Altes Kopfsteinpflaster, historisches Fachwerk und frische Ideen - Tangermünder Gastronom macht Lust auf Urlaub

Das abendliche Tangermünde verfällt in einen besonderen Zauber. Holzgeschnitzte Fassaden, norddeutscher Backstein und winklige Gassen verschmelzen beim matten Licht der Straßenlampen zum Bild einer Kleinstadt der Vergangenheit. Man möchte meinen Herr Pfeiffer - sie wissen schon, der mit den drei f aus der „Feuerzangenbowle“ - kommt gleich um die Ecke. Manchmal tut er das auch. Im Gasthaus "Exempel" gibt er sich dann und wann die Ehre. Einst Schule und Wohnhaus des Kantors - gebaut etwa vor 350 Jahren - präsentiert sich das krumme Fachwerk seit gut 15 Jahren annähernd in ursprünglicher Gestalt. Plüschig das Wohnzimmer, voll mit altem Hausrat die Küche und in der Kammer darf der Gast sogar auf dem Bett Platz nehmen. Eine der Attraktionen sind dort die Schulstunden, mit denen an den fast legendären Rühmann-Film angeknüpft wird.

Den Erfolg seiner Gastronomie-Idee schreibt Tiemo Schönwald der eigenen Unerfahrenheit zu Gute. Das erweitert den Horizont für das Ungewöhnliche. Als er das Zepter in die Hand nahm, lag der Abschluss seines Studiums gerade hinter ihm. Inzwischen hat sich das Portfolio erweitert. In der Zecherei St. Nikolai, die sich in einem über 800 Jahre alten Kirchengemäuer befindet, geht es mittelalterlich zu. Bei Kerzenschein können Gesellschaften authentisch Tafeln, müssen dann auch auf die erst im 18. Jahrhundert in Deutschland eingeführten Kartoffeln verzichten. Meterdicke Wände, Bleiglasfenster, Chorgestühl und Kamin bilden den perfekten Rahmen.

Der Mann mit einem Faible für Überraschendes hat inzwischen drei halbverfallene Fachwerkhäuser wieder in Schuss gebracht. Schlafstuben nennt er das Entstandene, ein Erlebnishotel. 18 ganz und gar nicht dem üblichen Standard entsprechende Themenzimmer erinnern an die Geschichte der Stadt. Im Kaiser Karl Gemach steht ein Holzzuber zum Baden direkt im Zimmer. Der Königin Luise Salon hat ein Messinghimmelbett und eine wunderschöne romantische Einrichtung. Im Lager Wallensteins stehen Feldbetten und erinnern an eine raue Zeit. Der Unternehmer ist Optimist. Seine Projekte gingen bisher auf, die Touristen wissen das zu schätzen. Ihre Zurückhaltung werde wohl bald beendet sein, ist sich der umtriebige Mann sicher. Das Hochwasser habe der Stadt nicht zugesetzt, auch in der Umgebung ziehe mehr und mehr der Alltag ein. Niemand werde zudem auf das Tangermünder Kuhschwanzbier verzichten wollen, sagt er. Das Getränk lässt sich bis in das Mittelalter zurückverfolgen, als in besten Zeiten an die 80 Bürger Braurechte besaßen. Das Wasser holten sie aus dem Flüsschen Tanger. Trotz strengster Aufsicht ließ es sich kaum verhindern, dass dann nicht wenigstens ein Kuhschwanz im Wasser hing, denn die Rindviecher wollten ihren Durst löschen. Das berühmte Bier wird heute zwar im altmärkischen Neuendorf gebraut und noch dazu ganz "Öko", das Rezept orientiert sich jedoch an den Überlieferungen. "Schauen Sie sich noch ein wenig in der Stadt um, es lohnt sich", ruft er einem Gast zu.
Beim Stadtbummel stößt man auf das Denkmal für Grete Minde. Die tragische Figur der Stadtgeschichte regte Theodor Fontane zu seiner gleichnamigen Novelle an. Um ihr Erbe geprellt soll die junge Frau 1617 die Stadt angezündet haben. Zwei Jahre später wurde sie zur Strafe auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Ein klassisches Fehlurteil wie heute klar ist. Fontane entschied sich allerdings in seinem Text für den Freitod. "Das bloß Aktenmäßige ist immer langweilig", schrieb er an einen Freund. Schon Jahre vor seinen Nachforschungen hatte er 1844 Tangermünde vom Boot aus erlebt. Seine Niederschrift verwundert heute, denn die ursprünglich erhaltenen Elbauen sind ein Muss für Altmarkbesucher. "Die Elbfahrt von Magdeburg nach Hamburg ist langweilig; nur bei Tangermünde, wo Reste einer aus den Tagen Karls des IV. herstammenden Burg aufragen, belebt sich das Bild ein wenig", lautete die Einschätzung des Dichters.


Autor/Foto: Klaus-Peter Voigt

Kontakt:
Tiemo Schönwald
Erlebenswert GbR
Lange Straße 24
39590 Tangermünde
Telefon: +49 39322 7354000
E-Mail: info.ignore@exempel.de
Web: www.exempel.de
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