Von Seiltrommeln und einem weitgereisten gusseisernen Pavillon aus Tangerhütte

Seiltrommeln für Kräne sind wahre Schwergewichte. Bis zu elf Tonnen kann ein Exemplar, von denen meist mehrere je Maschine benötigt werden, auf die Waage bringen. Trotz der immensen Masse zählt beim Gießen der Teile aus Eisen Genauigkeit. Differenzen von maximal einem Zehntel Millimeter sind erlaubt. Für die Spezialisten von TechnoGuss Tangerhütte ist diese Herausforderung Alltag. "Solche komplizierten Elemente haben bei uns Tradition", sagt Geschäftsführer Rüdiger Schulz.

Die Kleinsten bringen es dagegen auf "nur" 30 Kilogramm. Vielfalt und fast ausschließlich Einzel- und Kleinserienfertigung prägt das Unternehmen in der Altmark. Neben Seiltrommeln werden dort Komponenten für den allgemeinen Maschinenbau ebenso gegossen wie Planetenträger oder Getriebegehäuse moderner Windkraftanlagen. Schulz verweist auf das ursprüngliche Geschäft des Unternehmens, das bis heute fortgeführt wird. "In der DDR waren wir Spezialisten für die Zulieferung im Armaturenbau", sagt er. Diese fanden in Gas- oder Wasserleitungen ebenso Verwendung wie in der Chemieindustrie.

Die Hütte entstand vor 170 Jahren Verwertung von Raseneisenerz. Der Rohstoff fand sich in der Niederung des Flüsschens Tanger. In der Altmark schmolzen vor 1.500 Jahren schon die Langobarden daraus Eisen. Das industrielle Konzept ging nicht auf, nach kurzer Zeit widmete man sich in Tangerhütte dem klassischen Eisenguss. Badewannen, Töpfe oder Öfen entstanden, teilweise wurden die Erzeugnisse an Ort und Stelle emailliert.

Noch heute findet sich ein Zeugnis des handwerklichen Könnens der Gießer der damaligen Zeit im Stadtpark. Es ist ein eiserner Pavillon, der 1889 für die Pariser Weltausstellung geschaffen wurde. Er kam nach der Exposition, der auch der Eifelturm sein Entstehen verdankt, an seinen Ursprungsort zurück. Das acht Tonnen schwere Bauwerk besteht aus 441 Einzelteilen und wird von über 1.000 Schrauben zusammengehalten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg schlug das vorläuifige Aus für das Unternehmen: Als Reparationsleistung ging die gesamte Ausrüstung in Richtung Osten. Die Tangerhütter wagten schon 1948 einen Neubeginn. In Spitzenzeiten arbeiteten später bis zu 1.250 Mitarbeiter im Betrieb. Mit der Wende brachen die Aufträge weg, die Neustrukturierung auf einem übersättigten Markt fiel schwer. Zwei Insolvenzen überstand die Gießerei. Der iranischen Geschäftsmann Dr. Jamshid Yektai kaufte schließlich 2002 die Firma. "Er war schon lange Kunde bei uns und suchte einen zuverlässigen Produzenten für Antriebsteile", erzählt der Geschäftsführer. Für die neue TechnoGuss GmbH brach damit eine bessere Zeit an. Bis heute wurden rund 18 Millionen Euro in moderne Technik investiert, unter anderem entstand eine neue Putzerei. Die Schmelzöfen sind inzwischen auf Elektrobetrieb umgestellt. Mit der Neuorientierung der gesamten Firma schaffte Yektai das "kleine Wunder". Von 2003 bis 2008 stieg die Produktion von jährlich 5.500 Tonnen auf 13.000 Tonnen. Dann kamen zwei schwere Jahre. Stornierte Aufträge waren in der Wirtschafts- und Finanzkrise fast Alltag. Auch Personalabbau musste bewältigt werden, doch über Kurzarbeiterregelungen ließ sich viel von der Flaute abfangen, sagt Schulz. Inzwischen gehe es wieder vorwärts. Die heute 180 Beschäftigten sprächen für sich.

Bei der TechnoGuss-Gründung 2002 waren 50 Mitarbeiter übernommen worden, allesamt über 50 Jahre alt. Neueinstellungen sind inzwischen nicht ausgeschlossen, für 2011 peilen die Tangerhütter wieder die 10.000-Tonnen-Marke an. Acht Prozent der Erzeugnisse gehen in den direkten Export beispielsweise in die Schweiz und die Niederlande. Andere Gussteile finden sich über die technischen Lösungen der Kunden im Wasserversorgungssystem von Ankara, in Meereswasserentsalzungsanlagen der Arabischen Emirate oder in Kränen auf US-Baustellen. Die Auftragsbücher sind gefüllt, für das kommende Jahr gibt es ausreichend Arbeit. 17 junge Leute absolvieren eine Berufsausbildung. "Wir setzen auf eigene Fachkräfte", versichert Rüdiger Schulz. Wer die nötigen Leistungen zeigt, der könne sich seiner Übernahme in eine Festanstellung sicher sein.

Autor:
Klaus-Peter Voigt
TechnoGuss Tangerhütte GmbH
Rudi-Arndt-Straße 15
39517 Tangerhütte

Ansprechpartner:
Rüdiger Schulz
Tel.: 03935/940202
E-Mail: Ruediger.Schulz.ignore@technoguss.de
Web: www.technoguss.de

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