In 60 Tagen von Dose zu Dose

Am Novelis-Standort Nachterstedt im Harzvorland steht das größte und technologisch fortschrittlichste Aluminium-Recyclingwerk der Welt

Wenn Marc Mathiot, Leiter des Novelis-Aluminium-Recyclingwerkes im sachsen-anhaltischen Nachterstedt, auf dem Betriebsgelände unterwegs ist, unterscheidet er sich nicht von seiner Belegschaft. Auch für ihn ist Schutzbekleidung Pflicht. Arbeitssicherheit hat oberste Priorität, wo jährlich bis zu 400.000 Tonnen Aluminium-Schrotte zu neuem hochwertigem Aluminium recycelt werden. Die Anlagen ermöglichen eine kohlenstoffarme Rückgewinnung des wertvollen Materials hauptsächlich für Getränkedosen und Leichtbauteile für die Automobilherstellung.

„Beinahe jede Dose, die in Europa ausgetrunken wird, landet zum Recyceln hier bei uns“, Marc Mathiot zeigt auf den gepressten und in großen bunten Ballen aufgestapelten Dosenschrott. Der zirkuläre Recyclingprozess am Novelis-Standort Nachterstedt trägt dazu bei, dass die AluminiumGetränkedose weltweit den Spitzenplatz einnimmt unter den recycelten Getränkeverpackungen. „In Deutschland“, erläutert Mathiot, „werden sogar über 99 Prozent aller konsumierten Getränkedosen recycelt.“ Diese Erfolgsgeschichte begann vor 20 Jahren, als 2003 der Einwegpfand eingeführt wurde.

Novelis betreibt weltweit technisch hochentwickelte Walz- und Recyclinganlagen und hat am sachsen-anhaltischen Standort in Nachterstedt bislang zirka 300 Millionen US-Dollar in das AluminiumRecycling investiert. „Von unseren Recycling-Anlagen in Nord- und Südamerika, in Asien und Europa ist die in Sachsen-Anhalt aktuell die größte und technologisch fortschrittlichste der Welt“, betont der Werksleiter.

Novelis in Nachterstedt verarbeitet jährlich bis zu 400.000 Tonnen verschiedenste Aluminium-Schrotte. Die werden hier in hochmodernen Produktionslinien geschreddert, sortiert, thermisch gereinigt, geschmolzen und zu etwa zehn Meter langen und 25 Tonnen schweren Walzbarren gegossen. Nur sieben Stunden dauert der Recyclingprozess, bei dem aus Schrott wieder ein hochwertiges Aluminium wird. „Dieser Prozess kann unbegrenzt wiederholt werden. Jährlich spart das Recyclingwerk etwa 3,7 Millionen Tonnen Kohlenstoffemissionen im Vergleich zur Erzeugung von Primäraluminium“, sagt Marc Mathiot. Er spricht von Closed-Loop-Systemen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, um jedes Gramm Aluminium im Kreislauf zu halten. So werde aus einer konsumierten Getränkedose immer wieder eine Getränkedose – ohne Qualitätsverlust. Etwa 60 Tage dauere dieser Prozess.

 

Ein Leichtgewicht für die Mobilität der Zukunft

Der sachsen-anhaltische Novelis-Standort beliefert außerdem wichtige Kunden in der Automobilbranche. „Die Mobilität der Zukunft braucht leichte Materialien“, erklärt Werksleiter Marc Mathiot. Das Leichtgewicht Aluminium eigne sich da hervorragend – etwa für den Karosseriebau oder für die Gehäuse, die die E-Batterien verkleiden. „In mehr als 225 verschiedenen Fahrzeugmodellen von weltweit führenden Automobilherstellern steckt Novelis-Aluminium. Damit auch innerhalb dieser Lieferketten kein wertvolles Material verloren geht, haben wir mit unseren Kunden geschlossene Logistik-Systeme entwickelt“, sagt Mathiot. Er verweist auf das komplexe Schienennetz, das Novelis in Europa betreibt.

„Vom Novelis-Werk Nachterstedt verkehren derzeit sieben Züge pro Woche, um Endkunden in der Automobil- und Getränkedosenindustrie in England mit Aluminium zu beliefern.“ Innerhalb der Kreislaufwirtschaft würden dann auch die Aluminium-Abfälle, die beim Kunden in der Produktion anfallen, wieder den Schrott-Recyclingstandorten zugeführt. Die Verlagerung des Transportes auf die Schiene führe zu einer Reduktion der CO2-Emissionen um etwa 60 Prozent.

 

Aluminiumbündnis Sachsen-Anhalt setzt auf gute Rahmenbedingungen

„Das Aluminium Recycling spart etwa 95 Prozent Energie und 94 Prozent CO2-Emissionen gegenüber der Primärerzeugung und ist somit ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität“, sagt Marc Mathiot und ergänzt, dass Innovationen aus Aluminium zur Energie- und Mobilitätswende beitragen. „Wir brauchen dafür insbesondere auch die richtigen politischen Rahmenbedingungen und international wettbewerbsfähige Energiepreise.“ Unter dieser Prämisse wurde am Standort Nachterstedt 2022 eine gemeinsame Erklärung zwischen dem Industrieverband Aluminium Deutschland e.V., der IG Metall, der IG Bergbau, Chemie, Energie und dem Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt sowie dem Ministerium für Wirtschaft, Tourismus und Landwirtschaft aus SachsenAnhalt unterzeichnet. Dem Aluminiumbündnis Sachsen-Anhalt haben sich mittlerweile das Recyclingwerk der Befesa Aluminium Germany in Bernburg und die HMT Höfer Recycling-Anlage in Hettstedt; das Schmelz- und Recyclingwerk Trimet in Harzgerode, der Hersteller von Aluminiumpulvern und -granulaten Nimex NE-Metall in Helbra sowie der Verpackungshersteller Slim Aluminium in Merseburg angeschlossen.

Allesamt sind diese Unternehmen wichtige Player, wenn es um AluminiumRecycling und Kreislaufwirtschaft geht. Die Aluminiumindustrie ist in Sachsen-Anhalt ein bedeutender Wirtschaftszweig und wichtiger Arbeitgeber. Novelis in Nachterstedt ist mit 1100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der größte. Das Unternehmen bietet jungen Menschen hochwertige Ausbildungsplätze in verschiedenen Berufen, dualen Studiengängen und Traineeprogrammen. „Wir haben gute Kontakte zu Wissenschaft und Forschung“, betont Werksleiter Mathiot und erwähnt die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg mit ihren Kompetenzen u.a. auf dem Gebiet der Werkstoffkunde sowie die TU Clausthal und die TU Bergakademie Freiberg, die zu Recyclingthemen forschen.

 

Autorin: Kathrain Graubaum

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