Future of Food- Die Wilde-7 aus Sieben Linden

Der online-Versand verschickt ökologisch wachsende, essbare  Wildkräuter

Jörg Zimmermann greift zum Pflückkorb. Ja, auch jetzt im Winter seien Wildkräuter zu finden. Er zählt auf: Giersch, Taubnessel, Vogelmiere, Schafgarbe, ... Die Zahl der Deutschen, die sich davon ernähren, wächst. Aber wo sind die wild wachsenden Vitaminbomben zu finden? Und wie sehen sie aus? Die Wenigsten wissen das. Jörg Zimmermann hat daraus eine Geschäftsidee entwickelt und gründete 2008 im altmärkischen Ökodorf Sieben Linden die Wilde-7, einen Versand von essbaren ökologischen Wildkräutern. Im April können alle Fans der grünen Power-Gewächse aufatmen. Dann beginnt die neue Saison.

Jörg Zimmermann lenkt seine Schritte in Richtung Bauwagen. Der erinnert an die Kinder-Erklärsendung „Löwenzahn“, die mit ihren interessanten Themen aus Natur und Umwelt auch viele Erwachsene vor den Fernseher lockt. Schnell kommt das Gespräch auf „wussten Sie schon, dass die Blütenblätter von Tulpen, Stockrosen, Malven oderGeranien essbar sind? Dass Wildkräuter wegen ihres hohen Anteils an Bitterstoffen die Fettverbrennung ankurbeln? Dass sie wegen ihres hohen Chlorophyllgehalts zur Stärkung des Immunsystems beitragen? Dass viele Wildkräuter mehr Vitamin C enthalten als eine Zitrone?“ Vogelmiere, Franzosenkraut und Gartenmelde würden mehr Eisen enthalten als Kopfsalat oder Spinat, sagt Jörg Zimmermann, Inhaber des online-Versandes „Wilde-7“. Seine Kunden müssen sich allerdings noch bis April gedulden. Das liegt in der Definition des Begriffes „Wildkräuter“ begründet: „Die wachsen und vermehren sich ohne Zutun des Menschen“, erklärt Zimmermann. Was im Umkehrschluss bedeutet: „Erst wenn sie Triebe bilden, beginnt die Ernte im großen Stil; vorher nur für seinen Eigenbedarf.“

Der Bauwagen von Jörg Zimmermann darf noch ein paar Wochen im Winterschlaf ruhen, bevor hier wieder Kräuter gewogen, in Versand-Tüten verpackt und etikettiert werden. Vom Packtisch unter dem Fenster aus hat man einen Blick über acht Hektar Gartenland bis hin zum Ökodorf Sieben Linden. 2003 kam Jörg Zimmermann, der auf rein pflanzlichen, bio-veganen Landbau spezialisiert ist, hierher. Er wurde als einer der Gärtner angestellt, die für die Dorfgemeinschaft arbeiten. Der gebürtige Berliner hatte an der Humboldt-Universität angefangen, Agrarwissenschaften zu studieren und wechselte seiner ökologischen Ausrichtung wegen an die Universität Kassel. Schon während des Studiums, erzählt Zimmermann, sei er durch ein Fachmagazin auf das Ökodorf in der Altmark aufmerksam geworden. Sieben Linden ist ein Ortsteil von Beetzendorf im Norden Sachsen-Anhalts. Sicher gäbe es noch ein paar andere Ökodörfer in Deutschland, aber hier würden die Strukturen, die sich die Gemeinschaft gegeben hat, gut zur Lebensweise seiner eigenen Familie passen, sagt der bio-vegane Gärtner. Er selber ist ein überzeugter Rohköstler. Gehört also zu jenen, die sich von naturbelassenen Lebensmitteln ernähren, Obst und Gemüse nicht über 42 Grad erhitzen, um die darin enthaltenen Vitamine, Mineralstoffe, Enzyme und Proteine nicht zu zerstören.

Nach Angaben des Vegetarierbundes gibt es unter der deutschen Bevölkerung knapp acht Millionen Vegetarier, das sind zehn Prozent der Bevölkerung. Etwa 900.000 Deutsche leben vegan. Nach Schätzungen des Verbandes gibt es innerhalb dieser Gruppe einige tausend „strenge“ Rohköstler. Hinzu kommt die wachsende Schar der „Teilzeit-Rohköstler“, die möglichst oft oder über einen gewissen Zeitraum ausschließlich frische und nicht erhitzte Nahrung zu sich zu nehmen.

Doch nicht nur bei denen stehen Wildpflanzen auf der Zutatenliste. Vor allem gesundheitsbewusste Städter bestellen bei der Wilden-7  – hauptsächlich aus Mangel an Zeit und Gelegenheit, die Kräuter selbst zu sammeln, um damit ihre Speisen schmackhaft und vital anzureichern, weiß Jörg Zimmermann. In der Saison sind er und seine Helfer schon bei Sonnenaufgang draußen auf dem dorfeigenen Gartengelände, um die noch vom Tau benetzten Kräuter zu pflücken. Frisch verpackt werden sie an 80 bis 100 Kunden pro Woche verschickt. „Da kommen wöchentlich 15 bis 20 Kilogramm Kräuter zusammen“, sagt der Öko-Gärtner. Sein Hauptprodukt ist die „Saisonmischung“, bestehend aus bis zu 30 verschiedenen Wildpflanzen. Was man sonst noch bestellen kann, ist im online-Shop aufgelistet und beschrieben. „Auf Wunsch kommen wir auch in den heimischen Garten, um mit dem Kunden gemeinsam zu schauen, welche Wildkräuter dort wachsen“, Jörg Zimmermann spricht da für sich und für seinen Geschäftspartner Michael Schönefeldt. Der examinierte Physiotherapeut aus Sieben Linden beschäftigt sich speziell mit der heilenden Wirkung von Wildkräutern.

Ihr Wissen um den bio-veganen Anbau und die Wildkräuter hat die Wilde-7 auch in die internationale Lernpatenschaft „Future of Food“ eingebracht. 2014 und 2015 wurde das EU-Projekt innerhalb des Grundtvig-Programms für Erwachsenenbildung gefördert. „Wir haben mit Partnern aus den Niederlanden, aus Spanien, Ungarn und Irland Lehrmaterialien erarbeitet und gute methodische Anregungen für unsere regelmäßigen Seminare und Workshops mit nachhause genommen“, erzählt Jörg Zimmermann. Einen großen Erkenntnisgewinn hätten die Tage gebracht, an denen man sich gegenseitig besuchte und die Betriebe der Partner kennenlernte. Auf solchen Wegen wachse Europa wirklich zusammen, meint der Landwirt.

Allerdings habe man das problematische Thema „Future of Food“ sehr deutlich vor Augen, wenn man sich die Welt anschaut. Jörg Zimmermann und seine Mitstreiter bringen sich mit ihrem profunden Fachwissen ein in den Austausch über Praktiken eines nachhaltigen Lebensstils. „Wir wollen als gesunde Menschen auf einem gesunden Planeten leben“, sagt er.

Autorin: Kathrain Graubaum (Text/Foto)

Bild: Jörg Zimmermann aus dem Ökodorf Sieben Linden ist spezialisiert auf rein pflanzlichen, bio-veganen Landbau. 2008 gründete er den Wildkräuterversand Wilde-7.

http://shop.wilde-7.de

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