Nicht von gestern - Schindelhauer-Räder aus Magdeburg

Der  Zahnriemenantrieb brachte den Durchbruch

Wer die drei Stockwerke in dem Magdeburger Hinterhof erklommen hat und in dem puristisch eingerichteten großen Raum steht, glaubt nicht, dass hier vier junge Männer einen unternehmerischen Blitzstart hingelegt haben. Einen Blitzstart, der ihnen nicht nur viel Renommee einbrachte, sondern  auch ihre Existenz sichert: Martin Schellhase, Manuel Holstein, Jörg Schindelhauer und Stephan Zehren bauen Fahrräder – genauer gesagt „Schindelhauer Bikes“, besonders innovative Zweiräder.

„Alles begann mit einem Sportwagen“, erzählt einer der vier Firmengründer, Jörg Schindelhauer (30), studierter Maschinenbauer. 2008 gründete er mit seinen Kommilitonen die „c2g-engineering GmbH“, die das Auto zur Serienreife bringen sollte: „Die Wirtschaftskrise machte uns einen Strich durch die Rechnung. Obwohl das Modell sehr gut ankam, sprangen Inverstoren aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Situation ab.“ Standen die Jungunternehmer also vor dem „Aus“, kaum dass sie gestartet waren? Nein,  erinnert sich Schindelhauer: „Als Kind und Teenager habe ich an Fahr- und Motorrädern geschraubt. Und immer war mir der Kettenantrieb ein Dorn im Auge.“ Folgerichtig beschäftigte er sich mit Alternativen: „Ich dachte, es muss möglich sein, Zahnriemen anstatt Ketten bei Fahrrädern einzusetzen. Riemen sind leichter, brauchen kein Öl, halten länger und sind leiser als herkömmliche Ketten.“

„Die Idee wurde aber beiseite gepackt, als ich feststellte, dass kein adäquater Zahnriemen aus der Industrieanwendung für das Fahrrad in Frage kam.“, so Schindelhauer. Der Grund: Industrieriemen sind aufgrund ihrer Bauart entweder elastisch oder haben einen sehr schlechten Wirkungsgrad, was für den Einsatz im Fahrrad nachteilig ist. Der Riemen der Firma Gates ist aus wetterfestem Polyurethan und steifen Kohlefasern die die Zugkräfte aufnehmen. Der Markteintritt dieses Riemens motivierte die Vier dann auch zur Entwicklung des „Schindelhauer Bike’s“.

Ein Zahnriemen ist endlos und kann nicht geöffnet werden, eine Fahrradkette hat viele Glieder, und ist auch leicht zu öffnen „Also muss ein Weg gefunden werden, den Rahmen öffnen zu können, damit der Riemen auf die Naben gelegt und gespannt werden kann“, erklärt Jörg Schindelhauer, „mittlerweile haben wir zwei Patente dafür.“ 

Anfang 2009 – die „c2g-engineering“ stand auf der Kippe, kramte Jörg Schindelhauer seine Idee, die er damals in einem Prototypen „verewigt“ hatte, also wieder hervor und begeisterte seine Freunde. Sie tüftelten, rechneten, planten, verwarfen und bauten. „Wir wollten ein Fahrrad, das technisch aktuell ist, von der Anmutung aber klassisch elegant wirkt.“ Weitere Anforderungen: “Das Rad muss mit einem Zahnriemen angetrieben werden. Dafür brauchten wir eine verschließbare Öffnung im Rahmen. „

Um finanziell über die Runden zu kommen, mussten die vier Kreativköpfe nebenher auch noch jobben. Trotz der Zusatzbelastungen entstanden fünf Prototypen, die sie auf der „Eurobike“, in Friedrichshafen präsentierten: „Fachbesucher waren begeistert“, erinnert sich Jörg Schindelhauer, „und wir kamen euphorisch zurück.“ Nur, die Bestellungen blieben aus. Also beschloss das Team auf Händler-Tournee durch Deutschland, Österreich und die Schweiz zu gehen. Der Durchbruch: 2010 wurden 400 Schindelhauer-Räder geordert. 2011 waren es 800. 2012 sollen es knapp über 1.000 werden. Damit nicht genug: Dank Internet und Mundpropaganda rollen Schindelhauer-Bikes durch Korea, England, Singapur und Australien.

Das innovative und ästhetisch perfekte Schindelhauer-Bike findet nicht nur bei Kunden großen Anklang, es bekam auch Preise: Zweimal gab es den „Red Dot Award“ sowie den „Brand New Award“ der Bike Expo von München. Im Juli 2010 wurde die „Schindelhauer Bikes - c2g-engineering GmbH“ vom heutigen Ministerpräsidenten Sachsen-Anhalts, Dr. Reiner Haseloff, als Unternehmen des Monats ausgezeichnet.

Ein Schindelhauer-Rad  - die fünf Grundmodelle tragen nostalgische Namen wie „Siegfried“, „Ludwig“ oder Viktor“ - hat seinen Preis, auch ohne Schutzblech, ohne Licht und ohne Klingel: „Damit sind unsere Räder nicht STVZO-konform (Straßenverkehrs- und Zulassungsordnung) aber mittlerweile liefern wir diese Teile mit“, sagt Jörg Schindelhauer. Wobei Licht das geringste Problem ist - Schindelhauer-Bikes wiegen unter elf Kilo, gelten als Sportrad und dürfen mit Stecklicht am Rahmen fahren. Maximal sechs Wochen nach Bestellung wird das Bike zum Kunden geliefert - in edlem Schieferschwarz, dezentem Sahneweiß oder coolem, gebürsteten Alu-Look. Elegante Lederapplikationen aus England für Sattel und Lenkergriffe perfektionieren den Gesamteindruck.

Auch technisch erfüllen Schindelhauer Bikes höchste Anforderungen: Dank des wartungsfreien Zahnriemens rollen sie fast lautlos durch die Landschaft. Der Gates Carbon Drive Zahnriemen (Lebensdauer 20.000 Kilometer - ist Garant dafür, dass lästiges Kettenschmieren und ölverschmutzte Hosenbeine der Vergangenheit angehören. Dazu Shimano- oder eine 14-Gang-Rohloff-Schaltung – alles ist möglich.

Die Magdeburger Fahrradmanufaktur ist auf dem Weg nach oben. Für die vier Firmengründer hat sich nicht viel geändert: Sie tüfteln an neuen innovativen Produkten, zum Beispiel dem „Thinbike“ – einem Rad für kleine Wohnungen, das den Städter unabhängig von Diesel, Benzin oder Strom machen soll.Und noch etwas hat sich geändert: „Schindelhauer Bikes“ werden nicht mehr in dem Magdeburger Hinterhof von den Inhabern selbst zusammengebaut, sondern in Zerbst. in einem Betrieb, der genauso viel Liebe und Sorgfalt in die Produktion legt, wie es bisher Martin, Jörg, Stephan und Manuel taten. 

Bildunterschrift:  Die Macher der Schindelhauer-Räder: Martin Schellhase, Manuel Holstein, Jörg Schindelhauer und Stephan Zehren (von links nach rechts). Den Namen „Schindelhauer“ wählten sie für die Räder weil „das so wunderbar alt und solide klingt“ Nicht, weil einer von ihnen so heißt, wie die vier Jungunternehmer betonen.      

 

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