Turbo-Altmacher aus Thalheim veredelt Kundenwünsche

Das Alter kommt langsam. Und das ist auch gut so. Für Yves Kaufhold, den Betriebsleiter der Firma Herotron in Thalheim, kann dieser Prozess allerdings gar nicht schnell genug gehen.

Der Grund: In kurzer Zeit macht sein Unternehmen aus unscheinbaren Kristallen farbenprächtige Edelsteine. Dabei wird ein natürlicher Prozess kopiert, für den Mutter Natur Millionen von Jahren brauchen würde. Was wie Zauberei klingt, ist reine Physik: Denn hinter dem Turbo-Altmacher steckt nichts anderes als ein leistungsstarker Elektronenbeschleuniger. Und er kann noch viel mehr. Was alles, das wollen Kaufhold und sein 18-köpfiges Team auf der Hannover-Messe präsentieren.

Der Topas ist einer der härtesten Edelsteine. Und einer der beliebtesten, weshalb er für Schmuckhersteller von besonderem Interesse ist. „Gerade in Indien und China ist er sehr gefragt“, sagt Yves Kaufhold. Bis 2009 hat Herotron seine Dienstleistungen deshalb fast ausschließlich bei Schmuckherstellern aus Übersee angeboten. Mit Erfolg. Binnen kürzester Zeit brachte es das Unternehmen zum Marktführer. Soll heißen: Rund 80 Prozent der Topase, die weltweit verarbeitet wurden, waren zuvor in Thalheim bestrahlt worden. Oder anders ausgedrückt: Zu Hoch-Zeiten sind dort in nur einer Woche 200 Millionen Carat veredelt worden, was einer Menge von 0,4 Tonnen entspricht.
    
Die Hauptarbeit erledigen dabei zwei Elektronenbeschleuniger, die zusammen rund
18 Millionen Euro gekostet haben. „Sie erzeugen ionisierende Strahlung ohne radioaktive Isotope“, erklärt Betriebsleiter Kaufhold. Im Innern der Geräte werden die Edelsteine mit beschleunigten Elektronen beschossen. Die hohe Energie, die dabei frei wird, verändert das Kristallgitter im Material. Auftreffendes Licht wird dadurch anders gebrochen. Ein gewünschter Effekt, sorgt er doch dafür, dass der Topas anschließend in den typischen Blautönen schimmert.
    
Yves Kaufhold schwört auf das Verfahren. Seit der Gründung des Unternehmens im Jahr 2004 ist der gebürtige Wolfener bei Herotron tätig. Seitdem hat er Höhen und Tiefen erlebt, schließlich ist die Finanzkrise nicht spurlos an der Firma vorbeigegangen. „Basis des Edelsteingeschäfts ist der Dollar, der damals stark an Wert verlor“, sagt der Maschinenbautechniker, der nach seinem Studium an der Fachhochschule Heidelberg in seine Heimat zurückkehrte.
    
Auch um breiter aufgestellt und besser gegen Krisen einzelner Geschäftsbereiche gerüstet zu sein, hat Herotron 2010 sein Portfolio erweitert. Zum Vorteil gereichte den Thalheimern dabei die Tatsache, dass die Elektronenstrahlanlage vielfältig einsetzbar ist. Der Grund: beschleunigte Elektronen setzen in verschiedenen Materialien unterschiedliche Wirkungen frei. Wenn man so will, holen sie aus jedem Material das Beste heraus.
    
Und so war es ohne Umbau der Anlage möglich, das Verfahren auf völlig andere Geschäftsfelder auszudehnen. Kaufholds Philosophie: „Man kann jedes Material optimieren.“ Vor allem Halbleiter und Polymere. Das ist für die Autoindustrie genauso von Interesse wie für die Hersteller von Photovoltaik-Anlagen. „Wir verstehen uns als Dienstleister, der die Produkte seiner Kunden besser macht“, sagt Kaufhold.
    
Neuestes Geschäftsfeld ist die Sterilisation von Medizinprodukten. Nur wenige Sekunden Bestrahlung reichen aus, um Einwegspritzen oder Infusionsschläuche von Keimspuren zu befreien. Das Prinzip ist denkbar einfach: durch den Elektronenbeschuss entstehen freie Radikale, die unerwünschte Mikroorganismen zerstören.

Das eigens dafür erforderliche TÜV-Zertifikat hängt seit kurzem im Besprechungsraum von Herotron. Die neue Dienstleistung wird von den Herstellern medizinischer Einwegprodukte inzwischen stark nachgefragt. Und auch hier zeigt sich wieder die Überlegenheit des Verfahrens. „Die Sterilisation mit Hilfe der Elektronenbestrahlung ist effizient und kostengünstig“, sagt Kaufhold. Zum Vergleich: Medizinprodukte werden sonst unter Verwendung radioaktiver Isotope oder mit Hilfe des hochtoxischen Gases Ethylenoxid von Keimen befreit. Das ist nicht nur teurer, es wirkt sich auch noch nachteilig auf die Umwelt aus.
    
Derzeit laufen in Thalheim bereits Verhandlungen mit potenziellen Kunden. Bald werden die ersten Medizinprodukte die Werkhallen in Thalheim keimfrei verlassen. Yves Kaufhold ist zuversichtlich: „Unsere Elektronenbeschleuniger arbeiten mit einer Zuverlässigkeit von 97 Prozent. Und wir können sie bei Bedarf 8.400 Stunden pro Jahr, also fast rund um die Uhr, laufen lassen.“

Autor/Fotograf: Ines Godazgar

Kontakt:
Herotron E-Beam Service GmbH
Guardianstraße 6-10
06766 Bitterfeld-Wolfen
Tel.: +49 3494 6666131
E-Mail: kaufhold@herotron.com
vorheriger Beitrag nächster Beitrag