Motoren made in Sachsen-Anhalt

VEM Motors will Absatzmarkt Kuba reaktivieren

Im Versandbereich der VEM motors GmbH in Wernigerode stapeln sich  Kartons. Nach Finnland, Schweden, Russland, Polen, in die USA und in viele andere Länder werden sie in diesen Tagen auf Reisen gehen. Die Motoren, die in den unscheinbaren Pappkartons  verpackt sind, haben eines gemeinsam: An ihnen sind kleine, silberfarbene Plaketten angebracht, die den Namen VEM motors in alle Welt tragen.

In jedem Karton steckt ein Einzelstück, eine Spezialanfertigung. Während zu DDR-Zeiten im Vorgängerbetrieb, dem VEB Elektromotorenwerk Wernigerode, in der Regel 100 oder sogar 150 Motoren gleicher Bauart gefertigt wurden, gibt es jetzt oft Einzelstücke. Das ist aufwändig, aber eine Nische, in der das Unternehmen fortbestehen und Erfolge feiern kann. „Konstruiert und gebaut wird genau das, was den Anforderungen des Kunden entspricht“, erklärt Vertriebsleiter Ulrich T. Beholz. „Individualisierte Qualitätsprodukte sind das Pfund, mit dem wir wuchern können, auf diesem Markt sind wir wettbewerbsfähig. Massenware können andere zu günstigeren Preisen anbieten, das ist nicht unser Metier.“

Das Unternehmen, das am Wernigeröder Standort derzeit über 500 Mitarbeiter beschäftigt, ist einer der bedeutendsten Hersteller von Niederspannungsmotoren in Deutschland. Wenn der Vertriebsleiter den Computer anwirft, um Referenzen zu zeigen, sorgt er für Verblüffung. Auf Bohrinseln im Golf von Mexico, auf dem Flughafen London-Heathrow, in britischen und italienischen Schnellzügen und auf Hafen-Krananlagen in den USA – überall laufen Motoren „Made in Sachsen-Anhalt“. In der Heimat weiß, außer den Mitarbeitern natürlich, kaum jemand, dass in der Halle am Stadtrand von Wernigerode Aufträge aus allen Ecken der Welt eingehen. „Gerade werden zwei neue Aida-Kreuzfahrtschiffe auf der Mitsubishi-Werft in der japanischen Stadt Nagasaki gebaut. VEM motors liefert dafür alle Motoren im Niederspannungsbereich, also zum Beispiel für Lüfter und Pumpen“, ergänzt Ulrich T. Beholz.

Den Zuschlag für solche Aufträge bekommt das Wernigeröder Werk, weil VEM in der Branche einen Namen hat. Einen Namen für Motoren, die besonders leise laufen, die extreme Hitze aushalten, explosionsgeschützt sind, die kaum vibrieren oder extra für warme und feuchte Bedingungen gefertigt wurden. „Die Produkte, die unser Werk verlassen, zeichnen sich durch eine außerordentliche Betriebszuverlässigkeit, eine lange Lebensdauer, hohe Motorwirkungsgrade und Umweltfreundlichkeit aus“, fasst der Vertriebschef die Stärken zusammen. Das Hauptargument für den Verkauf sei im Ausland aber nach wie vor der gute Ruf der „Marke Deutschland“. Deutsche Produkte genießen nach wie vor eine hohe Wertschätzung, das gilt auch und vor allem für den Maschinen- und Anlagenbau.

Während manche Unternehmen zwar mit der deutschen Herkunft werben, aber in Wirklichkeit gar nicht mehr hier fertigen lassen, betreibe VEM motors keinen Etikettenschwindel, betont Ulrich T. Beholz: „Um so wenig wie möglich auf Zulieferer angewiesen zu sein und flexibel auf Anfragen reagieren zu können, machen wir viel selbst. Unsere Mitarbeiter stanzen, gießen, bearbeiten die Materialien hier vor Ort und prüfen die Motoren, bevor sie an die Kunden rausgehen. Wenn man den Produktionsprozess komplett im Haus hat, kann man die Qualität besser überwachen.“

Manch Kunde aus dem Ausland komme extra nach Wernigerode, um sich von der Fertigung in Deutschland ein Bild zu machen und zuzuschauen, wie der in Auftrag gegebene Motor entsteht.  Mit etwas Glück kann Ulrich T. Beholz bald auch Gäste aus Kuba begrüßen – denn dorthin macht er sich im November auf den Weg, um Geschäftskontakte zu knüpfen. Er ist Teilnehmer einer Delegationsreise des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt. Zusammen mit Minister Hartmut Möllring wollen Vertreter von hiesigen Unternehmern die Marktsituation in Kuba erkunden und sich auf der Industriemesse FIHAV in Havanna präsentieren.

„Zu Kuba sind die Kontakte Mitte der 1990-er Jahre eingeschlafen“, sagt Beholz. „Jetzt, wo Kuba sich öffnet, möchten wir diese gern wieder aktivieren.“ Die Chancen stehen nicht schlecht. In der Vergangenheit wurden mehrere Werke komplett mit Motoren aus Wernigerode ausgestattet. „Sicherlich ist dort inzwischen eine Modernisierung der Anlagen nötig. Ich sehe zum Beispiel auch Einsatzmöglichkeiten für unsere Antriebe in der Zuckerindustrie.“

Die Fühler auszustrecken nach neuen Märkten, an Neuentwicklungen zu arbeiten und nicht stillzustehen, ist das, was VEM motors und die anderen Betriebe der VEM-Holding auszeichnet. „Wir wollen unseren Mitbewerbern immer einen Schritt oder wenigstens einen halben voraus sein“, sagt Beholz. „Deshalb haben wir eine eigene Entwicklungsabteilung, die an neuen Designs arbeitet und neue Materialien testet.“

Damit die innovativen Antriebe für Industrie, Schiffbau, Energiewirtschaft, Verkehrstechnik und Bergbau dann auch möglichst viele Abnehmer finden, unterhält die Firmengruppe ein Vertriebsnetz mit eigenen Niederlassungen und Partnern in Europa, im Nahen und Mittleren Osten, in Asien und Amerika. „Wir bauen dieses Netz weiter aus, damit die Kunden in ihrer Nähe einen Ansprechpartner finden“, sagt Ulrich T. Beholz. Dabei sei es einfacher, gute Mitarbeiter für den Vertrieb zu finden, als Facharbeiter und Ingenieure für den Elektromaschinenbau. „Wir setzen deshalb auf unsere eigene Kraft, bilden selbst aus und arbeiten eng mit dem Fachbereich Automatisierung und Informatik der Hochschule Harz zusammen.“

Dass die Mitarbeiter dem Unternehmen dann auch für längere Zeit die Treue halten, ist wahrscheinlich. Denn viele Mitarbeiter der VEM-Gruppe loben das Betriebsklima: Anfang des Jahres wurde VEM  im „FOCUS“-Ranking der besten Arbeitgeber 2015 auf Platz 1 der Branche Maschinen- und Anlagenbau gewählt. Die Zeitschrift hatte über die Internet-Plattform „Xing“ Angestellte und Arbeiter aus allen Hierarchie- und Altersstufen befragt. „Auf solch ein Ergebnis kann man schon stolz sein“, freut sich Ulrich T. Beholz. Der erste Platz im Ranking wurde prompt auch auf den Schreibtischen sichtbar: Hier landeten unzählige Initiativ-Bewerbungen.

 Autorin: Dana Toschner

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