Neue Produkte durch neue Fertigungstechnologien
Wie Digitalisierung die Lebenszyklen von Produkten optimiert
Die Produktpalette der „Industrie 4.0“ verspricht auch in diesem Jahr Wachstum. Für 2018 wird auf dem deutschen Markt mit einer Umsatzsteigerung von mehr als 22 Prozent im Vergleich zu 2017 auf mehr als sieben Milliarden Euro gerechnet. Dabei ist die Palette der Produkte riesig: das sogenannte Internet der Dinge gehört dazu, selbständig fahrende Autos, die elektronische Patientenakte ebenso wie vernetzte Produktionsanlagen.
In Sachsen-Anhalt, einem Bundesland in der Mitte Deutschlands mit eindrucksvoller Wirtschaftshistorie, ist die sogenannte vierte industrielle Revolution längst angekommen und bringt beachtenswerte neue Produkte hervor.
Die Hallesche Pumpenwerke GmbH wurde 1990 in die KSB SE & Co. KGaA eingegliedert. 1871 gegründet, um Kesselspeiseautomaten und Armaturen zu fertigen, zählt das Unternehmen seit mehr als 100 Jahren zu den führenden Anbietern von Pumpen und Armaturen. Seine Erfolgsformel nennt es: Innovation plus Altbewährtes. „Die Digitalisierung bietet uns hervorragende Ansatzpunkte, wie Anwender die Lebenszykluskosten einer Pumpe einfach optimieren können, also ohne aufwändige Analysen oder gar einen Austausch der Pumpe. Dazu muss man als Hersteller Know-how in Algorithmen und Software überführen und diese für den Anwender nutzbar machen“, so Christoph Pauly, Ingenieur und Sprecher von KSB. Für den sparsamen Betrieb einer Pumpe sei eine genaue Kenntnis des Lastprofils und ein Betriebspunkt, der möglichst nahe am besten Wirkungsgrad liegt, unerlässlich. „Hier kommt die Digitalisierung ins Spiel. Statt der medienberührten Messung können wir heute Schwingungen am Pumpengehäuse aufnehmen sowie auswerten und diese Betriebsdaten über Mobilfunk in eine Cloud senden. Das hat den Vorteil, dass sich das Wartungspersonal weltweit über den Zustand einer Pumpe informieren kann. Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, ob die Umstellung der gemessenen Pumpe auf einen geregelten Betrieb sinnvoll ist, ob man die Fahrweise ändern muss oder ob sich der Kauf einer neuen Pumpe empfiehlt“. Aber, sagt Christoph Pauly, Digitalisierung sei kein Selbstzweck. „Anwender akzeptieren diese nur, wenn die Technologien in der täglichen Arbeit einen Mehrwert bringen und praktikabel sind. Ohne langjähriges Pumpen-Know-how wäre die Überführung einer Pumpe ins digitale Zeitalter schlicht nicht möglich.“
Mobiles Prüfsystem
Es ist nur folgerichtig, dass die Geschichte der industriellen Revolution in Sachsen-Anhalt fortgeschrieben wird. Dort, wo die Wiege deutscher Ingenieurskunst steht, wo Otto von Guericke die Vakuumtechnik begründete oder der Verband Deutscher Ingenieure gegründet wurde.
Zur Förderung zukunftsweisender Innovationen vergibt das Wirtschaftsministerium des Landes Sachsen-Anhalt bereits seit mehr als 25 Jahren den Hugo-Junkers-Preis für Forschung und Innovation. Klar, dass in den letzten Jahren vermehrt Entwicklungen unter dem Stichpunkt 4.0 vorgestellt wurden. Den dritten Platz in der Kategorie „Innovativste Produktentwicklung“ erhielt 2017die SONOTECH Ultraschallsensorik Halle GmbH aus Halle (Saale) für ihr „Modulares Mess- und Prüfsystem SONAPHONE zur Instandhaltung 4.0“. Klingt ein bisschen sperrig, ist es aber nicht, im Gegenteil. Das mobile Gerät ist nicht viel größer als ein Smartphone und wird per Touchscreen bedient. Das digitale Ultraschallprüfgerät begleitet den gesamten Prüfvorgang - von der Planung und Messung bis zur Auswertung und Reparatur. Es erkennt undichte Stellen an Fenstern, Türen, Fahrzeugen und Bauteilen. Es analysiert den Zustand von Maschinen und Anlagen und entdeckt den optimalen Wartungszeitpunkt. Und mit der Überprüfung der Funktion von Kondensat-Ableitern und Ventilen hilft es, Energie- und Wasserverluste zu vermeiden sowie Schäden an Maschinen und Anlagen.
Kernkompetenz : Additive Fertigung von Metallbauteilen
Obwohl „Industrie 4.0“ eine deutsche Wortschöpfung ist, hat sie sich in den letzten Jahren auch im Ausland verbreitet. Eine logische Entwicklung angesichts der global agierenden Wirtschaft. Auch die seit 2017 zum Oerlikon Konzern gehörende citim GmbH aus Sachsen-Anhalt ist längst über die Grenzen hinaus bekannt. Die noch recht junge Technologie der Additiven Fertigung beherrscht das Unternehmen wie kaum ein anderes. 1996 als Spin-Off der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg gegründet, ist citim inzwischen einer der weltweit führenden Anbieter additiv gefertigter Metallbauteile. 3-D-Druck, mit anderen Worten. Der Produktionsstandort in Barleben ist eine tragende Säule im Oerlikon AM Dienstleistungskonzept, das die gesamten Elemente der Additiven Fertigung, beginnend beim Metallpulver über die Konstruktion, Herstellung, Nachbearbeitung bis hin zur Qualitätskontrolle, vereint. Eindrucksvolles Beispiel für die Kompetenz des Unternehmens ist die Fertigung des Antennenarmes eines Satelliten für die Europäischn Weltraumorganisation ESA. Das ursprüngliche Gewicht des Bauteiles konnte durch die Optimierung mittels 3-D-Druck fast halbiert werden - bei gleicher Festigkeit. „Wir sind für sehr innovative Firmen tätig. Unsere Kunden kommen meistens aus den Bereichen, die neue Produkte entwickeln und den Mut haben, neue Fertigungstechnologien einzusetzen“, sagt Andreas Berkau, Head of AM Service Europe.
Windkraftanlagen analysiert
Die „vorausschauende Wartung“, die Predictive Maintenance, ist einer der Schlüsselbegriffe der Industrie 4.0. Ein junges IT-Unternehmen aus Sachsen-Anhalt ist Vorreiter auf diesem Gebiet: Die Indalyz Monitoring & Prognostics (IM&P) GmbH aus Halle hat vorausschauende softwarebasierte Wartungsstrategien entwickelt für einzelne Maschinen, komplexe Anlagen und Maschinen-Cluster. Die Prognose-Software basiert auf selbstlernenden, künstlich-intelligenten Kernalgorithmen, die ihrerseits mit verschiedenen Filtern und projektiven Methoden kombiniert sind. Die junge Firma setzte als erstes großes Anwendungsgebiet ihres Produktes auf Windenergie. In einer dreijährigen Observation und Prognose des technologischen Zustands hat die IM&P die Daten von 650 Windkraftanlagen analysiert. Davon haben sich nach eigenen Angaben knapp 95 Prozent der prognostizierten Verschleißmeldungen in der Praxis als zutreffend erwiesen.
Autor: Anja Falgowski