Synergien als Nährboden für weltweit erfolgreiche Pharmaexpertise

Im BioPharmaPark Dessau werden Kochbücher für Impfstoffe und Pharmazeutika geschrieben

Im BioPharmaPark Dessau sind pharmazeutische Unternehmen angesiedelt, die nicht nur von der speziellen Infrastruktur und dem Servicenetzwerk am Standort profitieren. Aus der unmittelbaren Nähe zueinander ergeben sich Synergien in der pharmazeutischen Fertigung und Verpackung, in Qualitätskontrolle und Compliance, auch bei Forschung und Entwicklung. Betreiber des Parks ist die IDT Biologika, ein Unternehmen mit fast 100-jähriger Pharmatradition in Dessau.

„Früher ist unser Fotograf mit dem Hubschrauber über das Gelände geflogen. Jetzt lässt er Drohnen fliegen“, sagt Peter Kellner und zeigt die neuesten Fotos mit Blick auf den 120 Hektar großen BioPharmaPark Dessau in Sachsen-Anhalt – 90 Kilometer südlich von Berlin, 60 Kilometer nördlich von Leipzig gelegen. Peter Kellner ist Sprecher des Unternehmens, das biotechnologisch hergestellte Impfstoffe und Pharmazeutika zur Gesunderhaltung von Mensch und Tier entwickelt und produziert.

Hier wurden schon vor fast 100 Jahren human- und veterinärmedizinische Impfstoffe entwickelt, unter anderem gegen Tetanus, Rotlauf und Diphterie. Die IDT Biologika ist aus dem einstigen Impfstoffwerk Dessau-Tornau hervorgegangen. Aktuell hat das Unternehmen die unterschiedlichen Problemlagen in den Ländern der Welt im Fokus und findet entsprechende Lösungen. Verstärkt erobert sich die IDT Biologika mit der Entwicklung eigener Produkte vor allem im Bereich der Tiergesundheit den Weltmarkt; zum Beispiel mit einem Impfstoff gegen die Ödemkrankheit bei Ferkeln.

„Kochbücher“ für Impfstoffe und Pharmazeutika

„Zu unseren Kernkompetenzen gehört das Schreiben des Kochbuches‘“, sagt Peter Kellner. Soll heißen: Die IDT Biologika entwickelt im Auftrag internationaler Unternehmen die Technologie zur Herstellung von bakteriellen und viralen Impfstoffen.  

„Auf Kundenwunsch übernehmen wir zusätzlich zur Entwicklung von Wirkstoffen auch deren Herstellung und zählen damit zu den weltweit wenigen, die das können“, sagt Kellner und verweist auf die gesamte Wertschöpfungskette, die das Unternehmen vorhält; dazu gehören eine eigene Hochgeschwindigkeitsabfülllinie und eine  Infrastruktur, die eine Fertigungs- und Transportkette bei bis zu minus 80 Grad Celsius erlaubt. 2016 machte die IDT Biologika einen Umsatz von rund 190 Millionen Euro. Seit der Privatisierung 1993 hat die das Unternehmen rund 300 Millionen Euro am Standort  Dessau investiert.

ONCOTEC Pharma profitiert von der vorhandenen Infrastruktur

„Druckluft sowie Dampf und Wasser in Arzneimittelqualität – pharmazeutische Unternehmen  müssen sich hier im BioPharmaPark Dessau nicht selbst um eine derartige Versorgung kümmern. Das Areal ist uns infrastrukturell gut angepasst“, sagt Christin Richter, Leiterin des Business Development bei der ONCOTEC Pharma Produktion GmbH. Das weltweit agierende Unternehmen produziert aseptisch flüssige Zytostatika, also sterile Injektionslösungen in Flaschen oder Fertigspritzen. Zudem verfügt es über Anlagen, die das abgefüllte Liquidum zur Haltbarmachung gefriertrocknen. ONCOTEC bietet auf diesem Spezialgebiet die gesamte Wertschöpfungskette von der Entwicklung über die Markteinführung bis zur Produktion inklusive Sichtung und Analytik.

