Öl wie Honig

Der russische Ostseehafen Ust-Luga ist ein Projekt der Superlative

Rund 25 Millionen Tonnen Roh- und Schweröl können von dort aus jährlich verladen und per Schiff weiter transportiert werden. Die riesige Anlage bildet den Endpunkt des baltischen Pipeline-Systems und wurde vor gut zwei Jahren eingeweiht. Beim Verladen des Rohöls setzten die russischen Experten von Anfang an auf ein Qualitätsprodukt aus Mitteldeutschland: Das Wärmeträgeröl XW 15 der Firma ADDINOL Lube Oil GmbH aus Leuna. Es sorgt dafür, dass das Öl in den Tanks auch im eisigen russischen Winter fließ- und pumpfähig bleibt.

Öl ist ein bisschen wie Honig: Bei Kälte verliert es seine weiche Fließfähigkeit und wird zu einer zähen Masse. In diesem Zustand ist es nicht mehr transportfähig. Um das zu verhindern, wurde im russischen Hafen Ust-Luga, der rund 130 Kilometer südwestlich von Sankt Petersburg liegt, eigens eine spezielle Wärmeübertragungsanlage gebaut. „Darin zirkulieren inzwischen rund 1.350.000 Liter Wärmeträgeröl aus Leuna. Sie halten das Rohöl in den Tanks auf Temperatur,“ erklärt Frank Merbitz. Der Diplomchemiker ist bei der in Leuna ansässigen Firma ADDINOL Lube Oil GmbH in der Anwendungstechnik tätig. Das ist die Abteilung, die sich als Bindeglied zwischen Forschung und Entwicklung einerseits, und der Anwendung beim Kunden andererseits versteht. Sie war gemeinsam mit dem russischen Tochterunternehmen an der technischen Abwicklung des Großprojekts beteiligt.

„Wärmeträgeröle arbeiten in der Regel im Dauereinsatz und müssen viele Jahre störungsfrei funktionieren,“ sagt Frank Merbitz. Ihr Siedepunkt muss möglichst hoch liegen, denn nur so lässt sich in geschlossenen Systemen wie etwa in einer Wärmeübertragungsanlage ein sicheres Erhitzen garantieren. Zugleich muss ihre Viskosität so gut sein, dass auch unter Extrembedingungen ein Erwärmen bei möglichst geringer Energiezufuhr möglich ist. Die Anforderungen an die Anlage in Ust-Luga lagen besonders hoch: Fünf Jahre garantierte Einsatzzeit wurde von den russischen Partnern gefordert und außerdem eine besonders hohe Temperaturbeständigkeit. „Die Messlatte bei derartigen Produkten liegt international enorm hoch. Deshalb ist es auch keine Selbstverständlichkeit, wenn man eine solche Ausschreibung gewinnt“, sagt Chemiker Merbitz. Schließlich sind nicht nur die Ansprüche an die Qualität des Produkts hoch, auch die Logistik, sprich der Transport zum Einsatzort, spielen eine entscheidende Rolle.

Das Leunaer Wärmeträgeröl gelangte schließlich auf dem Landweg nach Russland. Eine andere Variante war schlicht nicht möglich. Denn der Hafen in Ust Luga war seinerzeit noch im Bau, Schiffe konnten noch nicht im größeren Stil anlanden. Ein Transport per Eisenbahn schließlich, wäre zu teuer gewesen, denn in diesem Fall hätte das Wärmeträgeröl kostspielig aus den Eisenbahnkesselwagen herausgepumpt werden müssen. Und so blieb nur der Transport per LKW übrig.

Das Leunaer Wärmeträgeröl gelangte schließlich auf dem Landweg nach Russland. Was sich zunächst einfach anhört, war jedoch eine logistische Herausforderung, denn das Produkt musste in großen Mengen und in möglichst kurzer Zeit aus Mitteldeutschland zum Einsatzort an der russischen Ostseeküste gelangen.

„Das war eine Meisterleistung unserer Logistikabteilung“, sagt Merbitz. Immerhin galt es beim Transport, rund 2000 Kilometer auf zum Teil sehr unwegsamen Straßen zu überwinden. Aufgrund der enormen Größe der Lieferung mussten gleich mehrere Speditionen beauftragt werden. Und weil die Verhältnisse so schwierig waren, kamen für den Transport statt der sonst üblichen Tankfahrzeuge geländegängige Trucks zum Einsatz.

In der Startphase verließen zunächst zehn mit Containern voll beladene Fahrzeuge das Firmengelände in Richtung Russland. Doch schon an der Grenze gab es die erste große Unterbrechung: Der Konvoi wurde von den Behörden gestoppt. Die Ladung wurde penibel untersucht, zwei volle Wochen dauerte es, bis alle Zollformalitäten erledigt waren. Wenig später dann die nächste Überraschung: Ein paar Kilometer vor dem Ziel hörte die asphaltierte Straße einfach auf. Die LkW waren so gezwungen, das letzte Stück des Weges auf einer sandigen Trasse voller Schlaglöcher zurückzulegen. Doch schließlich kamen sie wohlbehalten ans Ziel, und nach ihnen noch viele weitere Transporte. In nur drei Monaten kamen auf diese Weise fünfzig Fahrzeuge aus Leuna in Ust-Luga an. Jeder von ihnen hatte 22 Container mit je 1.000 Liter Wärmeträgeröl geladen.

Inzwischen arbeitet das Öl aus Leuna in Ust-Luga zuverlässig und störungsfrei. „Es ist ein hochwertiges Produkt“, sagt Frank Merbitz, „und seine Qualität wird vor Ort regelmäßig untersucht.“ Bisher gab es keine Beanstandungen. Merbitz, der das Projekt von Anfang an begleitet hat, ist auch erleichtert: „Große Projekte wie dieses, in die mehrere ausländische Partner involviert sind, sind nicht durchweg berechenbar. Auch deshalb sind wir froh, dass alles geklappt hat und sich der Aufwand und unsere Arbeit gelohnt haben. Und: Wir sind auch ein bisschen stolz.“

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