Zweites Leben auch für den Herzkatheter

Antje Grone hält einen unscheinbaren dünnen Schlauch in den Händen, der über Leben oder Tod entscheiden kann. „Das ist ein High-Tech-Produkt der Medizintechnik, wie es in allen hoch entwickelten Ländern tausendfach zur Behandlung von Herzrhythmusstörungen eingesetzt wird, sofern die Kosten bezahlt werden können“, erklärt die junge Frau, die seit zwei Jahren die AscaMed, das Aufbereitungszentrum der Pioneer Medical Devices AG in Aschersleben leitet. Das Problem dabei ist, dass die meist 1.500 Euro, in einigen Fällen sogar 3.000 Euro teuren Katheter laut vielen Herstellerhinweisen bislang als Einweg-Material gelten. Nach dem Gebrauch landen daher die teuren Geräte meist im Müll, so, als wären es billige Einweg-Spritzen.

Hinter dem kleinen Bürotrakt der AscaMed wird jedoch längst daran gearbeitet, aus dieser Wegwerfpraxis einen vernünftigen Kreislauf zu machen. Basierend auf dem Deutschen Medizinproduktegesetz sowie den Empfehlungen und Richtlinien des Robert-Koch Instituts hat Pioneer Verfahren für mehrere Produktgruppen entwickelt, um Katheter und andere Medizinprodukte nach der Verwendung zu reinigen, auf Funktion zu prüfen, unabhängig von der Aufbereitung zu sterilisieren und für die nochmalige Anwendung freizugeben.

Lange Zeit dominierten vor allem im europäischen Ausland Befürchtungen angesichts diverser Skandale um Viren und Verunreinigungen etwa von Kanülen oder Blutpräparaten, dass nicht fabrikneue Schläuche oder auch Infusionsleitungen bei einer Mehrfachverwendung ein Risiko darstellen könnten. Entsprechende Regelungen und Richtlinien, wie sie inzwischen in Deutschland vom Robert-Koch Institut und dem Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte erlassen wurden, fehlen noch immer in den meisten Staaten. Dabei ist der Einsatz aufbereiteter Herzkatheter auch nach Ansicht vieler unabhängiger Experten sinnvoll, sofern die strengen Regeln bei der Hygiene eingehalten werden: „Bei der Aufbereitung von Medizinprodukten steht die Sicherheit der Patienten immer an erster Stelle“, versichert Prof. Dr. Matthias Antz vom Herzzentrum der Universität Oldenburg. Optimal wäre es nach Einschätzung des Spezialisten, wenn die Hersteller die Aufbereitung bereits selbst in ihrer eigenen Entwicklung und Zulassung integrieren würden. Erstmals war das bei einem der von Pioneer/AscaMed gemeinsam mit internationalen Partnerunternehmen entwickelten Katheter der Marke Master2cout der Fall, der bis zu zehn Mal genutzt werden kann.

Als erstes Technologieunternehmen weltweit, hat sich die Muttergesellschaft von AscaMed, die Pioneer Medical Devices AG, auf die Entwicklung, Herstellung und Aufbereitung von innovativen, komplexen Medizinprodukten spezialisiert, die von Anfang an als limitiert aufbereitbar zugelassen werden. Es ist Pioneer gelungen, die Mehrwegfähigkeit bereits so in den Herstellungsprozesses zu integrieren, dass die Medizinprodukte mit dem ersten Tag der CE-Zertifizierung in allen 27 Ländern der EU mehrfach einsetzbar sind. Das neu entstandene Zentrum in Sachsen-Anhalt wird dafür die entsprechende Technologie und Verfahrensprozesse bereit halten.
 Möglich ist hier aber auch die Entwicklung eigener Verfahren für Geräte, die vom Hersteller – aus welchen Gründen auch immer – nur als Einweg-Material ausgewiesen sind. Es schließen sich mehrere visuelle und funktionale Tests an, zum Teil unter dem Mikroskop, um auch kleinste Materialschäden entdecken zu können. Schließlich werden die Geräte in vier großen Becken in einem Reinraum der Klasse sieben – was in etwa dem OP-Umfeld in Krankenhäusern entspricht, nochmals gespült und schließlich mit Ethylenoxid sterilisiert, einem konzentrierten Gas. „Es ist tatsächlich so, dass wir die Katheter so intensiv prüfen und behandeln, wie das in der Massenproduktion kaum möglich ist“, sagt Antje Grone.

Robert Schrödel, Gründer und Vorstandsvorsitzender der in Berlin ansässigen Muttergesellschaft Pioneer, rechnet damit, dass sich angesichts des Kostendrucks der hierzulande bereits herrschende Trend zur qualifizierten Wiederaufarbeitung von komplexen Medizinprodukten auch in noch zögernden Staaten durchsetzen wird. Zudem bietet die oben beschriebene CE-Zertifizierung der ersten limitiert mehrwegfähigen Medizinproduktegruppe ohnehin bereits eine rechtliche Möglichkeit, die Produkte EU-weit zu vertreiben. „Wir haben uns daher entschlossen, Aschersleben zum europaweit größten Produktions- und Aufbereitungszentrum für innovative Medizinprodukte auszubauen“, so der Firmenchef von Pioneer.

Bis Spätherbst wird dazu eine neue Fertigungshalle mit Reinräumen und Lagerfläche für rund fünf Millionen Euro errichtet, um die entsprechende Nachfrage aus dem gesamten europäischen Raum auch mittelfristig abdecken zu können. Wesentlich für die Investitionsentscheidung war zudem die verkehrsgünstige Anbindung. So können beispielsweise über den DHL-Express-Hub am Flughafen Leipzig/Halle auch ferne Ziele praktisch über Nacht beliefert werden. „Unsere Vision ist es, in Aschersleben einen wirtschaftlich sinnvollen, sicheren Kreislauf für bisher als Einwegprodukt deklarierten Produkte aufzubauen, dann werden wir sicher im Dreischichtbetrieb arbeiten“, versichert Antje Grone. Dazu gehört aber auch der Ausbau der bislang noch kleinen Fertigung, bei der bislang zugelieferte medizinische Schläuche mit weiteren Komponenten zusammengefügt und an Medizintechnik-Großhändler verkauft werden.


Autor: Manfred Schulze

Kontakt:
AscaMed GmbH
Siemensstr. 19
D-06449 Aschersleben
Web: www.ascamed.com
vorheriger Beitrag nächster Beitrag