Wissenschaft und Wirtschaft gehen Hand in Hand.

Israelisches Zahnimplantat wird in Halle getestet.

Die israelische Firma DenTack Implants (Ltd.) und die Martin-Luther-Universität gehen gemeinsame Wege: Im Sommer 2014 wurde zwischen dem Hersteller von Zahnimplantaten aus der Nähe von Tel Aviv und der Universitätsklinik für Mund,- Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie eine Forschungskooperation besiegelt. Den Kontakt hatte die Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt (IMG) im Rahmen der Auslandsakquisition aufgebaut. In einer Studie wird nun in Halle/ Saale ein neuartiges Implantat-System der Israelis untersucht. - Mit Vorteilen für beide Seiten. Report INVEST sprach darüber mit dem Facharzt für Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Dr. Waldemar Reich, der an der Uni Halle eine spezielle Sprechstunde für Implantologie anbietet, und der die Studie begleitet.

Implantate gehören seit den 1980er Jahren zu den etablierten Behandlungsmethoden in der Zahnmedizin. Wie muss man sich diesen Zahnersatz vorstellen?

Reich: Herkömmliche Implantate bestehen aus Titan, besitzen die Form einer Schraube und sind je nach Hersteller mindestens zwischen 8 und 10 Millimeter lang. Man kann sie in den Kiefer einpflanzen, wenn üblicher Zahnersatz, also Kronen, Brücken oder die Versorgung mit einer Prothese, nicht mehr möglich sind. Damit wird eine Zahnwurzel künstlich nachempfunden. Daran lässt sich Zahnersatz anbringen, üblicherweise nach einer Heilungsperiode, deren Dauer von der Knochenfestigkeit abhängt. Diese Methode ist bewährt und kann bei Patienten nach einem Unfall genauso angewendet werden wie bei Senioren, die keine natürlichen Zähne mehr haben oder auch bei Patienten nach einem Krebsleiden in der Mundhöhle. Doch es gibt ein Problem: Wenn der Zahnverlust lange zurückliegt, bildet sich das Knochengewebe im Kiefer zurück. Dadurch stehen die für eine Implantation notwendigen 8 bis 10 Millimeter oft nicht mehr zur Verfügung. Um diesen Patienten dennoch zu helfen, muss Knochengewebe aus anderen Körperregionen in den Kiefer verpflanzt werden. Das ist zum Teil sehr aufwändig und für die Patienten beschwerlich. Deshalb steht die Frage im Raum, ob es Alternativen für diese Standardbehandlung gibt. Eine solche können kürzere Implantate sein, wie sie u. a. die Firma DenTack herstellt. Sie bietet ein kurzes Implantat mit einer Besonderheit an.

Was ist das Besondere daran?

Reich: Das Produkt aus Israel ist expandierbar, weshalb wir uns auch sehr dafür interessiert haben. Das bedeutet: während des Einsetzens wird es im Kiefer (ähnlich wie ein Spreizdübel) aufgedehnt. Dieses Aufspreizen bewirkt eine Zunahme der Kontaktfläche zum Knochen und eine deutliche Entlastung des Gewebes unter funktionellen Belastungen an der Eintrittsstelle zum Knochen. Letzteres ist für den Langzeiterfolg von Bedeutung. Und es sorgt trotz seiner limitierten Länge von etwa 7 Millimetern für die nötige Stabilität. Das konnte die Firma DenTack im Rahmen von In-Vitro-Studien bereits belegen.

Das neue System ist also bereits zugelassen?

Reich: Ja. Aber es existieren noch keine langjährigen Erfahrungen damit. Deshalb sind klinische Tests erforderlich. Aus diesem Grund war der Vizepräsident des israelischen Start-Ups, Oz Vachtenberg, im Sommer eigens in Halle/ Saale, um das Implantat-System in unserer Klinik vorzustellen. Anschließend haben wir die besagte Studie vereinbart. Darin wollen wir die Erfolgsrate testen und außerdem aus Sicht der Patienten das untersuchen, was wir „mundgesundheitsbezogene Lebensqualität“ nennen. Schließlich ist die Länge des Implantats für die Patienten völlig unwichtig, für sie zählt nur, wie gut sie mit einem am Implantat befestigten Zahnersatz Essen, Kauen und Sprechen können.

Wie funktioniert eine solche Studie und was geschieht mit den Ergebnissen?

Reich: Im Vorfeld haben wir ein solides Konzept entwickelt und das erforderliche Votum der Ethikkommission eingeholt. Im Juli 2014 wurde dann bei der ersten Patientin das neue System eingepflanzt. Bei dieser Operation war auch ein Vertreter von DenTack anwesend. Ziel der klinischen Studie ist es nun, so viele Patienten in die Studie einzuschließen, bis 100 Implantat-Systeme eingepflanzt worden sind. Die Studienteilnehmer werden prospektiv beobachtet. Das bedeutet: neben der ärztlichen Untersuchung werden zu verschiedenen Zeitpunkten vor und nach dem Eigriff international standardisierte Fragebögen beantworten. Außerdem messen wir die Stabilität des Implantats zum Zeitpunkt des Einsetzens und vor Eingliederung des Zahnersatzes. Von den Ergebnissen versprechen wir uns Aussagen über die Stabilität und die Lebensqualität der Patienten sowie eine Prognose zur Haltbarkeit also zum Behandlungserfolg mit dieser Methode.

Worin liegen die Vorteile einer solchen Zusammenarbeit?

Reich: Als Universitätsklinik sind wir generell an neuen Forschungsergebnissen interessiert. Unser Ziel ist es solide Wissenschaft zu betreiben und die Veröffentlichung der Ergebnisse in einer renommierten Fachzeitschrift. Aber auch DenTack hat etwas davon. Für ein kleines Start-Up-Unternehmen bedeutet eine klinische Studie auch Renommee. Zudem können unsere Ergebnisse helfen, das System zu optimieren. Wenn sich ein solches oder ähnliches System bewährt, hilft es in erster Linie den Patienten, weil die bisher üblichen Verpflanzungen von Knochen für bestimmte Patienten wegfallen und so weniger Eingriffe pro Patient die Folge wären. Das wiederum senkt voraussichtlich die Behandlungskosten für Kliniken und Krankenkassen gleichermaßen. Es ist also ein Gewinn für alle Seiten.

Autorin: Ines Godazgar
Kontakt:
Dr. Waldemar Reich
Universitätsklinik und Poliklinik für Mund,- Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie
Ernst-Grube-Straße 40
Halle/ Saale
Tel: 0345/557-5244
Mail: waldemar.reich@medizin.uni-halle.de

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