„Wer immer nur den Spuren folgt, wird nie neue Wege gehen“

In Magdeburg wird am Automobil der Zukunft geforscht

Vor allem im Institut für Kompetenz in AutoMobilität (IKAM) werden die Forschungen aus dem Bereich Automotive gebündelt. Wie können wir in Sachsen-Anhalt mit innovativen Antriebskonzepten punkten? Wie weit sind wir in Sachen neue Mobilität. Ein Interview über das Auto der Zukunft, der Besinnung auf Tradition und den Mut, neue Wege zu gehen. Prof. Dr.-Ing. Jens Handler von der Fakultät für Maschinenbau der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität forscht auf dem Gebiet innovativer Antriebstechnologien. Er ist sich sicher, dass Sachsen-Anhalt wesentliche Beiträge zu neuen Mobilitätskonzepten leisten kann.

Lassen Sie uns visionär und zugleich praktisch sein! Wie sieht das Auto der Zukunft aus?
Prof. Dr.-Ing. Jens Hadler:
Das zukünftige Auto wird sich deutlich vernetzter und assistierter beziehungsweise autonomer darstellen als heute. Unabhängig davon bleibt der Antrieb ein, wenn nicht der, emotionalste Bestandteil des Autos.

Können Hybridantriebe und Elektroautos die individuelle Mobilität sicherstellen? Oder müssen wir auch künftig mit Verbrennungsmotoren rechnen?
Prof. Dr.-Ing. Jens Hadler: Zum Glück können wir uns auch zukünftig auf Verbrennungsmotoren verlassen. Sie werden wegen ihrer überzeugenden Eigenschaften das Gros der Transportaufgabe von Gütern und Personen bewältigen. Der Grad der Elektrifizierung wird die Herausforderung für die Grundauslegung der zukünftig weiter optimierten Antriebstränge sein. Die reine Elektromobilität wird sich ausgehend vom Pedelec, über Fahrzeuge für die emissionsfreie Kurzstreckenmobilität bis hin zu sportiv ausgelegten Sonderanwendungen, ein Einsatzfeld erarbeiten. Der Plug-In Hybrid stellt zurzeit den besten Kompromiss aus beiden Welten dar, er ist von der Grundauslegung ein Verbrennungsmotor mit Zusatzfunktionalität.

Wie muss man sich die Forschung an der Motorenentwicklung vorstellen? Welche Verfahren und Methoden wenden Sie dabei an?
Prof. Dr.-Ing. Jens Hadler:
Wegen der Komplexität der Gesamtaufgabe sind neben den Ingenieurwissenschaften viele weitere Disziplinen der naturwissenschaftlichen Forschung beteiligt. Von Grundlagenfragen der Materialforschung über die Thermodynamik und Strömungslehre, sowie Kinetik der chemischen Prozesse und die Welt der Elektronik, Mechatronik bis zu Algorithmen der Regelungstechnik reichen die Anforderungen. Die grundsätzliche Herausforderung ist, dass alles miteinander vernetzt ist. Die Aufgabenstellungen sind immer mehrdimensional und damit ergeben sich Handlungsräume und Handlungsfelder, das ist das Schöne an der Motorenentwicklung.

Wann wird es normal sein, mit einem Elektro-Auto zu fahren? Welche Voraussetzungen müssen dafür noch geschaffen werden?
Prof. Dr.-Ing. Jens Hadler:
Für einige Menschen wird es schon in den nächsten Jahren normal sein. In welchem Maße das Elektrofahrzeug global betrachtet zur Normalität wird, hängt von vielen Faktoren ab und kann heute nicht seriös prognostiziert werden. Die Herausforderung beim Elektro-Auto ist die Reichweite, und damit die Dichte des Energiespeichers. Die Batterie ist der limitierende Faktor. Um eine hinreichende Fahrstrecke darzustellen, ist sie heute noch zu schwer beziehungsweise zu teuer. Es wurden bereits große Fortschritte erreicht, aber für eine nachhaltige Lösung bedarf es noch deutlicher Verbesserungen.

