Zwei Drittel des Stroms im Süden Sachsen-Anhalts kommen aus erneuerbaren Quellen

An der Bundesautobahn 9 Berlin-München stehen bei Osterfeld in Sachsen-Anhalt die drei leistungsstärksten Windturbinen der Welt. Das hat Symbolkraft. Denn das Land ist in der Erzeugung erneuerbarer Energien Vorreiter. Während in Deutschland derzeit 17 Prozent der Stromproduktion aus diesen Energiearten kommen und die Bundesregierung bis 2020 ein Ziel von 30 Prozent vorgegeben hat, sind es im Süden von Sachsen-Anhalt schon heute 66 Prozent. Das berichtet Ulf Matthes, zuständiger Abteilungsleiter bei der envia Verteilnetz GmbH.

Ulf Matthes ist seit 2002 Abteilungsleiter bei der für das Netz zuständigen, in Halle (Saale) ansässigen, enviaM-Tochter. Seine Abteilung registriert sämtliche Anlagen, die Strom aus Wind, Wasser, Biomasse, Deponiegas oder Photovoltaik in das Netz der Envia Verteilnetz GmbH in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Thüringen einspeisen. Die Stadtwerke gehören nicht dazu. Matthes hat miterlebt wie sich die installierte Leistung erneuerbarer Energien im enviaM-Netzgebiet in Sachsen-Anhalt fast vervierfacht hat. Betrug sie 2001 rund 500 Megawatt, waren es Ende 2010 gut 2.000 Megawatt. Dieser kräftige Anstieg sei vor allem der Windkraft zu verdanken, erklärt Matthes. Mit fast 1.700 Megawatt steuert sie mehr als drei Viertel der Leistung in diesem Bereich bei. Weit dahinter folgt die Solarenergie mit 250 Megawatt an zweiter Stelle vor Biomasse (77,1 MW), Wasser (10,7) und Deponie-/Klärgas (10,1).

Noch deutlicher ist der Aufstieg regenerativer Energien im enviaM-Netzgebiet an den Summen abzulesen, mit denen ihre Produktion vergütet wurde. Während 2001 133 Millionen Euro an die Erzeuger flossen, waren es im vergangenen Jahr schon 829 Millionen Euro. Diese Summe werde weiter ansteigen, da die Förderung über 20 Jahre laufe, die Zahl der Anlagen zunehme und sich dadurch immer mehr aufbaue, erläutert der 44-jährige Diplom-Ingenieur. Beim Wind sei 2010 die Vergütung etwas geringer ausgefallen. „Es gab wenig Wind. So wenig Wind wie 2010 hatten wir noch nie“, begründet Matthes diese Delle. Die größten Steigerungen sind nach seinen Worten bei der Vergütung des Solarstroms zu beobachten. Sie habe sich in den vergangenen drei Jahren jährlich jeweils verdoppelt. 2010 hat sie 183 Millionen Euro erreicht. 2011 seien bisher wieder viele Anmeldungen für neue Anlagen eingegangen, weil die Förderung zum 1.Juli gekürzt werden sollte aber nun doch bis zum 31. Dezember fortgeführt werde.

Erst danach komme es zu einer Reduzierung der Förderung. Deshalb rechnet Matthes in diesem Jahr mit einem gewissen Vorzieheffekt, um doch noch die höhere Förderung zu sichern. Strom aus Deponiegas ist nach den Worten des gebürtigen Merseburgers fast zu vernachlässigen. Seine Erzeugung stagniere. Auch Wasserkraft spiele nur eine untergeordnete Rolle. Mehr als 1 000 Windturbinen drehen sich in Sachsen-Anhalt. Die derzeit weltweit größte Anlage bei Osterfeld an der Autobahn A 9 hat laut Matthes eine Nennleistung von 6.000 kW, eine Nabenhöhe von 135 m und einen Rotor-Durchmesser von 126 m. Die vom Magdeburger Unternehmen Enercon produzierte Gondel wiegt mit einem Durchmesser von zwölf Metern und einer Länge von 24 Metern samt Nabe mit Rotorblättern 800 Tonnen.

Geografisch gesehen ist das Land für die Stromerzeugung aus Windkraft wie geschaffen. „Es ist flach und liegt in einem Korridor mit einer Windströmung von der Nordsee in Richtung südliches Brandenburg“, sagt Matthes. Diese günstigen Bedingungen für die Stromproduktion aus erneuerbaren Stromquellen haben zu einer Umkehr der Richtung des Stroms in Sachsen-Anhalt geführt. „Wir haben viel Wind, aber wegen einer gewissen Industrieschwäche relativ wenig Strom-Abnahme. Wir produzieren Strom- Überschuss“. Während vor Jahren  Strom für die Einwohner herangeschafft worden sei, wird nun Strom, der in Sachsen-Anhalt produziert wurde, in andere Gebiete Deutschlands geliefert. Dieser Trend wird sich aus Sicht von Energie-Experten fortsetzen. Sie sagen voraus, dass sich die Produktion von Windenergie in den kommenden zehn Jahren im enviaM-Netzgebiet von heute 4,4 auf zehn Gigawatt mehr als verdoppeln, und die Produktion von Solarstrom  vervierfachen wird.

„Windenergie bleibt mit Abstand die wichtigste regenerative Energiequelle“, sagt Matthes. Sonnenenergie vollziehe demnach den größten Sprung nach vorn, die Potentiale von Biomasse würden ausgeschöpft, Wasserkraft wachse verhalten. Diese Aussichten machen einen kräftigen Ausbau der Stromnetze erforderlich. Matthes sagt: „Wir kommen immer näher an unsere Grenzen oder haben diese in einigen Regionen schon erreicht. Wir müssen neue Leitungen bauen.“ Für den entsprechenden Ausbau im enviaM-Netz-Gebiet bis zum Jahr 2020 sind nach Ansicht des Netz-Spezialisten 1,1 Milliarden Euro notwendig.

Autor: Dr. Rainer Gummelt

Kontakt

envia Verteilnetz GmbH

Magdeburger Str. 36

06112 Halle (Saale)

T: 0345 216 3570

www.envia-netz.de

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