Üben vor der OP: Medizin-Modelle aus dem 3D-Drucker

Patientenspezifische Nachbildungen aus Magdeburg helfen Ärzten bei der OP-Vorbereitung

Vor einigen Jahren klang 3D-Druck noch nach Science-Fiction. Heute zählt die „Additive Fertigung“ zu den Wachstumsmärkten. Auch in Sachsen-Anhalt nimmt die Technik  an Fahrt auf. Forscher und Unternehmer entwickeln immer neue Möglichkeiten für den Einsatz von Produkten aus dem 3D-Drucker. Die Wege führen in alle Lebensbereiche. Einen davon hat das Magdeburger Unternehmen „M3DP Medical Devices and Prototypes“ eingeschlagen, das sich vor allem auf patientenspezifische Nachbildungen von Organen und Knochenstrukturen spezialisiert. Damit können sich Ärzte auf komplexe Operationen vorbereiten.

In der Medizin wird dem 3D-Druck eine große Zukunft vorausgesagt. Es gibt bereits Knochenimplantate für den menschlichen Körper, sogar ganze Schädeldecken aus dem 3D-Drucker wurden Patienten bereits eingesetzt. An der Rekonstruktion von Organen wird noch geforscht. „In ein paar Jahren sind sicher noch viele Dinge möglich, an die wir heute noch gar nicht glauben“, sagt Dr. Fabian Klink. Der Magdeburger ist Geschäftsführer von „M3DP“, einem Unternehmen, das sich zunehmend auf die Verbindung der 3D-Druck-Technik und der Medizin verschreibt. Für das Start-Up, das vor einem Jahr von drei promovierten Maschinenbauern aus der Taufe gehoben wurde, kristallisiert sich eine weitere Einsatzmöglichkeit für diese Kombination heraus. Immer häufiger entstehen maßgeschneiderte Organmodelle in der Fertigungshalle, die „M3DP“ in der Experimentellen Fabrik – einem Forschungs- und Transferzentrum für anwendungsorientierte Forschung – nutzt. „Damit können sich Ärzte wesentlich besser auf Operationen vorbereiten“, erklärt Klink. „Der Operateur kann jeden Schritt planen, simulieren, mit Kollegen durchspielen und geht besser vorbereitet in den OP-Saal.“

Den ersten Schritt in diese Richtung ging Dr. Fabian Klink vor sechs Jahren bei Beginn seiner Promotion. Er verbindet Maschinenbau mit der Medizintechnik, als Mediziner der Magdeburger Uni-Klinik für HNO auf die Otto-von-Guericke-Universität zukommen und nach medizinischen Modellen fragen. Das Thema interessiert ihn und zwei seiner Kollegen, die heute seine Geschäftspartner sind. Mit ihrem technischen Sachverstand tauchen sie in die Welt der Medizin ein, beschäftigen sich mit der Anatomie, schauen bei Operationen zu, sind bei Trainingskursen für Ärzte dabei. Sie „übersetzen“ Fachbegriffe und verknüpfen sie mit der 3D-Fertigung, mit der sie ohnehin „experimentieren“. Aus dem Promotionsthema wird fünf Jahre später ein Geschäftszweig. „M3DP“produziert unter anderem Modelle von Felsenbeinen für die Planung von Operationen am Innenohr.

Um einem gehörlosen oder hörgeschädigten Patienten ein Innenohrimplantat in die Hörschnecke einzusetzen, muss der HNO-Chirurg präzise einen Zugang durch das harte Knochengewebe fräsen – ohne Nerven oder Hör- und Gleichgewichtsorgane zu verletzen. „Wenn einem tauben Patienten ein Hörschnecken-Implantat eingesetzt werden muss, kann der Arzt den Einsatz bisher oft nur an ausgewachsenen Human-Präparaten simulieren und trainieren“, sagt er. „Besonders häufig wird diese Operation jedoch bei Kindern durchgeführt.“

