Die Zukunftmacher aus Sachsen-Anhalt - Produkte von morgen auf der Hannover Messe

Fahrräder aus Meeresmüll. Unterirdische Pipelines, die alle Stromarten übertragen können. Technologien für Katheter, die das minimalinvasive Operieren entscheidend verbessern. Sachsen-Anhalt wird zur diesjährigen Hannover Messe, der weltweit wichtigsten Industriemesse, sein herausragendes Innovationspotenzial zur Schau stellen. Vom 25. bis 29. April 2016 wird es am Gemeinschaftsstand „Forschung für die Zukunft“ in Halle 2/A28 sogar eine Premiere geben: den Inspektokopter, der Windräder wartet.

Wohin mit unserem Plastikmüll? Die Meere sind voll davon. Eine Gruppe Studierender um Prof. Franz Hinrichsmeyer sucht am Institut für Industriedesign der Hochschule Magdeburg-Stendal nach Lösungen. Sie kreieren im Rahmen ihres Projektes „Ocean Plastic“ neue, moderne Produkte. „Wir wollen zeigen, wie die Recyclingkunststoffe verarbeitet werden können und so wieder einen Platz in unserem Alltag bekommen“, erklärt Hinrichsmeyer.

Bisher gelingt das den angehenden Designern recht überzeugend. Ob Lampen, Barhocker, Fahrrad, Schmuck oder Knöpfe – den Studierenden gehen die Ideen nicht aus. Inzwischen haben Laura Spilker, Niels Brecht und Doreen Hitzke vom Institut für Industriedesign sogar ihr eigenes Modelabel „ways“ gegründet.

Sie werden ihre Produkte auf der Hannover Messe vorstellen. „Wir wollen unseren Kunden Gutes tun – und der Natur. Frei nach unserem Motto: Die Meere, Flüsse, Wälder und Wiesen sind bunt genug– was ist mit dir?“, sagt Laura Spilker. Die drei Magdeburger fertigen ihre farbenfrohen Kreationen unter anderen aus Recycling-Kunststoff und nachwachsenden Hölzern. Und sie geben ihnen Namen, die an das Meer erinnern sollen, das durch die Verarbeitung von Plastikmüll ein wenig sauberer werden könnte: oceanspecs, deepblue oder colordrops.

Bevor die Studierenden in die Gestaltung starten konnten, mussten die stofflichen Grundlagen genau geprüft werden. Zum Einsatz kamen dabei Recycling-Granulate, aber auch gesammelte Kunststoffabfälle, etwa bei einer öffentlichen Aktion entlang der Elbe. Diese Fundstücke wurden im hochschuleigenen Labor analysiert und etwa durch Erhitzen oder Verpressen zum Beispiel zu farbigen Kunststoffplatten verarbeitet.

Um Nachhaltigkeit geht es auch beim Inspektokopter. Er soll die Wartung von Windkraftanlagen erheblich vereinfachen und das Risiko für die Wartungsteams verringern. Bisher bewegen sie sich in bis zu 200 Metern Höhe an Seilen und auf Plattformen, um die Rotorblätter auf Risse oder Abplatzungen zu untersuchen. Ein Flugroboter, ausgestattet mit hochauflösender Kameratechnik und feinen Sensoren, könnte künftig diese brenzligen Arbeiten übernehmen. Entwickelt wurde sie von Wissenschaftlern des Fachbereichs Automatisierung und Informatik der Hochschule Harz dem Fraunhofer IFF in Magdeburg sowie den Unternehmen Geo-Metrik (Magdeburg) und Bitmanagement (Berg bei München).

Der Multikopter, ein unbemanntes Fluggerät, liefert präzise Aufnahmen, die über eine Inspektionssoftware dreidimensional aufbereitet werden. Die Wartungsmitarbeiter können diese dann an ihren Laptops auswerten. Damit gute Bilder entstehen, muss der Inspektokopter möglichst nah an die Rotorblätter heran kommen. Eine knifflige Sache.

Das Projektkonsortium fand schließlich eine Lösung. Eine innovative Software hält die Multikopter stets auf einem Mindestabstand. „Das Antikollisionssystem basiert auf einer visuellen Erkennung der Rotorblatt-Kanten“, erklärt Prof. Dr. Frieder Stolzenburg von der Hochschule Harz. Es verhindere Zusammenstöße und diene damit gleichermaßen dem Schutz der Anlagen und der modernen Inspektionstechnik.


