Standort für Medizintechnik mit gesundem Wachstum
Im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt haben MedTech-Unternehmen beste Chancen
„Es ist der Austausch zwischen Ärzten, Forschern und Unternehmern, der viele Ideen beflügelt“, sagt Steffen Borlich, Geschäftsführer der EKF-Diagnostic GmbH. Das Medizintechnik-Unternehmen war 1990 im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt gegründet und 2011 von einer britischen Investorengruppe akquiriert worden. Es hat sich als Zentrum eines internationalen Konzerns etabliert. Während sich EKF-Point-of-Care-Analyser weltweit bewähren, bringt ein Forscherteam aus Magdeburg in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und Fabrikautomatisierung (IFF) sein innovatives Arztassistenzsystem zur Hautkrebs-Früherkennung neu an den Start. Parallel zur Partnersuche für die Serienfertigung des dermatologischen Ganzkörperscanners in Europa wurden Kontakte von Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg aus nach Bangkok und Singapur geknüpft, um einen Technologietransfer zu initiieren. „Das System liefert standardisierte Daten, klassifiziert Läsionen und dokumentiert zuverlässig den Verlauf von Hautveränderungen“, sagt Dr. Dirk Berndt, Geschäftsfeldleiter Mess- und Prüftechnik im Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und Fabrikautomatisierung (IFF).
Die Medizintechnik-Branche im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt hat sich in den letzten 10 Jahren zu einer kleinen aber hochinnovativen, hochtechnologischen Industrie entwickelt. Die etwa 75 Unternehmen im Land mit etwa 2.200 Mitarbeitern arbeiten intensiv mit den bestehenden lokalen, nationalen und internationalen Forschungs- und Entwicklungslandschaften zusammen. Seit Jahren verzeichnet die Branche ein kontinuierliches Wachstum. Ein Grund dafür sind nicht zuletzt die guten geschäftlichen Rahmenbedingungen.
„Die Medizintechnik ist ein Zukunftsmarkt. Sachsen-Anhalt bietet für nationale und internationale Unternehmen gute Voraussetzungen, sich hier zu positionieren“, bestätigt Dr. Carlhans Uhle, Geschäftsführer der Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH (IMG), der Wirtschaftsförderungsagentur des Landes. Forschungsunternehmen, Produktionsstandorte und Hochschulen arbeiten in Sachsen-Anhalt Hand in Hand entlang der gesamten Wertschöpfungskette. So bietet das Bundesland für internationale Firmen attraktive Netzwerkstrukturen, um erfolgreich ihr Medizintechnikunternehmen aufzubauen. „Als IMG unterstützen wir Investoren dabei. Dazu bieten wir einen auf die Bedürfnisse des Unternehmens abgestimmtes Serviceangebot für alle Phasen der Investition von der Projektidee bis zur geschäftlichen Umsetzung“, so Uhle weiter. Das schließt das erste Informationsgespräch, die Hilfe bei der Suche nach Standorten genauso ein wie die Beratung zu Förderungen, den Umgang mit Behörden oder das Aufzeigen geeigneter Partner oder Netzwerke.
Um die Potentiale des Medizintechnikstandortes zu bündeln, engagiert sich beispielsweise der Cluster Medizin- und Gesundheitstechnik Sachsen-Anhalt für die Vernetzung der Branchenakteure im Land. Dass es dem Cluster erfolgreich gelingt, Bedarfe und Ideen, Forschungskompetenz und Fertigungskapazitäten auf kurzem Wege zu vereinen, wissen Borlich und Berndt zu schätzen. „Unsere Mitglieder sind vorwiegend kleine und mittlere Unternehmen, das minimiert Reibungsverluste“, erklärt Cluster-Manager Dr. Frank Fleischer. „Wir treffen direkt auf Manager, auf entscheidungsfreudige Macher, die ihre Chancen suchen und ihren Zusagen schnell Taten folgen lassen.“
In Themenfeldern wie der Herstellung und Verarbeitung medizinischer Kunststoffe oder modernster Ultraschalltechnik seien Forschung und Wirtschaft in Sachsen-Anhalt traditionell gut vernetzt, betont Fleischer. Davon zeugen hochwertige Medizinprodukte der Primed Halberstadt Medizintechnik GmbH zum Beispiel für die Beatmung oder die Versorgung von Wunden von Patienten. Oder der „BubbleCounter“ zur Mikroblasendetektion in strömenden Flüssigkeiten, entwickelt von der GAMPT mbH Gesellschaft für Angewandte Medizinische Physik und Technik. Zur Vermeidung von Mikroblasen oder Embolien gewinnt diese Innovation in der Herzchirurgie zunehmend an Bedeutung.
