Kunststoffabfall wird zu hochwertigem Werkstoff recycelt

Thale im Harz ist ein bedeutender Standort der Pulvermetallurgie

Von Thale aus hinaus in die Welt – seit über 80 Jahren geht die Pulvermetallurgie diesen Weg – mit immer neuen Ideen und Entwicklungen. Auf der Hannover Messe präsentieren das PulverMetallurgische Kompetenz-Centrum Thale und die Seco Thale GmbH neue Verfahren zum Recyceln von Kunststoff ohne Qualitätsverlust.

Thomas Köck bleibt vor einem der vielen Big-Bags auf dem Hof stehen und zieht ein schwarzes Kunststoffteil heraus: ein Armaturenbrett. „Sehen Sie ...“, er hält es ins Licht. Das menschliche Auge sieht nichts: keine Schramme, keine Beule. Modernste Prüftechnik schaut da genauer hin. Qualitätskontrolle bedeute Sicherheit, aber schon bei einfachen „Unschönheiten“ kämen solche Teile in den Ausschuss, sagt Köck.

Monatlich zwei bis drei Container Kunststoffabfall bringt allein der Autohersteller „Volkswagen“ nach Thale zum PulverMetallurgischen Kompetenz-Centrum. Thomas Köck ist Geschäftsführer des PMC. Derzeit hat er zehn Mieter. Das sind junge aufstrebende Unternehmen, die die Räume und die moderne Infrastruktur der Einrichtung sowie verschiedene Beratungsangebote nutzen. Vor allem profitieren die Existenzgründer vom technischen Know-how und vom großen Netzwerk interdisziplinärer Partnerschaften.

Der beschauliche Luftkurort Thale besitzt weltweit beachtete Kompetenz, was die Pulvermetallurgie betrifft. Die Technik zur Herstellung von Eisenpulvern sowie zu deren Verarbeitung durch Pressen und Sintern wurde hier 1935 von Friedrich Eisenkolb begründet. Seit über 80 Jahren ist die Harzstadt industrieller Schwerpunkt in der Region. In den 1980er Jahren entwickelte sich Thale zum pulvermetallurgischen Zentrum der DDR.

Unter anderem die Herstellung von Bauteilen und Zwischenprodukten wie Schweißdrähte aus Metallpulver hat in Thale Tradition. Zu den innovativen Aktivitäten in diesem Zusammenhang gehörte ein vom Bundesforschungsministerium gefördertes Projekt, das vom PMC und der dort ansässigen Corodur Verschleiß-Schutz GmbH initiiert wurde. Es entwickelte unter anderem neuartige pulvermetallurgische Fülldrähte und Sinterbänder für die Schweißtechnik. „Die sind weltweit einzigartig“, sagt Thomas Köck.

Nach wie vor birgt die Pulvermetallurgie hochintensives Forschungs- und Entwicklungspotenzial in sich. „Der industrielle Bedarf an energie- und materialsparenden Fertigungsprozessen ist groß, allen voran in der Automobilindustrie und in der Luftfahrt“, weiß der Leiter des ingenieurtechnischen Zentrums. Angesichts der Container voller Kunststoffabfälle macht er zudem auf den Verlust von Ressourcen aufmerksam. „Der ist kostspielig und belastet die Umwelt.“ Unter anderem darum sei Volkswagen einer der Entwicklungspartner des PMC. Köck geht voran in eine der drei Produktionshallen. „Experimentelle Fabrik“ nennt er diese. „Hier“, so der Geschäftsführer, „nehmen Visionen Gestalt an und ziehen hinaus in die Welt.“ Auf dem Boden der Realität stehen Säcke, gefüllt mit Granulat. Es handelt sich um den geschredderten und gemahlenen Kunststoffabfall. Das Besondere: Er kann ohne Qualitätsverlust wiederverwertet werden. „Das ist in der Tat eine bahnbrechende Innovation“, betont Thomas Köck und erklärt: „In der Regel werden Kunststoffe thermisch verwertet oder minderwertig recycelt, wodurch die Qualität des Materials nachlässt.“

Ein Team rund um den Erfinder Jörg Beckmann hatte am PMC neue Verarbeitungsverfahren entwickelt, mit denen es erstmals möglich ist, aufbereitete Kunststoffabfälle zu beinahe 100 Prozent neuen Frischmischungen beizufügen. 2015 wurde die inzwischen patentierte Erfindung mit dem Hugo Junkers Preis für Forschung und Innovation aus Sachsen-Anhalt ausgezeichnet. Involviert in das Projekt sind Nicole Mahnke und Jürgen Deinert. Die Chemie-Laborantin und der Chemie-Ingenieur gehören zur kürzlich gegründeten Seco Thale GmbH. Das Startup-Unternehmen nutzt Labor, Produktionshalle und Büroräume im PMC. „Unsere Versuche gehen inzwischen über den Labormaßstab hinaus“, sagt Jürgen Deinert und dass die eigens entwickelte Verarbeitungsstrecke in der „Experimentellen Fabrik“ als Technikum diene, um Prozesse und Endprodukte weiter zu optimieren.

Das Herzstück der Erfindung, so Deinert, sei das Trennverfahren. Ob Armaturentafel, Einfassungen und Belüftungslamellen – es sind immer unterschiedliche Kunststoffe verarbeitet. Mittels der neuen Technologien könnten Polypropylen, Polyurethan und Polyvinylchlorid voneinander getrennt werden.

Laborantin Mahnke füllt für das Foto schwarze, weiße, blaue Granulate in Gläser. „Je nach Ausgangprodukt haben sie diese unterschiedlichen Farben“, erklärt sie. „Oder sie werden eingefärbt, bevor im Kunststoffspritzguss neue Teile daraus entstehen.“ Hier im Labor werden Test-Messungen an Probestücken durchgeführt. Die erfolgreiche Einführung neuer Prüf- und Messsysteme war ebenfalls ein Resultat zurückliegender Forschung. Mittels modernster Technologie kann Nicole Mahnke nachweisen, dass der recycelte Kunststoff von hochwertiger Qualität ist.

Der Chef des Kompetenz-Centrums hat derweil ein nächstes mittelfristiges Forschungsziel im Blick: „Das Recycling von kontaminierten Kunststoffabfällen – selbstredend ohne Verlust an Qualität – wird wieder einige intensive Entwicklungsjahre erfordern“, weiß Thomas Köck.

BU: Thomas Köck, Geschäftsführer des PulverMetallurgischen Kompetenz-Centrums Thale unterstützt Dr. Jürgen Deinert und Nicole Mahnke (v.l.) von der Seco Thale GmbH bei der Entwicklung neuerTechnologien zum Recyceln von Kunststoff.

Autor & Bild: Kathrain Graubaum

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