Das Projekt, unterstützt durch das Bundeswirtschaftsministerium und koordiniert im Magdeburger Zentrum für Produkt-, Verfahrens- und Prozessinnovation, dürfte ein großer Erfolg werden. Die Windbranche boomt. Allein in Sachsen-Anhalt stehen mehr als 2600 Windenergien-Anlagen. Das Land produziert 15 Prozent der Windenergie Deutschlands.

Eine Frage, die in Magdeburg ebenfalls die Wissenschaft bewegt, sind die Stromnetze der Zukunft. Sie müssen große Schwankungen verkraften, die durch das ungleichmäßige Einspeisen von Strom aus alternativen Energiequellen entstehen und durch Abnehmer, die im Tagesverlauf unterschiedlich starke Anforderungen haben. Ein Teil der Lösung könnte eine unterirdische Strompipeline auf Mineralgussbasis sein. Deren aktueller Forschungsstand wird von Prof. Martin Molitor vom Institut für Fertigungstechnik und Qualitätssicherung der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) auf der Hannover-Messe präsentiert.

Mit dieser Pipelinetechnik wäre die Übertragung aller Stromarten möglich – und zudem deutlich verlustärmer als in Freileitungsnetzen. Dank Innenbelüftung und einer vollständigen Sensorüberwachung ist diese Technologie zuverlässig und absolut katastrophenfest. Wichtig, weil Strom oft über große Distanzen transportiert werden muss.

Dabei wird in ein Stahlrohr ein Aluminiumrohr als Leiter eingebracht und mittels Mineralguss isoliert. Er besteht aus Sand und Kies und wird mit einem Kunstharz verklebt. Solche vorgefertigten Segmente werden dann direkt vor Ort verschweißt.

Besonders feine „Bauarbeiten“ stehen im Forschungsfokus der BMBF-Transfer-Initiative „Embedded“. Hierbei wollen Magdeburger Wissenschaftler die Werkzeuge für die bildgeführte minimalinvasive Therapie verbessern. „Wir machen den Schlauch intelligent“, beschreibt es Dr. Markus Detert vom Institut für Mikro- und Sensorsysteme der OVGU anschaulich.

Gemeinsam mit Unternehmen aus Sachsen-Anhalt entwickeln die Wissenschaftler einen modularisierten Fertigungsprozess, um Sensoren und Mikrosysteme in die Katheter zu integrieren. Kameras, so winzig wie ein Stecknadelkopf oder einen halben Millimeter kleine Temperatur-, Druck- und Abstandsmesser werden direkt im Katheter für eine präzise messtechnische Begleitung der Operation sorgen. „Sensoren, die wir zum Beispiel in die Katheterwand integrieren, stören dann nicht mehr im Operationsfeld und können durch die Modularisierung bedarfsorientiert eingesetzt werden“, sagt Detert. Künftig soll es auch möglich sein, heute mechanisch gesteuerte Werkzeuge elektronisch zu steuern, also etwa eine Zange, einen Bohrer oder Sauger. „Das ist noch Zukunftsmusik, aber mit unserem jetzigen Forschungsstand können wir uns durchaus auf der Hannover Messe sehen lassen.“

Kontakte:

Dr.-Ing. habil. Markus Detert

Institut für Mikro- und Sensorsysteme (OVGU), Telefon: 0391-67-58227, markus.detert@ovgu.de

Prof. Dr.-Ing. habil. Martin Molitor

Institut für Fertigungstechnik und Qualitätssicherung (OVGU), Telefon: 0391-67-18348, martin.molitor@ovgu.de

Prof. Dr. Frieder Stolzenburg

Fachbereich Automatisierung und Informatik (HS Harz), Telefon: 03943-659-333, fstolzenburg@hs-harz.de

Prof. Franz Hinrichsmeyer

Institut für Industriedesign (HS Magdeburg-Stendal), Telefon: 0391-8864168, franz.hinrichsmeyer@hs-magdeburg.de

Modelabel „ways“ (Magdeburg)

Laura Spilker, Niels Brecht, Doreen Hitzke, Telefon: 0175-523-56 78, ways@mail.de

 

 

Autor: Kathrin Wöhler

 

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