Superfood neu gedacht: Zukunftsspeisen aus Sachsen-Anhalt

Neue und sehr alte Pflanzensorten trotzen dem Klimawandel

Mit innovativen, ganzheitlichen Ernährungskonzepten vom Anbau bis auf den Teller beschäftigt sich das Projekt Zukunftsspeisen aus Sachsen-Anhalt. Urte Grauwinkel und Dr. Toni Meier verfolgen seit Mai 2019 das Ziel, eine zukunftsfähige und gesunde Ernährung für alle zu ermöglichen. Mit Unterstützung von Landwirtschaftsbetrieben und Hochschulen in Sachsen-Anhalt werden neue Pflanzen etabliert, alte wiederentdeckt und innovative Anbausysteme entwickelt. Um in Zeiten des Klimawandels die gesunde Ernährung zu sichern.

Superfood enthält wertvolle Nährstoffe

Hirse, Quinoa, Kichererbsen, Hanf, Amaranth oder Buchweizen sind wichtige Lebensmittel der Zukunft. So sieht es das Projektteam der Zukunftsspeisen und nennt dafür wesentliche Gründe: Sie verfügen mit Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen über einen sehr hohen Nährstoffgehalt, sie sind glutenfrei und somit für Menschen mit Ernährungssensibilität gut verträglich - und vor allem kommen sie mit veränderten Klimabedingungen zurecht. Denn immer trockenere Sommer, immer längere Hitzeperioden, Schädlinge und Bodenerosionen setzen dem Anbau Grenzen. Die Kulturpflanzen der heutigen Zeit werden bei der fortschreitenden Klimaveränderung in einigen Jahren nur noch unter hohem Aufwand ertragreich anzupflanzen sein.

In Sachsen-Anhalt werden daher in ersten Pilotprojekten zukunftsfähige Pflanzen angebaut. Gärtnereien und Biohöfe unterschiedlicher Größe setzen bereits auf die Superfoods in Zusammenarbeit mit Zukunftsspeisen.

Klimaresiliente Landwirtschaft durch Pflanzenkohle

An erster Stelle der Ernährungs-Wertschöpfungskette steht die Landwirtschaft. Daher ist ein wesentlicher Forschungs- und Beratungsbereich des Projektes Zukunftsspeisen die klimaresiliente Landwirtschaft. Wie kann die Feuchtigkeit im Boden besser gehalten werden? Welche Kulturpflanzen sind bei veränderten Klimabedingungen zum Anbau geeignet? Wie können der Boden nachhaltig geschont und Erosionen gehemmt werden? Welche natürlichen Verfahren zur Düngung und zum Humusaufbau sind erfolgreich? All diesen Fragen gehen mehrere Forschungsteams und Studierende auf den Grund. So wurden seit Beginn des Projektes bereits zehn wissenschaftliche Abschlussarbeiten zu diesen Themen vergeben.

Ein Ansatz sind Versuche mit Pflanzenkohle, um die Feuchtigkeit besser im Boden zu halten. An zwei verschiedenen Standorten mit unterschiedlichen Bodenverhältnissen wurde die Pflanzenkohle beim Anbau von Hirse und Quinoa angewendet. „Diese Praxisversuche haben eine ganz andere Qualität als unsere Arbeiten im Labor“, so Urte Grauwinkel. „Beispielsweise werden Schwierigkeiten in der Handhabung erst sichtbar, wenn nennenswerte Anbauflächen genutzt werden.“ Zudem haben unterschiedliche Betriebsgrößen auch verschiedene Anforderungen. Die Praxisforschung und die enge Kooperation sowohl mit landwirtschaftlichen als auch mit verarbeitenden Betrieben und mit Köchen sind für sie unersetzlich, um wirklich umsetzbare Ergebnisse zu erzielen.

Vom Saatgut bis zum Tellergericht

Die Praxisforschung berücksichtigt auch den Grundsatz der Ganzheitlichkeit. „Die nachfolgenden Generationen werden keine Wahl haben, als auf ressourcenschonende Landwirtschaft und eine pflanzenbasierte Ernährung zu setzen“, so Grauwinkel. „Mit den Zukunftsspeisen wollen wir zu einer nachhaltigen Ernährungssouveränität beitragen.“ Denn zu jeder Zeit allen Menschen genügend gesunde Nahrung zugänglich zu machen, ist die Vision ihrer Arbeit. Daher sind Pflanzenauswahl, Anbau, ernährungswissenschaftliche Begleitung, Produktentwicklung und Vermarktung gleichermaßen die Herausforderungen des Projektes.

Um an geeignetes Saatgut der teils eher exotischen Pflanzen zu kommen - Quinoa stammt aus Südamerika und Kichererbsen aus den arabischen Ländern - soll eine Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben anberaumt werden.

In Zusammenarbeit mit landwirtschaftlichen Betrieben werden Pflanzenkohle, Mulchsysteme und zukünftig auch Agroforst-Systeme praktisch umgesetzt. „Wir müssen Landwirtschaft neu denken“, so Grauwinkel. „Es werden neue Landwirtschaftssysteme gebraucht, um nachhaltig den Boden zu erhalten.“ Statt auf eine stetige Intensivierung zu schauen, gilt es, zukunftsorientierte, wirtschaftliche Anbausysteme zu entwickeln. So wird beispielsweise in der Agroforstwirtschaft Altbewährtes, wie eine Mischkultur aus Bäumen und Ackerland, mit modernen Kenntnissen kombiniert. Die Ansätze aus der Praxis werden vom Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften, dem Lehrstuhl Bodenbiogeochemie der Martin-Luther-Universität Halle/ Wittenberg wissenschaftlich begleitet.

Doch was wird aus Hirse und Co.? Ernährungswissenschaftler und Mitinitiator der Zukunftsspeisen, Dr. Toni Meier, ist überzeugt, dass Superfoods aus Sachsen-Anhalt eine gute Möglichkeit sind, den Speiseplan zu erweitern. Kichererbsenkäse, Buchweizenbratlinge oder Hirsekroketten, die geschmacklich überzeugen, wurden bereits  entwickelt. Erste Vertriebskanäle sind bisher lokale und regionale Märkte. Ziel ist es, mit den Rezepturen auch Großhändler oder Supermarktketten zu überzeugen. Viele Ideen entstehen durch die Zusammenarbeit mit den Studierenden. Ein Ansatz wäre, in der Mensa Klimamenüs mit den Produkten und Rezepturen einzuführen. Denn während der Konsum von Fleisch, Butter und Milchprodukten extrem viele Ressourcen verbraucht, ist eine pflanzenbasierte Ernährung gesund, ausgewogen und klimaschonend.

Vision: Welternährung sichern

Was in Sachsen-Anhalt beginnt, soll sich langfristig möglichst weltweit verbreiten. „Denn klimaresiliente, ressourcenschonende und wirtschaftliche Anbausysteme und Pflanzen, die eine ausgewogene, leckere und gesunde Ernährung sichern, werden die Zukunft sein,“ so Grauwinkel.

Autorin: Miriam Fuchs/IMG Sachsen-Anhalt


 

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