Grüne Chemie

Alte Reifen enzymatisch abbauen.

Wissenschaftler/innen des IPB ist es gemeinsam mit Partnern der MLU erstmals gelungen, synthetischen Kautschuk erfolgreich enzymatisch abzubauen. Synthesekautschuk ist als Alternative zu Naturkautschuk aus dem modernen Leben nicht mehr wegzudenken. Sein vielfältiger Einsatz in Motoren, Sportgeräten und Alltagsgegenständen, besonders aber als Bestandteil von Autoreifen erfordert die Produktion von mehreren Millionen Tonnen pro Jahr. So sehr wie er gebraucht wird – so schwierig ist er abzubauen. Vor allem der Mangel an hydrolysierbaren funktionellen Gruppen im Polymergerüst erschwert das  Recycling des künstlichen Kautschuks. Bisher entledigt man sich alter Reifen hauptsächlich durch mechanische Zerkleinerung. Die entstehenden Gummipartikel können als qualitativ minderwertige Füllstoffe in ungebrauchten Kautschuken Verwendung finden. Weitere Bemühungen, Synthesekautschuk chemisch abzubauen, gehen mit dem Einsatz von seltenen Metallen als Katalysatoren oder von entzündlichen, hochgiftigen Lösungsmitteln einher.

Während natürlicher Kautschuk, der als Latex aus dem brasilianischen Kautschukbaum Hevea brasiliensis gewonnen wird, sich aus Isopreneinheiten zusammensetzt, die ausschließlich in cis-Form vorliegen, besteht sein synthetisches Pendant aus einer Mischung aus cis- und trans-1,4-Polyisopren. Für den Abbau des Naturkautschuks hat die Natur selbst gesorgt. Kautschuk-Oxygenasen, produziert von kautschukabbauenden Bakterien, initiieren die oxydative Spaltung des Polyisopren-Rückgrats und die entstehenden Spaltprodukte dienen den Mikroorganismen als Kohlenstoffquelle. Ob diese Bakterien oder ihre Enzyme sich auch für einen enzymatischen Abbau von synthetischem cis-trans-Polyisopren eignen, wurde bisher noch nicht untersucht.

Für ihren Abbauversuch verwendeten die Hallenser Wissenschaftler ein Polyisopren mit einem cis-trans-Verhältnis von 56 zu 27 und das Latex Clearing Protein LcpK30, eine Kautschuk-Oxygenase aus dem Stamm Streptomyces sp. K30. Die größte Hürde für einen effizienten enzymatischen Abbau des synthetischen Polyisoprens, so die Hypothese der Naturstoffforscher, ist seine schlechte Löslichkeit in Wasser, was die für das Enzym erreichbaren Schnittstellen erheblich reduziert. Die Verwendung von Tensiden als Emulgatoren sollte aber vermieden werden, da man befürchtete, dass diese das Enzym denaturieren könnten. Mit niederfrequentem Ultraschall und anschließendem Einsatz eines hydrophoben Co-Lösungsmittels nahmen die Hallenser Wissenschaftler diese Hürde der tensidfreien Emulgierung des Synthesekautschuks.
Nach Herstellung der Emulsionen wurden verschiedene Parameter wie Puffer, weitere Lösungsmittel, Rührgeschwindigkeit, Temperatur und Enzymkonzentrationen getestet. Mit Erfolg. Erstmals konnten die Chemiker mit ihrem Verfahren Polyisopren enzymatisch in Oligoprenoide mit 1 bis 13 intakten Isopreneinheiten aufspalten. Gleichzeitig verglichen sie die Abbauraten von synthetischem und Naturkautschuk ihrer Methode mit jenen von konventionellen Verfahren und zeigten, dass die Kautschuk-Oxygenase LcpK30 trans-Isomere des Polyisoprens tolerieren kann. Darüber hinaus führten Modifikationen des Enzyms zur Erhöhung seiner Thermostabilität und Lösungsmittelbeständigkeit.

Ihre Arbeiten, so die Autoren, könnten der Etablierung von biotechnologischen Verfahren und Dispersionsmethoden für den Abbau von Polyisopren dienen und zu einem erheblichen Paradigmenwechsel für künftige Wiederaufbereitungsstrategien dieser synthetischen Kautschuke führen. Seit 2017 wird Naturkautschuk von der Europäischen Kommission als kritischer Rohstoff eingestuft, was die Entwicklung und Optimierung chemischer oder biotechnologischer Recyclingverfahren für Altreifen, Naturkautschuk und synthetisches Polyisopren noch dringlicher macht.

Quelle: www.ipb-halle.de

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