Als Beispiel für das Vernetzen von Wissenschaft und Wirtschaft nennt Clustermanager Fleischer dem Hochschulstandort Magdeburg. Um die Entwicklung neuartiger Kniegelenkprothesen mit besonders körperverträglichen und funktionalisierten Oberflächen anzutreiben, soll in den weiteren Ausbau der Forschungs- und Fertigungskapazitäten investiert werden. Fleischer blickt in die Zukunft: In Verbindung von innovativen Materialien und biofunktionalen Oberflächen mit der Verarbeitung dreidimensionaler Daten des menschlichen Gelenks und einer effizienten Gerätekommunikation könnte künftig für jeden Patienten das individuelle Gelenk hergestellt werden. Die Abnutzung wäre geringer, Folgeoperationen könnten vermieden werden, so die Vision.
Um die frühzeitige Erkennung von Hautkrebserkrankungen, die eine wiederholte Überdosis Sonne auf heller Haut verursachen kann, geht es bei der Entwicklung des dermatologischen Ganzkörperscanners. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der Forschungseinrichtungen Fraunhofer-Institut IFF und Klinik für Dermatologie und Venerologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg in Kooperation mit den Unternehmen Dornheim Medical Images GmbH und HASOMED GmbH. Weltweit steigt die Zahl der Hautkrebs-Neuerkrankungen. Das maligne Melanom, der schwarze Hautkrebs, ist dabei die am häufigsten tödlich verlaufende Hautkrankheit. Nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, streut der hochgradig bösartige Tumor der Pigmentzellen Metastasen über die Lymph- und Blutbahnen.
Das neue Arztassistenzsystem soll Ärzte künftig bei den Untersuchungen zur Früherkennung unterstützen. „Der Patient betritt unbekleidet eine Kabine und nimmt auf einem Drehteller stehend eine vorgegebene Haltung ein. Ein System aus Beleuchtung, Kameras und 3-D-Messsystemen erfasst digital in 100 Einzelbildern 90 Prozent der Hautoberfläche“, erklärt Dr. Dirk Berndt vom Fraunhofer IFF. „Die Sensordaten werden mit den Körperkoordinaten fusioniert, jede Läsion wird maßstabsgerecht erfasst und klassifiziert. Das Gerät beurteilt die Läsionen nach bestimmten Kriterien wie Asymmetrie, Berandung, Färbung und Dimension und sortiert die unverdächtigen Leberflecke aus.“ Zukünftig soll noch das Kriterium Erhabenheit hinzukommen, wofür weitere Forschungsarbeiten geplant sind.
„Der Arzt sieht sich mit dem Dermatoskop anschließend nur noch jene Leberflecken an, die von der Technik als verdächtig eingestuft oder nicht bewertet werden können.“ Das spart sehr viel Zeit, weiß Berndt. „Zudem wird die Verlaufsdokumentation ganz wesentlich erleichtert, weil der Arzt bei Folgeuntersuchungen die erfassten Daten und Bilder abrufen und mit den aktuellen Untersuchungsergebnissen abgleichen kann.“ Auf dem Weg zur Serienreife wird derzeit der Prototyp am Universitätsklinikum getestet. Insbesondere die Dauer der einzelnen Scans soll weiter verkürzt werden. Aber auch weitere Assistenzfunktionen für den Facharzt sind Gegenstand der Forschungsarbeiten.
Weiterentwicklung ist auch für die EKF-Diagnostic GmbH ein Dauerthema. „Am Weltmarkt bleiben wir nur dann erfolgreich, wenn wir neue Technologien deutlich schneller entwickeln als bisher“, sagt Geschäftsführer Steffen Borlich. Rund 80.000 Point-of-Care-Analyser von EKF sind in etwa 100 Ländern im Einsatz. Sie messen Glukose, Laktat, Hämoglobin, Hämatokrit und glykiertes Hämoglobin. Sie unterstützen Ärzte dabei, Patienten mit Anämie, Unterernährung oder Diabetes zu überwachen, in der Geburtsmedizin die richtigen Entscheidungen für die Gesundheit von Mutter und Kind zu treffen und im Leistungssport das Training zu optimieren. Auch in der Tiermedizin sind die handlichen Geräte im Einsatz. Sie liefern Daten schnell und in Laborqualität und sind überaus robust, berichtet Borlich. Selbst in unklimatisierten Hospitälern in Wüstenregionen oder Dschungelgebieten liefern die Analyser ihre Daten zuverlässig und präzise.
Die Rahmenbedingungen für Investoren bezeichnet Borlich in Sachsen-Anhalt als reizvoll, sie reichten von günstigen Grundstückspreisen bis zur hohen fachlichen Kompetenz der Arbeitskräfte. Hinzu komme die Begleitung und Unterstützung durch Landkreise, Kommunen, den Cluster Med-Tech und die Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt. EKF investiert derzeit an seinem Standort in Barleben in einen Erweiterungsneubau für Produktion, Verwaltung und Schulungen. Ein Vorhaben, bei dem das Unternehmen von der Investitions- und Marketinggesellschaft unterstützend begleitet wird.