Die Ressourcen werden weltweit knapper, die Anforderungen an den Umweltschutz und zu Abgasgrenzwerten sowie zur Reduktion von Verbrauch und Emission werden zunehmend wichtiger. Wie beeinflusst das die Motorenentwicklung?
Prof. Dr.-Ing. Jens Hadler:
Zuerst müssen wir uns über Begrifflichkeiten verständigen. Wenn man mit Ressourcen fossile Energieträger meint, bin ich ganz dabei. Diese sind endlich, so lange wir mehr entnehmen, als im gleichen Zeitraum neu gebildet werden. Das Ziel muss eine Kreislaufwirtschaft nachhaltiger Ressourcen sein. Wenn es uns gelingt, regenerativ gewonnene Energieträger in einem Kreislauf den Fahrzeugen der Zukunft zur Verfügung zu stellen, haben wir die Aufgabe gelöst. Bei den Emissionen dürfen wir keine Anlagerungen von Schadstoffen erzeugen, sei es lokal beim Herstellen und Betreiben der Fahrzeuge oder global bei der Bereitstellung des Energieträgers. Beiden Anforderungen trägt die Motorenentwicklung durch ihre Weiterentwicklung Rechnung. Dabei sind die unterschiedlichsten Gebiete der Powertrain-Entwicklung betroffen. Exemplarisch sind die Thermodynamik, die Abgasnachbehandlung, die Reibungsreduzierung, die Elektronik, die immer stärkere Systemintegration von Motor und Getriebe sowie die zunehmende Vernetzung des Antriebsstranges mit anderen Komponenten und Systemen des gesamten Fahrzeugs zu nennen.

Wie können wir in Sachsen-Anhalt mit innovativen Antriebskonzepten punkten? Und wie sehen diese aus?
Prof. Dr.-Ing. Jens Hadler:
Wir müssen uns auf unsere Stärken und Vorteile besinnen und diese fokussiert ausbauen. Wir haben gute, motivierte Studenten, denen wir eine herausfordernde Ausbildung bieten. Zusammen mit der Politik müssen wir die Rahmenbedingungen für Grundlagenforschung und industrienahe Forschung kontinuierlich verbessern. In den Ingenieurwissenschaften müssen wir die angehenden Absolventen früh mit aktuellen Fragestellungen der Industrie in Kontakt bringen, damit sie den Puls der Zeit fühlen können. Dazu bedarf es gut vernetzter Lehrveranstaltungen und einer universitären Ausstattung, die im Vergleich zur Industrie nicht hintenanstehen darf. Wir brauchen den Mut, auch mal etwas anders zu machen. Wer immer nur den Spuren folgt, wird nie neue Wege gehen.

Wie beurteilen Sie die Innovationskraft zum Thema neue Mobilität bei uns in Sachsen-Anhalt? Wie weit sind wir? Was passiert bei uns im Land?
Prof. Dr.-Ing. Jens Hadler:
Ich denke, wir brauchen die vielen kleinen Schritte, das involviert sein. Das heißt: den kontinuierlichen Kontakt mit der Industrie, die Evolution. Sachsen-Anhalt hat die Chance, aus der Verbindung der historisch basierten Stärken bezüglich naturwissenschaftlicher sowie ingenieurtechnischer Forschung und Ausbildung im Zusammenhang mit einer traditionellen kompetenzstarken Maschinenbauindustrie wesentliche Beiträge zu neuen Mobilitätskonzepten zu leisten.

Wir stehen an der Schwelle eines neuen Mobilitätszeitalters, welche Chancen ergeben sich daraus - gerade für Sachsen-Anhalt? Können wir mit den traditionellen Erfahrungen aus dem Maschinenbau punkten?
Prof. Dr.-Ing. Jens Hadler: Der Volksmund sagt: „Das Bessere ist des Guten Feind“. Müssen wir uns auf etwas absolut Neues einstellen oder wird es um ein Ergänzen von Vorhandenem gehen? Mobilität hat so viele Facetten und Herausforderungen, dass eine allumfassende Antwort schwer fällt. Gehen wir aber von unseren Stärken aus und greifen uns die Chancen, die sich uns bieten, so bleibt festzuhalten, dass der Maschinenbau eine gute Grundlage ist. Die Elektrifizierung im Antriebsstrang bringt eine neue Komponente, die es zu integrieren gilt. Dafür gilt es eine spezielle Integrationskompetenzaufzubauen. Hier ist ein kleines Pflänzchen gelegt, das aber noch der Pflege und Förderung bedarf.

Bildunterschrift: Prof. Dr.-Ing. Jens Hadler (Bildrechteinhaber)
Autorin:
Manuela Bock

Kontakt
Telefon: +49 (0) 391/5 97 99 31 68
www.ikam-md.de

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