Im Projekt "Senior-&Juniorpreneurship" der Uni Magdeburg treffen Studierende auf Gründer

Scheu und Mut, Erfahrung und jugendliche Neugier, alte Hasen und Frischlinge: All das trifft in dem Projekt "Senior- &Juniorpreneurship" (SeJu) zusammen, das unter dem Motto "Gründer treffen Studierende" die Erfinder des Landes aus ihren Garagen locken soll. Diplom-Physiker Dr. Ralf Kauert hat es gewagt und sagt: "Ein Erfinder, der sich nur in sein Kämmerlein einschließt, wird die eigene Idee nicht umsetzen können."

SeJu läuft bereits seit Anfang 2011 an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Im Kern, erklärt Projektkoordinator Bernd Neutschel, sollen dabei Studierende an realen Lösungen arbeiten – statt an künstlich geschaffenen Fragestellungen. Beteiligt sind die Lehrstühle für Maschinenbauinformatik und für Entrepreneurship. "Es gibt in Sachsen-Anhalt so viele Tüftler, die starke Produktideen haben, aber einfach nicht weiter kommen", erklärt Neutschel. Es sei schwer, eine technische Entwicklung nebenbei voranzubringen, weil nicht genug Zeit bleibe, sich zu vertiefen. "Und auch wenn es einige Initiativen gibt, die bei der Gründung von Unternehmen helfen: Technische Unterstützung fehlt."

In diese Lücke stößt SeJu, und sie ist das Stichwort für den Maschinenbau-Ingenieur, um von den Vorteilen zu schwärmen. "Wir stellen dem Ideeninhaber ein halbes Jahr lang jeweils ein 5- bis 8-köpfiges Technik- und BWL-Team zur Seite. Am Ende hat der Erfinder nicht nur ein verbessertes Produkt in der Hand, sondern auch einen bankreifen Businessplan, ein Designmappe und eine umfangreiche technische Dokumentation." Sogar Patentrecherchen übernehmen die Studierenden, ein normalerweise extrem zeit- und, schaltet man einen Patentanwalt ein oder sucht in entsprechenden Datenbanken, auch kostenintensiver Schritt zum Schutz einer Erfindung. Damit ausgestattet, sagt Neutschel,  verfügen potenzielle Gründer über ideale Voraussetzungen, um ihre Idee statt in die Schublade in ein eigenes Unternehmen zu stecken. "Und zwar hier in Sachsen-Anhalt. Das Know-how der Studierenden, kombiniert mit dem erfahrener Techniker oder Tüftler aus der Industrie, könnte dem Land mit SeJu viel effektiver zugutekommen."

Dr. Ralf Kauert, der über einem Instrument zur Messung von Kreuzbandschäden gebrütet hatte, ist dank der Hilfe der Studierenden der Marktreife des sogenannte InersensArthrometer deutlich näher gekommen: Sein Gerät wird derzeit am Klinikum Brandenburg und an der Charité in Berlin getestet. Ein wichtiger Schritt, um den strengen Richtlinien der Medizintechnik gerecht zu werden. Das Gerät kann mithilfe von Sensoren, die über oder unter dem Knie angebracht werden, exakt messen, wie stark die Bänder im Knie verletzt wurden. "Damit ergänzt das InersensArthrometer die Diagnose des Arztes um ein Testverfahren, das die Stabilität des Knies in einer dynamischen Belastung quantitativ erfasst", erklärt der 47-Jährige. Bis dato könne ein Mediziner die Diagnose nur durch manuelle Tests oder MRT-Aufnahmen gewinnen. Zudem misst das Gerät im Nachgang einer Kreuzband-OP oder einer alternativen Behandlung den Heilungserfolg. Entsprechend kann die Arbeit von Ärzten erstmals objektiviert und dokumentiert werden. Ein erheblicher Mehrwert also etwa für Krankenkassen, aber auch für wissenschaftliche Studien.

„Für das Messgerät haben die Studierenden das Problem der Fixierung gelöst“, erläutert der 47-Jährige weiter. "Sie haben Halterungen entwickelt, die eine rutschfeste Befestigung der Sensoren am Bein ermöglichen – eine gelungene Kombination aus Design und Funktionalität." Er sei von der Motivation der Teams positiv überrascht gewesen, und von der hervorragenden Arbeit, die unter anderem eine umfangreiche Marktrecherche und solides Zahlenmaterial für die Frage der Finanzierung geliefert habe. "Die Studierenden übernehmen Verantwortung", erklärt Projektkoordinator Neutschel den Fleiß der Beteiligten. "Sie merken: Ich kann wirklich helfen, etwas verändern. Hier geht es nicht mehr um wildes Brainstorming, sondern um konkrete Ergebnisse. Das Projekt wird immer mehr zu ihrem Projekt und packt sie an ihrer Ehre." Schnell dehnten sich die praktischen Pflichtstunden, die abzuleisten sind, zu ganzen Tagen oder Nächten. Das beobachtet auch Prof. Sándor Vajna vom Lehrstuhl für Maschinenbauinformatik: "Die Studenten werden mit der packenden Realität konfrontiert, anstatt in der Theorie steckenzubleiben." Das Konzept, die Erfahrung der Älteren mit dem aktuellen Wissen der Jüngeren zusammenzubringen, hält er für einen ganzheitlichen Ansatz. "Eine solche Konstellation hätte das Umkippen der A-Klasse beim Elch-Test verhindert", behauptet Vanja.

Das Projekt wird durch den Europäischen Sozialfonds und das Ministerium für Wissenschaft und Wirtschaft Sachsen-Anhalts gefördert. Die Finanzierung läuft noch bis Januar 2013, der Folgeantrag ist bereits eingereicht. Mit einigen Erweiterungen. So soll SeJu auch auf bereits gegründete Firmen ausgeweitet werden, die dadurch weitere oder überhaupt erst eigene Produkte entwickeln könnten. Bernd Neutschel hofft auf eine Zusage, auch wenn er den Erfolg das Projekt nicht direkt messen kann. "Hightech-Gründungen brauchen ihre Zeit. Aber wir sehen jetzt schon andere Erfolge: Einige Projektteilnehmer arbeiten in regionalen Firmen, anstatt zu den Platzhirschen abzuwandern, weil sie merken: Gute Ideen haben auch hier Zukunft." Andere würden motiviert, selbst ein Unternehmen zu gründen oder sogar, im besten Fall, ein von ihnen über SeJu begleitetes Projekt später als Mitarbeiter weiter zu betreuen.

Beim Arthrometer von Dr. Kauert ging alles glatt: Die Prototypen konnten gebaut werden. Diese letzte Stufe, den Bau eines einsatzfähigen Gerätes, hält Neutschel für eines der wichtigsten Ergebnisse. "Leider haben wir dafür kein Budget, aber wir müssen SeJu in dieser Richtung optimieren. Für mögliche Geldgeber ist doch klar: Es wirkt nur, wenn es pufft, knallt und blitzt." Hoffentlich verzichtet das InersensArthrometer trotzdem darauf.


Autorin: Kathrin Wöhler

Kontakt:
Ralf Kauert: Ralf.Kauert.ignore@web.de
Bernd Neutschel: bernd.neutschel.ignore@ovgu.de

Projektleiter: Prof. Dr. Sándor Vajna
Fakultät für Maschinenbau
Institut für Maschinenkonstruktion, Lehrstuhl für Maschinenbauinformatik
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Universitätsplatz 2
39106 Magdeburg
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