Ein erster Preis im Ideenwettbewerb für umstülpende Ideen

„Tolle Idee“, Ann Julea Rajahkumar, Andreas Michel und Daniel Strohbach sammeln Lob ein und Gratulationen. Die drei Engineering-Design-Studenten der Hochschule Magdeburg-Stendal sind aus einem bundesweiten Ideenwettbewerb, ausgeschrieben von der Unternehmensgruppe Festo, mit dem 1. Preis hervor gegangen. Kürzlich kehrten sie mit der Trophäe von der Hannover Messe in ihren Studentenalltag zurück – und sehen sich hier in der neuen Rolle als gefragte Interviewpartner: Was bedeutet „technische Anwendung von räumlicher Inversion“? Was ist eine HOCHDREI-Verpackungsmaschine? Und wie funktioniert sie?

Ann drapiert den Inhalt eines Pappkartons auf dem Tisch: luftig leichte Faltobjekte aus weißem Papier. Beim genauen Hinschauen entpuppen sie sich als sechs zum Ring zusammengesetzte Tetraeder. Ann erklärt: „Weil die Tetraeder an je zwei Achsen miteinander verbunden sind, die zueinander um 90 Grad verdreht stehen, kann sich der Ring um sich selber drehen.“ Sie macht es vor. Gerade, um diese Funktionsweise im wahren Wortsinne begreifen zu können, griffen die Studierenden auf Papier, Schere und Klebstoff zurück.
Das ist beinahe ein Jahr her. Auf der Hannover Messe 2012 hatte die Unternehmensgruppe Festo, weltweit führend in der Automatisierungstechnik, gemeinsam mit dem Rat für Formgebung einen studentischen „Ideenwettbewerb zum Bewegungsprinzip der Inversion“ ausgeschrieben. Die heutigen Preisträger, damals im ersten Semester ihres Masterstudienganges „Engineering-Design“, hatten sich sofort begeistert auf die Ideensuche begeben.

Inversion heißt Umkehr. Wie hat man sich eine räumliche Umkehr vorzustellen? Andreas startet einen kurzen Animationsfilm. Der führt die Inversionskinematik anhand eines schwebenden Tetraedergürtels vor. Der Ring stülpt sich um sich selbst und bewegt sich dadurch vorwärts. Andreas erzählt, dass der Künstler und Techniker Paul Schatz als erster mit seinen Installationen eine neue kinematische Grundbewegung demonstrierte: die räumliche Inversion. Das war 1929. Kaum zu glauben, dass sich die Industrie diese Erkenntnis noch nicht zunutze gemacht hat – bis jetzt jedenfalls. Denn die Aufgabe des Wettbewerbs lautete, eine kreative Idee für eine funktionale Anwendung der Inversion im industriellen Umfeld zu finden.

Mit der Herstellung unterschiedlicher Modelle und der Analyse ihrer kinematischen Bewegungen landeten die Überlegungen der drei Master-Studenten schnell bei der Verpackungsindustrie. „Durch einen Ring aus gleichschenkligen Tetraedern kann sich etwas hindurch bewegen“, demonstriert Daniel an einem Folienschlauch. Nicht nur einer, sogar drei könnten zeitgleich durch die Zwischenräume des Tetraeder-Ringes geführt werden. Umkehrschluss: Das Dreifache an Schüttgut kann unter Aufwendung von weniger Zeit und weniger Energie abgefüllt werden.

Mögen Sie Gummibärchen? Auf dem Tisch liegen die eingetüteten Portiönchen, wie man sie kennt. Der Portionierungsgedanke kam den Studierenden, während sie die Funktionsweise ihrer Modelle immer wieder analysierten. Bei jedem Umstülpen treffen Tetraeder-Kanten aufeinander. Die könnten doch mit Schweißbalken versehen werden.

Als Resultat ihrer Forschung reichten Ann Julea, Andreas und Daniel die Idee einer Verpackungsmaschine ein, die in einem Inversionsablauf zwölf Tüten abfüllt, verschweißt und trennt. Die dreieckige Tütenform – bedingt durch die Inversionskinematik – ist noch dazu optisch besonders attraktiv.

„Innovativ und gleichzeitig unkonventionell“ bezeichnete die Jury die „nahezu ausgereifte Anwendungslösung der Inversion“. Vor allem die gut ausgearbeitete Kreativleistung mit technischer Anwendung wurde von den Preisrichtern hervorgehoben, hatte doch Festo in seiner Ausschreibung großen Wert auf eine interdisziplinäre Zusammenarbeit gelegt.
Da war an der Hochschule Magdeburg-Stendal mit den zwei Design-Studenten Ann Julea Rajahkumar und Andreas Michel und dem Ingenieurstudenten Daniel Strohbach das richtige Team ins Forscherboot gestiegen.

Spannend bleibt es für die drei auch jetzt noch – bis sich die Festo-Unternehmensgruppe bei ihnen meldet. Dann wird man sehen, welche Wege sich für die Idee der HOCHDREI-Verpackungsmaschine aufzeigen in Richtung reale Umsetzung.


Autorin: Kathrain Graubaum (Text/Foto)

Kontakt:
Prof. Ulrich Wohlgemuth
HS Magdeburg-Stendal
Institut für Industrial Design
Breitscheidstraße. 2, Haus 9
39114 Magdeburg
Tel.: +49 391 8864227
E-Mail: ulrich.wohlgemuth@hs-magdeburg.de
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