Für die HNO-Klinik entwirft das Team, das später das Unternehmen „M3DP“ gründet, am Rechner Modelle, die sich auf Patientendaten stützen. Durch ein spezielles hochpräzises 3D-Druckverfahren entstehen authentische Operationsmodelle, die angehende und gestandene Ärzte zum Trainieren, Lernen und Planen nutzen können. Gemeinsam mit dem Magdeburger Forschungs- und Entwicklerteam der Universitäts-HNO-Klinik und der Dornheim Medical Images GmbH erhält der Lehrstuhl für Konstruktionstechnik der Otto-von-Guericke-Universität dafür 2014 den „Hugo-Junkers-Preis für Forschung und Entwicklung Sachsen-Anhalt“ in der Kategorie „Innovativste Allianzen“.

Diese Anerkennung, das gemeinsame Forschen und Entwickeln und die Möglichkeiten, spornen Fabian Klink damals an. „Als wir anfingen, uns in der Medizin zu bewegen, erkannten wir schnell, was noch alles möglich ist“, so Klink. Dass daraus sein Unternehmen erwächst, ist für ihn eine logische Folge.

Mit dem 3D-Druck stellt „M3DP“ heute neben „Trainingsmodellen“ auch immer häufiger patientenspezifische Modelle her. Dafür stellen Ärzte mit der Zustimmung des Patienten und der Klinik CT- und MRT-Bilder zur Verfügung. Bei Fabian Klink und seinem Team werden die Bilder in  Datensäte umgewandelt, die vom Drucker erfasst werden können.

In der Magdeburger Fertigung entstehen zudem 3D-Modelle, die zusammen mit Flüssigkeiten eingesetzt werden können. „Wir drucken Arterienverläufe mit realen Krankheitsbildern“, erklärt Klink. Grundlage sind auch hier echte CT-Bilder. Die Modelle aus Magdeburg nutzen Wissenschaftler beispielsweise, um mit blutähnlichen Flüssigkeiten zu testen, wie sich eine Behandlung mit Stent oder  Katheter auf das Strömungsverhalten im erkrankten Bereich auswirken. Mit den gedruckten Arterienverläufen können außerdem die Stents und medizinischen Werkzeuge weiter entwickelt werden.

„Wir bewegen uns auf einer großen Spielwiese“, sagt Fabian Klink. Er plant, sein Unternehmen  auszubauen, das medizinische Spezialgebiet zu vertiefen, aber auch das gesamte Portfolio zu vergrößern. Es spricht sich herum, was „M3DP“ produzieren kann. Ein Vorteil ist die Nähe zur Universität. Klink, der dort  wissenschaftlicher Mitarbeiter ist, pflegt die Verknüpfung von Forschung und Lehre. „Wissenschaftlicher Input ist immer wichtig. Wir verbinden ihn mit der Wirtschaft“, sagt er. Auf Messen wie der „Medica“ oder „RapidTech“ knüpft er wichtige Kontakte – zu potenziellen Kunden und Netzwerken. „Wir sind gespannt, was noch kommt“, meint er. Gerade hat er einige Innenohr-Modelle an die Berliner Charité geschickt. Und es geistern ihm noch weitere 3D-gedruckte Ideen im Kopf herum. Von Hausboot-Modellen, die eine Firma ihren Kunden zeigen könnte, bevor „echt“ gebaut wird, von individuellen Prototypen, von Fahrzeugteilen oder – zurück zum medizinischen Spezialgebiet – die Darstellungen von Gehirnen, Arterien, Schädeln und Tumoren in angefertigten Kopfphantomen. Nach Science Fiction klingt das hier in Magdeburg längst nicht mehr.

Autorin: Manuela Bock

Bildunterschrift:
Dr. Fabian Klink beim Fertigungsprozess eines 3D-Drucks in der Experimentellen Fabrik in Magdeburg.

Copyrights: Ulrich Arendt/Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

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