Entwicklungszentren für Biotechnologie

Sachsen-Anhalt überzeugt mit deutschlandweit dichtester Forschungslandschaft

Die Suche nach einem Alzheimer-Heilmittel ist eines der ehrgeizigsten Forschungsziele weltweit. Bis zum Jahr 2050 soll sich die Zahl der an Demenz Erkrankten fast verdreifachen, auf dann 136 Millionen Betroffene. Doch seit zehn Jahren wurde kein neues Medikament zur Behandlung der Alzheimerschen Erkrankung mehr zugelassen. Ein Biotechnologie-Unternehmen aus Sachsen-Anhalt möchte das ändern. Seit über zehn Jahren forscht die Probiodrug AG aus Halle (Saale) an einem neuartigen Therapiekonzept für die Behandlung der Alzheimer-Demenz. Weltweit hat die vielversprechende Lösung aus Sachsen-Anhalt Aufmerksamkeit erregt.

Entwicklungszentren für Biotechnologie

Hervorgegangen ist das Biotech-Unternehmen als Spin-out der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Sitz des Forschungsunternehmens ist heute der „Weinbergcampus“ in Halle (Saale), einem der größten Gründer- und Technologieparks in Deutschland. Seit 1990 wurde auf dem Campus für Firmen, universitäre und wissenschaftlichen Einrichtungen mehr als eine Milliarde Euro investiert. Rund 5.000 Mitarbeiter sind aktuell dort beschäftigt.

Probiodrug ist nur ein Beispiel dafür, dass Sachsen-Anhalt auf Biotech setzt und für die Branche beste Ansiedlungs- und Gründungsvoraussetzungen schafft. Zu den Stärken des Landes zählen vor allem eine solide Infrastruktur mit günstigen Kostenstrukturen, die überdurchschnittlich große Nähe zur wissenschaftlichen Expertise und die Vernetzung der Biotechnologie-Akteure. Als Teil der Life-Science-Industrie gehört die Biotech-Branche zu einem Leitmarkt, den Sachsen-Anhalt in einer „Regionalen Innovationsstrategie Sachsen-Anhalt 2014-2020“ festgeschrieben hat. Deren erklärtes Ziel ist es bis 2020 zu den europäischen Innovationsführern in dieser Branche aufzusteigen. Für die Biotechnologie sind in Sachsen-Anhalt deshalb hochspezialisierte Entwicklungszentren geschaffen worden. Sie bieten Unternehmen aus dem gesamten Spektrum der pharmazeutischen, pflanzenbasierten und industriellen Biotechnologie ideale Voraussetzungen. Neben dem Weinbergcampus mit dem Biozentrum gibt es das Biotech-Zentrum Gatersleben, den BioPharmaPark Dessau, das Mitteldeutsche Chemiedreieck oder das Zentrum für Neurowissenschaftliche Innovation und Technologie (ZENIT) in Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg. Durch diese Zentrenentwicklung haben sich Kompetenzregionen herausgebildet.

Spezialisten der roten Biotechnologie

Vor allem Spezialisten der wachstumsstärksten, der roten Biotechnologie, haben sich international einen Namen gemacht. Beispielsweise die Icon Genetics GmbH in Halle. Das Unternehmen entdeckt und entwickelt neue Biopharmaka und hochwertige Proteinwirkstoffe, indem sie Pflanzen als Produktionswerkzeuge nutzt. Für Schlagzeilen hat das bisher einzige Anti-Ebola-Serum ZMapp aus Tabakpflanzen gesorgt, das die Pflanzenforscher aus Sachsen-Anhalt entwickelt haben. Hierbei wird der molekulare Bauplan für die humanisierten Ebola-Antikörper in Tabakmosaikviren gepackt und mit Hilfe von Agrobakterien in die Pflanzen eingeschleust. Eine Woche später können die massenhaft produzierten Antikörper aus den Blättern geerntet werden.

