Neue Wege für Diabetiker: Intelligente Sohle misst Druck und Temperatur

Magdeburger Unternehmen „Thorsis Technologies“ vernetzt Forschung und Anwender

Schlaue Sohle als Soforthilfe für Diabetiker

Sie sieht unscheinbar aus, wie sie auf dem Tisch liegt. Der Geschäftsführer der Thorsis Technologies GmbH, Thorsten Szczepanski, nimmt eine Sohle in die Hand und beweist mit den ersten Sätzen, dass mehr in ihr steckt, als man auf den ersten Blick vermutet. „Diese Sohle kann Diabetikern das Leben erleichtern und Lebensqualität zurückgeben.“ Denn diese Sohle ist „schlau“. Sie ermittelt kontinuierlich Druck- und Temperaturverteilung am Fuß und hilft, Fehlbelastungen zu erkennen und Träger zu warnen. Die Idee, mittels einer Einlegesohle, zu messen, was gerade falsch läuft, ist zwar nicht neu. Aber das Magdeburger Unternehmen hat durch die Kombination von Druck- und Temperaturmessung trotzdem etwas Neues auf den Weg gebracht. Wie eine herkömmliche Sohle ist auch die von Thorsis im Drei-Schicht-System – Sohlenkern, Weichbettung und Schutzbezug – aufgebaut. Die Intelligenz steckt in der Mitte: In einer dünnen Schicht mit textilen Drucksensoren, die leicht aufgeklebt werden kann – von Herstellern oder auch von orthopädischen Schuhmachern. Die intelligente Elektroniklösung wird derzeit direkt im Unternehmen gefertigt. Auch der Kern wird hier gefräst. Die Rohlinge werden geliefert. Schicht für Schicht wird daraus eine Soforthilfe für Diabetiker.

Punktlösung für ein großes Bedarfsfeld

Dass der Bedarf für solche Lösungen vorhanden ist, lässt sich schon an der Zahl der Patienten ablesen. Mehr als eine Million allein in Deutschland müssen beispielswiese mit der Diagnose Polyneuropathie leben – leiden also unter Missempfindungen wie Kribbeln oder Brennen in den Füßen oder an Sensibilitätsstörungen. Das heißt, sie spüren Berührung, Temperatur oder Schmerz nur noch vermindert oder gar nicht mehr. Diese schlechtere Wahrnehmung von krankhaften Veränderungen an den Füßen und auch die höhere Wahrscheinlichkeit von Durchblutungsstörungen führen häufig zu Amputationen. Es gibt viele Krankheitsbilder bei Menschen, die unter Diabetes leiden, zusammengefasst werden sie unter dem Begriff „diabetisches Fußsyndrom“. Allen gemeinsam ist, dass sie Komplikationen auslösen können und bei einer zu späten oder ungenauen Behandlung eine extreme Belastung darstellen. Die ersten produzierten und eingesetzten Einlegesohlen, zeigen: Sie funktionieren so ideal wie einfach.

Denn werden Patienten gewarnt, können sie auch schon selbst rechtzeitig etwas verändern, beispielsweise die Belastung verschieben. „Das wiederum erhöht die Selbstkontrolle“, erklärt Fred Samland,  Leiter „Innovation Lab“. Und genau das gehört zu den medizinischen Zielen dieser Innovation aus Sachsen-Anhalt. Mit dieser Idee kam einst ein Professor der Universitätsklinik Magdeburg auf das Team zu, er wollte mittels Temperaturmessung Entzündungen und Fehlbelastungen ermitteln. Was ihm fehlte, war ein Unternehmen, das die technische Lösung liefern konnte, sich in die Problematik hineindenkt und Forschungsergebnisse praktisch umsetzt. An allen diesen Punkten konnte Thorsten Szczepanski einen „gedanklichen Haken“ machen.

