Des Kuckucks neues Heim

Designer-Kuckucksuhren aus dem Harz für die Gabentische in aller Welt

Wahrscheinlich werden sie zu Weihnachten eher in den hippen Metropolen weltweit auf den Gabentischen liegen als zu Hause im Harz: Die schrillen, witzigen Kuckucksuhren aus Gernrode haben nur noch wenig mit dem gemein, was wir uns unter einer solchen Uhr vorstellen. Die Kuckucksuhr ist angekommen im 21. Jahrhundert.

Es war einmal ein Kuckuck, dem war sein biederes Zuhause einfach nicht bunt genug. Er zog aus, um sich ein neues, frecheres Häuschen zu suchen und landete auf dem Fensterbrett eines Designers … In Gernrode im Harz könnte man solch eine Geschichte erzählen, denn hier werden nicht mehr die traditionellen Modelle, sondern knallbunte Kuckucksuhren gefertigt – als Wanddeko für Großstadt-Lofts und Kinderzimmer.

„Wir kommen nicht aus dem Schwarzwald und wir sehen auch nicht so aus“, sagt Jörg Stichnoth über die originellen Harzer Kuckucksuhren. Und tatsächlich: Wer sich im Onlineshop umsieht, staunt über knallige Farben und verrückte Muster. Die altehrwürdige Kuckucksuhr, der ja sonst ein eher angestaubtes Image anhaftet, wurde völlig neu gedacht und ins 21. Jahrhundert geholt. Nur eines bleibt: Der Kuckuck ruft zur halben Stunde einmal und zur vollen Stunde jeweils die Stundenzahl. „Bei Architekten und jungen Leuten kommen unserer Designer-Kuckucksuhren gut an“, freut sich Jörg Stichnoth und präsentiert das schwarz-weiß-gestreifte Steckmodell „Osaka“ neben der grün-weiß-roten „Erdbeer-Uhr“.

Der Hannoveraner leitet zusammen mit seinem Bruder Dirk seit sechseinhalb Jahren die Geschicke der ehemaligen Harzer Uhrenfabrik. Damals hatten die beiden das insolvente Gernröder Unternehmen übernommen. Nach dem Einbruch der Exporte war die Harzer Uhrenfabrik in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Jörg und Dirk Stichnoth sahen hier Potenzial und wollten ein neues Geschäftsfeld erschließen.

Die Brüder sind gelernte Goldschmiede und diplomierte Schmuckdesigner. Das Familienunternehmen in Hannover, das einst ihr Vater gründete, feierte kürzlich sein 60-jähriges Bestehen. Der Name Stichnoth steht in der niedersächsischen Landeshauptstadt für edle Trauringe, junge Schmuckkreationen, Uhren, nach Kundenwunsch gefertigte Unikate und Platin-Designerstücke. Unter dem Dach ihrer Firma August Grüttert Handelskontor GmbH vertreiben sie nun auch die Kuckucksuhren und Wetterhäuschen aus dem Harz.

Im Quedlinburger Ortsteil Gernrode hat die Uhrenherstellung Tradition: 1948 wurde die Harzer Uhrenfabrik gegründet, in den 1970er Jahren begann man mit der Produktion von Kuckucksuhren – als einziger Hersteller außerhalb Süddeutschlands. Ende der 90er schaffte es das kleine Städtchen sogar ins Guiness Buch der Rekorde: Man hatte das größte Wetterhäuschen der Welt gebaut. Der Versuch, die weltgrößte Kuckucksuhr zu errichten ist knapp gescheitert – die Uhr eines Schwarzwälders war dann doch ein paar Zentimeter höher.

Nun versuchen die Stichnoths, mit ihren modernen Kuckucksuhren zwar keine Rekorde zu brechen, aber doch die Herzen der jungen Generation zu gewinnen. Über 35 Farbvarianten umfasst die aktuelle Kollektion, Unternehmen können auch eine Kuckucksuhren-Serie im eigenen Firmen-Design in Auftrag geben.

Im Harz stoßen die bunten Kuckucksuhren und Wetterhäuschen bisher eher auf verhaltene Freude, aber in den Metropolen dieser Welt sind sie begehrt. „Das ist etwas für hippe Großstädter. Die Berliner fahren darauf ab, wir sind sogar im KaDeWe vertreten. Wir verkaufen in New York, Chicago, aber auch aus Frankreich und Italien gehen Bestellungen ein“, sagt Jörg Stichnoth. Dort schätzt man die Uhren „100 Prozent Made in Germany“. „Vom Design bis zum Uhrwerk kommt wirklich alles aus Deutschland“, bestätigt der Inhaber. Das sei zuletzt bei den traditionellen Kuckucksuhren, die noch bis Anfang 2015 in Gernrode parallel zu den neuen Modellen hergestellt wurden, nicht mehr so gewesen. „Da mussten wir bei einzelnen Bauteilen, zum Beispiel den kleinen Figuren, auf Importe aus Asien zurückgreifen.“

Früher, am alten Standort der Harzer Uhrenfabrik in der Gernröder Lindenstraße, hielten regelmäßig Touristenbusse vor dem Eingang. Die Leute schauten sich die Produktion an, tranken Kaffee und kauften im besten Fall im hauseigenen Shop gleich noch eine Kuckucksuhr für daheim. Das allerdings ist Geschichte, denn das denkmalgeschützte Gebäude ist geschlossen. „Wir waren dort nur Mieter, konnten uns vertraglich nicht einigen und mussten es letztlich aufgeben“, bedauert Jörg Stichnoth. „Ich habe das Haus sehr gemocht. Es war eigentlich der Grund dafür, dass wir die Uhrenfabrik 2009 übernommen haben.“

Die Produktion findet nun komplett auf dem Firmengelände in der Quedlinburger Straße statt. Hier herrscht reges Treiben: Die 25 Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun, um die vorweihnachtlichen Bestellungen abzuarbeiten. Lasermaschinen schneiden Holz und bedruckte Kunststoffe zu, am Ende werden die Uhren in einer Art Stecksystem montiert, verpackt und verschickt. Mal sehen, welches Modell der  Jahresbestseller wird: „Ich, der Kuckuck“, „Bello Bello“ oder gar „Tischlein deck dich“?

Kontakt:
August Grüttert Handelskontor GmbH
Quedlinburger Straße 14
06485 Quedlinburg OT Gernrode
Tel.: +49 39485 668023

www.harzer-uhren.de

Autorin: Dana Toschner

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