Europaweit Marktführer beim Protein Engineering

Auch das Unternehmen Navigo Proteins GmbH (ehemals Scil Proteins) ebenfalls aus Halle (Saale) hat die guten Ansiedlungsvoraussetzungen auf dem Weinbergcampus genutzt. „Wissenschaftler auf weltweit konkurrenzfähigem Spitzenniveau unterstützen uns erheblich bei der Entwicklung innovativer, hoch komplexer und spezifischer Proteine für forschende Pharma- und Diagnostikunternehmen“, sagt Dr. Henning Afflerbach, CEO der Navigo Proteins GmbH. Das Biotechnologie-Unternehmen ist Spezialist und europäischer Marktführer im Bereich der Modifikation von Proteinen, dem „Protein Engineering”. Kunden, die bestimmte Proteine für Biopharmaka in Auftrag geben, kämen auch aus den USA und Kanada.

International bekannt wurde Sachsen-Anhalt als biopharmazeutischer Wissensstandort auch durch die IDT Biologika. Das Unternehmen ist im BioPharmPark Dessau-Rosslau beheimatet, der um IDT herum gewachsen ist. Seit fast einhundert Jahren werden dort Produkte und Leistungen zur Gesunderhaltung von Mensch und Tier entwickelt. IDT gehört heute zu den weltweit innovativsten Hightech-Unternehmen im Bereich der standardisierten Fertigung von Biopharmaka. Die Firma beschäftigt rund und 1.700 Mitarbeiter.

Kompetenz in grüner und weißer Biotechnologie

Die Pflanzenbiotechnologie bildet eine Kernkompetenz im deutschen Bundesland Sachsen-Anhalt. Eine Erfolgsgeschichte in der „grünen“ Kompetenzregion Sachsen-Anhalts ist das Biotech-Zentrums Gatersleben. Der Standort ist traditionell in der Pflanzenforschung verwurzelt. Kern des Biotech-Zentrums ist das Leibnitz Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK), eine der international führenden wissenschaftlichen Einrichtungen auf diesem Gebiet. Unter anderem beheimatet es die Bundeszentrale ex situ-Genbank für landwirtschaftliche und gartenbauliche Kulturpflanzen, die größte Genbank mit Mustern von Kulturpflanzen aus Europa und der ganzen Welt. Im Biotech-Zentrum Gatersleben betreibt unter anderem der Konzern Bayer CropSciene sein Europäisches Weizenzucht-Zentrum.

Im „Mitteldeutschen Chemiedreieck“, dem Herzen der ostdeutschen Chemieindustrie, wird beispielsweise im Fraunhofer Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse (CBP) auf „weiße“, auf industrielle, Biotechnologie gesetzt. In einem weltweit einmaligen Verfahren will das französische Unternehmen Global Bioenergies hier in einer Anlage im großtechnischen Maßstab Zucker mit Bakterien so reagieren lassen, dass daraus Kohlenwasserstoffe entstehen. Darunter ist auch Isobuten - ein wesentlicher Zusatz für Kraftstoffe.

Vernetzung und Fachkräftesicherung als Standort Plus

Ein wichtiger Standortfaktor für Biotech-Unternehmen in Sachsen-Anhalt ist die eng vernetzte und dichte Forschungslandschaft. Zwei Universitäten, drei Fachhochschulen und zehn Forschungseinrichtungen der Max-Planck-, Fraunhofer-, Leibniz- und Helmholtz-Gemeinschaften konzentrieren sich stark auf die Bereiche Enzym- und Proteinbiotechnologie sowie Neurowissenschaften. Für die akademische Bildung sorgen die Hochschulen und Fachhochschulen des Landes, die zahlreiche Biotechnologie-relevante Bachelor- und Masterstudiengänge anbieten. Beispiel ist die Gründung der des Center of Life Sciences an der Fachhochschule Anhalt, das verschiedene Zweige der Biotechnologie sowie Pharmatechnik und Ernährungswissenschaften bündelt. Die Hochschule Anhalt bietet als Schwerpunkte zudem Industrielle Biotechnologie, Bioprozesstechnik, Algenbiotechnologie und Wirkstoffentwicklung an.

Autor: Michael Falgowski

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