Die ersten Schritte für das Internet of Things

Das Magdeburger Unternehmen kann auf jahrelange wissenschaftliche, technische und praktische Erfahrungen zurückgreifen. Die Geschichte von Thorsis beginnt vor einem Jahr, aber der Grundstein für das Unternehmen wurde bereits vor 20 Jahren als „ifak system“ gelegt. Als Partner des gemeinnützigen Instituts für Automation und Kommunikation ifak in Magdeburg begleitete das Unternehmen viele Projekte und Produkte. „Das war ein sehr wichtiger Abschnitt in unserer Firmengeschichte“, meint der Thorsis-Geschäftsführer. Als sich die Schwerpunkte der beiden Partner verschoben, „war es folgerichtig, jeweils die neuen Pfade zu beschreiten“, sagt Szczepanski . „Thorsis“ war geboren – übrigens ein Kunstname, der vor allem in jeder Sprache verstanden werden sollte. Hier in Magdeburg denken die 35 Mitarbeiter, vorzugsweise qualifizierte Fachleute aus der Region, grenzenlos – sowohl bei der Forschung und Anwendung als auch bei der Eroberung neuer Märkte, zunächst in Zentral-Europa, später vielleicht darüber hinaus. Die Entwicklung der Sohle jedenfalls ist inzwischen so weit vorangeschritten, dass ab Oktober in einer Studie im Rahmen des Forschungsverbundes „Autonomie im Alter“ etwa 150 Patienten die klinische Wirkung testen. Das sei ein weiterer wichtiger Schritt für die Sohlen-Produktion in größerer Stückzahl, ist sich der Geschäftsführer sicher.

Technologievorsprung bei Health-IT

Wenn es soweit ist, hat Thorsis bereits geeignete Vertriebspartner an der Seite. Die Suche danach fiel nicht schwer: Thorsis hat sich als etabliertes Unternehmen einen guten Namen erarbeitet, das auch in der Forschung und Entwicklung auf dem neuesten Stand ist. „Mit dem Fraunhofer-Institut haben wir weiterhin ein anwendernahes Institut an unserer Seite, wir arbeiten mit der Otto-von-Guericke-Universität zusammen und auch die Zusammenarbeit mit dem Technik-Campus und der  Universitätsklinik funktioniert sehr gut“, sagt der Geschäftsführer. Thorsis ist zudem in vielen Geschäftsbereichen unterwegs, hat ein breites Portfolio und großes Netzwerk. Thorsten Szczepanski sagt: „Wir haben hier gute Möglichkeiten, uns kontinuierlich einen Technologievorsprung zu verschaffen.“ Dazu gehöre, die intelligente Sohle mit Komponenten und Lösungen zu versehen, die sie noch „schlauer“ machen. Sie kann nicht nur messen, sie speichert auch Informationen und kann sie weitergeben. Mittels einer Diagnose-App können verschiedene Nutzergeräte, beispielsweise Smartphones, gekoppelt werden. Ereignisse werden mit Bluetooth übertragen. Die Daten werden gespeichert und können auf Wunsch eingelesen werden. „So ist eine tiefergehende Auswertung des Zustandes möglich“, sagt Fred Samland. „Das hilft letztlich dem Arzt oder Therapeuten bei der zielgerichteten Betreuung.“ 

Guter Ausgangspunkt für Zukunftspotentiale

Fachleute, Wissenschaftler und Kliniken haben bereits Interesse an solchen Möglichkeiten signalisiert oder Unterstützung bei der Weiterentwicklung. „Solche Netzwerke gehören auch zu den Gründen, die uns in Sachsen-Anhalt eine zielgerichtete Arbeit in der Medizintechnik ermöglichen“, sagt Szczepanski. Er könne sich gut vorstellen, dass Thorsis in naher Zeit wächst. „Und zwar hier genau an diesem Standort, wo wir ideal in die Forschungslandschaft eingebettet und die Vertriebsnetzwerke aufgebaut sind.“ Zur erfolgreichen Erweiterung des Geschäftes könnte die „schlaue“ Sohle für Diabetiker beitragen. Denn – und auch das sieht man ihr nicht auf den ersten Blick an – in ihr steckt Potenzial für weitere Produkte. Der Geschäftsführer erklärt: „Es könnten noch viele Varianten für unterschiedliche Gebiete geschaffen werden. Der Einsatz bei der Rehabilitation von Schlaganfall-Patienten ist nur eine von vielen Möglichkeiten.“

www.thorsis.com

Autor: Manuela Bock


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