1997 startete das Unternehmen in Dessau mit einer Flaschen- und einer Spritzenabfülllinie. Zwanzig Jahre Wachstum und Investitionen von bisher über 43 Millionen Euro in Gebäude, Maschinen und Anlagen folgten. Derzeit ist eine robotergesteuerte Abfülllinie im Aufbau. Ende 2018 soll „Linie 5“ in Betrieb gehen und Spezialprodukte wie hochwirksame Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC) für die Chemotherapie abfüllen. „Mit dieser Investition erweitern wir unsere technologischen Voraussetzungen, um die Produktion hochinnovativer Spezialprodukte weiter auszubauen“, sagt Christin Richter.

Seit 1921 in Dessau das Bakteriologische Institut gegründet wurde, werden hier in der Region Impfstoffe erforscht und entwickelt. Ganz in der Tradition des Standortes steht die „Dr. Felgenträger & Co. Öko.-chem. und Pharma“ GmbH. Ehemalige Mitarbeiter des Forschungsinstitutes für Impfstoffe Dessau brachten die Herstellung und den Einsatz von bestandsspezifischen Impfstoffen sowie von individuell hergestellten Autovakzinen für alle Haustierarten als Geschäftsfelder in das 1990 gegründete Unternehmen ein. „Dr. Felgenträger & Co.“ bedient dabei Nischen, die durch Lücken im Angebot oder Probleme bei der Wirksamkeit von Handelsimpfstoffen entstehen. „Wir arbeiten eng mit Praktikern zusammen; mit Hoftierärzten, diagnostischen Labors, Untersuchungsämtern und Instituten“, sagt Geschäftsführer Hartmut Appl und betont die Beratung als eine der Kernkompetenzen des Unternehmens. Zusätzlich werden  diverse Arzneimittelwirkstoffe sowie Arzneimittel für die Humanmedizin hergestellt, beispielsweise zur Behandlung von Hypercholesterinämie oder Hyperkaliämie.

Merz mit Dermafillern auf Expansionskurs

Bagger und Planierraupen auf dem Gelände zeugen von baulichen Aktivitäten der Merz Group. 2018 soll hier im BioPharmaPark ihr neuer Produktionsbetrieb zur Herstellung von Dermalfillern in Betrieb gehen. „Wir werden weitere Naturwissenschaftler, Ingenieure, Pharmakanten und Chemiker einstellen“, sagt Standortleiter Michael Pfeil. Das in Frankfurt am Main ansässige Pharmaunternehmen hatte hier 2002 wegen der Zusammenarbeit mit der IDT Biologika einen weiteren Standort gegründet. „Wir finden hier das entsprechende Know-how und die fachliche Erfahrung“, sagt Michael Pfeil.

Nach dem Aufbau einer Produktionsstätte zur Herstellung des Wirkstoffs Botulinum-Neurotoxin investierte Merz am Dessauer Standort weitere 18 Millionen Euro in eine hoch moderne aseptische Produktionsstätte zur Herstellung des selbst entwickelten Arzneimittels „Xeomin“. Es wird zur Behandlung spasmatischen Erkrankungen eingesetzt. Seit 2011 ist es für den amerikanischen Markt zugelassen und wird dort als Merz-eigenes Medikament vertrieben. „Eine weitere Anwendung von Botulinum-Toxin ist die Hautglättung“, sagt Michael Pfeil und dass sein Unternehmen diesen Wirkstoff auch in Produkten für die Ästhetik einsetzt. In den neuen Produktionsbetrieb zur Herstellung von Dermafillern investiert Merz 15 Millionen Euro.

Wie auch die anderen Unternehmen im BioPharmaPark schätzt Merz – das Unternehmen hat eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung – die unmittelbare Nähe zur Wissenschaft, zu den Universitäten in Halle, Leipzig und Berlin.

IDT-Sprecher Peter Kellner spricht vom Transfer und Austausch von Pharmaexpertise: „Wir Unternehmen versetzen uns dadurch in die Lage, etwas zu leisten, was andere nicht können.“ Christin Richter von ONCOTEC bestätigt: „Wir nutzen die Synergien und Kooperationen am Standort, um unsere Produktion auch künftig den hohen Anforderungen der Kunden schnell und flexibel anzupassen.“

Autorin: Kathrain Graubaum

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