um und etwa eineinhalb Tonnen mit der Hafenbahn innerhalb des Hafengeländes. Rund zwölf Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet sie jährlich. Stolz nennt Karl-Heinz Ehrhardt eine Umsatzrendite von 20 Prozent. Die könne das Unternehmen allerdings nur erreichen, weil sie mit  eigenen Flächen im Ansiedlungsgeschäft ist.

Gerade auf diesem Feld zahlt sich aus, dass die Gesellschaft zu 90 Prozent der Stadt Magdeburg gehört. „Wir achten nicht nur auf die eigenen Zahlen, sondern wollen auch den Standort insgesamt stärken. Da können wir bei einer Neuansiedlung auch eine gestaffelte Pacht anbieten, damit die Firma gut auf die Beine kommt und uns langfristig erhalten bleibt“, beschreibt Ehrhardt einen Teil der Ansiedlungsphilosophie.

Informationen vor Ort sammeln

Ins Mosaik der wirtschaftlichen Interessen des Hafenchefs bei der Iran-Reise gehört auch ein bereits angebahntes Geschäft: Die Kranbau Köthen GmbH konnte bereits mehrere Stahlwerkskräne an den Iran verkaufen. Auch, wenn die Abwicklung der Finanzierung noch läuft, macht sich Ehrhardt, zugleich Beiratsmitglied des Kranbauers, bereits Gedanken darüber, wie die Geräte in den Iran kommen können. „Das Transportwerk möchte die Lieferung abwickeln. Da nutze ich die Chance mich zu informieren, welche Infrastruktur im Iran vorhanden ist: In welchen Hafen liefern wir, wie landen wir an, wird in Containern oder konventionell verpackt“, zählt all die Fragen auf, die sich am besten vor Ort beantworten lassen.

Zugleich bestätigt sein Interesse die Einschätzung des Wirtschaftsministeriums, dass sich mit den wieder möglichen Wirtschaftsbeziehungen zum Iran besondere Chancen für den Maschinen- und Anlagenbau ergeben. Aber auch Sachsen-Anhalts Unternehmen der Lebensmittelindustrie und -technologie, der Energietechnik und Erneuerbaren Energien, des Infrastrukturausbaus und der -planung sowie der Gesundheitswirtschaft und Medizintechnik können sich Hoffnung auf neue Märkte in dem 80 Millionen Konsumenten zählenden Land machen.

Mit wachen Augen verfolgt Karl-Heinz Ehrhardt die Entwicklung der Wirtschaft und der Warenströme. Die viel zitierte Globalisierung hatte nach seiner Beobachtung 2008/2009 ihren Höhepunkt erreicht. Dann kam die Krise und inzwischen stagniere sie: „Das liegt unter anderem daran, dass sich China verändert und auf den innerasiatischen Markt besinnt einschließlich seines riesigen Binnenmarktes. Aber auch Westeuropa agiert anders und lässt mehr in Südosteuropa statt in Asien produzieren. Da wird vorwiegend auf dem Landweg transportiert.“ Dadurch sinke auch der Containerumschlag in den Nordseehäfen, was wiederum Auswirkungen auf Magdeburg hat. Und auch neue Warenströme in die Adriahäfen und weiter von dort ins europäische Binnenland würden Karl-Heinz Ehrhardt nicht überraschen. Auch an der Adria will er sich gelegentlich umsehen, um rechtzeitig reagieren zu können. Allein das mögliche Iran-Geschäft reiche nicht aus, um die Transportwerk Magdeburger Hafen GmbH auf krisensicheren Füßen zu halten.

Autor: Renate Wähnelt
Foto: IMG / Ralf Lehmann

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