Magdeburg erforscht den Weg zur energieeffizienten Modellstadt

Mit dem offiziellen Titel „MD-E4: Magdeburg – EnergieEffiziente Stadt – Modellstadt für Erneuerbare Energien“ will Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt ihre Attraktivität als lebens- und liebenswerte Stadt erhöhen und gleichsam Kosten sparen in kommunalen wie auch privaten Haushaltskassen. Von den über 70 Städten, die sich innerhalb eines Wettbewerbes des Bundesministeriums für Bildung und Forschung um die Förderung als Modellstadt bewarben, ging Magdeburg als eine von fünf Siegerstädtenhervor. Die IMG sprach mit dem Koordinator Volker Krüger von der Gesellschaft für Wirtschaftsservice Magdeburg mbH und Dr.-Ing. Zoran Jovanovic vom Institut für Logistik und Materialflusstechnik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, über den Weg zur energieeffizienten Modellstadt.

IMG: Welche Punkte Ihrer Konzeption waren für die Jury ausschlaggebend, Magdeburg als einender Sieger im Bundeswettbewerb zu küren? Rund fünf Millionen Euro bekommt das Projekt MD-E4, um bis 2016 wissenschaftlich fundierte Handlungsvorschläge zu erarbeiten.

Volker Krüger:
Unsere Konzeption hat vor allem in ihrem übergreifenden Denken überzeugt. Den Weg zur energieeffizienten Modellstadt will Magdeburg mit vier weiteren Partnern an der Seite beschreiten: Das sind die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, das Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF, die Hochschule Magdeburg-Stendal und das ifak – Institut für Automation und Kommunikation e.V. Magdeburg. Gemeinsam suchen wir nach Lösungen, den CO2-Ausstoß zu senken sowie den Endenergieverbrauch zu reduzieren.

Zoran Jovanovic: Ein weiterer Punkt, der für uns spricht: Wir wollen Energieeffizienz unter anderem durch die Nutzung erneuerbarer Energien erreichen.


IMG: Seit Frühjahr 2011 läuft das Forschungsprojekt. Gibt es hinsichtlich der Einbeziehung erneuerbarer Energien inzwischen konkrete Vorstellungen?

Volker Krüger: Wissenschaftler entwickeln ein innovatives Geothermie-Verfahren. Man muss sich das so vorstellen: Im Winter gibt das Erdreich Wärme zum Heizen von Gebäuden ab und wird währenddessen vereist. Im Sommer kann dann zur Kühlung der Räume die Wärme in diesen Speicher geleitet werden.

Zoran Jovanovic: Des Weiteren wird von Wissenschaftlern die Realisierung eines Biomassekraftwerkes in Magdeburg geprüft. Immerhin fällt bei der Pflege der städtischen Grünanlagen und Friedhöfe mit dem Holz und dem Grünschnitt eine Menge reiner Biomasse an.


IMG: Ihre Konzeption sieht vor, den CO2-Ausstoß bis 2020 um rund 25 Prozent gegenüber 2007 zu reduzieren. Welche Wege können zu diesem Ziel führen?

Volker Krüger:
Sehr viel CO2 wird im Straßenverkehr ausgestoßen. Ein modernes Verkehrsmanagement kann hier eine erhebliche Reduzierung bewirken.Mit einem Teil des Fördergeldes wird bis 2016 eine umweltorientierte Verkehrsmanagement-Zentrale installiert. Mit dem Ziel der Verkehrsflussoptimierung werden auf der Basis von online Daten in der "intelligenten" Computersoftware Strategien für Ampelschaltungen in bestimmten Szenarien gespeichert, die dann abrufbar sind z.B. vor und nach großen Events in der Stadt, bei Verkehrsbehinderung durch Baustellen, bei hohem Verkehrsaufkommen etwa nach Unfällen auf der Autobahn, die Umleitungen durch die Stadt zur Folge haben.

Zoran Jovanovic: Zur Reduzierung der CO2-Belastung kann auch die Errichtung eines Miniverteilzentrums für den innerstädtischen Lieferverkehr beitragen. Das würde in der Praxis bedeuten: Die Waren werden vor der Stadt von den Diesel-Lastern auf elektrisch betriebene 3,5-Tonnen-Transporter mit integrierter Batterie umgeladen. Die Elektro-Transporte haben mehrere Vorteile: Sie sind leise und haben keinen Emissions-Ausstoß, können darum im Gegensatz zu großen Lastern zu allen Zeiten im Stadtverkehr unterwegs sein.


IMG: Das Ziel, den End-Energieverbrauch um mindestens 20 Prozent gegenüber 2007 zu senken, kann man wohl nicht ohne Mitwirkung der Bevölkerung erreichen. Wie kann deren energiesparendes Verhalten gefördert werden?

Zoran Jovanovic: Es gibt bei uns an der Universität die Forschungsgruppe Umweltpsychologie. Sie tritt zum Beispiel zusammen mit den Städtischen Werken Magdeburg (SWM) und der Verbraucherzentrale beratend auf, um die Energieeinsparung in Privathaushalten zu optimieren. Sie wird auch die Verkehrsmanagement-Zentrale umweltpsychologisch beratend begleiten.
Volker Krüger: Und sie prüft, inwieweit das Fifty-Fifty-Projekt an den Schulen auch auf Jugendclubs, Behörden und Unternehmen sowie auf Senioren-Einrichtungen ausgeweitet werden kann.


IMG: Was beinhaltet das Fifty-Fifty-Projekt?

Volker Krüger: Verschiedene Partner vermitteln den Schülerinnen und Schülern einen praktischen Zugang zum Energiesparen. Die Kinder und Jugendlichen geben im Idealfall ihren Erkenntnisgewinn an die Familienmitglieder zu Hause weiter.
Die Schulen bekommen zur Belohnung für ihr umweltbewusstes Verhalten von der Kommune die Hälfte des eingesparten Geldes ausgezahlt. Damit werden z.B.  Feste oder Ausflüge finanziert, aber auch Maßnahmen zum weiteren Energiesparen.


IMG: Die sprichwörtlichen vielen Wege führen auch zu dem Ziel MD-E4. Einige sind hier aufgezeigt worden. Es gehören des Weiteren die dezentrale Automatisierung der Stromnetze und Lastmanagement dazu, die Errichtung eines Science Centers für regenerative Energien und natürlich auch der Aufbau eines Controllingsystems. Was genau soll 2016 zum Ende der Laufzeit des Forschungsprojektes vorliegen?

Zoran Jovanovic: Jede Maßnahme des Projekts MD-E4 wird auf der Basis von Erfolgskennzahlen detailliert und kontinuierlich gemessen, so dass stets die Fortschritte des Projekts MD-E4 die einzelnen Maßnahmen betreffend und in der Summe sichtbar und dokumentiert werden. Die Maßnahmen werden auf ihre Praxistauglichkeit überprüft.

Volker Krüger: 2016 soll ein Abschlussbericht vorliegen. Er dient als Entscheidungsgrundlage für die kommunalen Politiker sowie auch für private Investoren. Gerade letztere sollen ja die energieeffiziente Stadt Magdeburg auch für sich als Modellstadt nutzen.

Zoran Jovanovic: Einige Teile des Forschungsprojektes sollen bis dahin auch schon realisiert sein wie z.B. das Kennzahlen-Controllingsystem und die Verkehrsmanagement-Zentrale.


Autorin (Text/Foto): Kathrain Graubaum

Kontakt:
Dipl.-Ing. Volker Krüger
GWM mbH
Tel: 0391/53294-18
E-Mail: krueger@gwm-magdeburg.de



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