Sachsen-Anhalt radelt ganz vorne mit

Der Elberadweg ist Sachsen-Anhalts Touristenattraktion Nummer 1! Er war nicht nur der meistbefahrene Radweg 2011, sondern steht auch bei den Reisezielen 2012 an erster Stelle. Was kaum einer weiß: Sachsen-Anhalt radelt auch in der Fahrradindustrie ganz weit vorne mit. Kaum zu glauben, aber wahr – bis auf Europas größten Fahrradhersteller „MIFA“ liegen alle Rad-Manufakturen Sachsen-Anhalts in der Nähe des Elberadweges.

Zum Beispiel „Weltrad“ aus Schönebeck an der Elbe. Vor acht Jahren wurde die alte Marke von René Leue (39) und Göran Scherf (43) wiederbelebt. Seitdem sie nostalgisches Outfit mit moderner Technik gekonnt miteinander verbinden, steigt die Nachfrage  nach Weltrad-Rädern  von Jahr zu Jahr an. Kein Wunder: exzellente Fahreigenschaften, nostalgischer Retrolook, kombiniert mit modernster Technik, machen Welträder zum Erlebnis. Das Unternehmen ist mittlerweile so erfolgreich, dass es 2011 8.000 Quadratmeter nahe der Schönebecker Elbe kaufte: Jetzt gibt es eine größere Manufaktur, einen nostalgischen Verkaufsraum, einen modernen Fahrradladen, sowie ein Restaurant mit Pension für Kunden aus der ganzen Welt. Und es gibt den Elberadweg für ausgedehnte Probefahrten. Perfekter Rundum-Service für ein perfektes Rad.

Das Schindelhauer-Rad fährt ohne Kette

Das nächste Fahrradunternehmen befindet sich auf einem Hinterhof in Magdeburg – zwei Kilometer Luftlinie vom Elberadweg entfernt: Die c2g-engineering GmbH von Martin Schellhase, Manuel Holstein, Jörg Schindelhauer und Stephan Zehren. Die vier jungen Unternehmer entwickelten und bauen seit 2009 das „Schindelhauer Bike“, ein besonders innovatives Zweirad, denn es hat keine Kette mehr sondern einen Zahnriemenantrieb. Als Jörg Schindelhauer  und seine Partner auf den Riemen der Firma Gates, der aus wetterfestem Polyurethan und steifen Kohlefasern besteht, die die Zugkräfte aufnehmen, stießen, schlug die Geburtsstunde des „Schindelhauer Bike’s“.

Das größte Problem bei der Entwicklung: Da ein Zahnriemen endlos ist und nicht geöffnet werden kann, eine Fahrradkette aber viele Glieder hat und auch leicht zu öffnen ist, musste ein Weg gefunden werden, den Rahmen öffnen zu können, damit der Riemen auf die Naben gelegt und gespannt werden kann. Mittlerweile hat die Firma zwei Patente darauf.

2009  wurden die ersten 100 Schindelhauer-Räder verkauft – in diesem Jahr sollen es knapp über 1.000 werden. Dank des wartungsfreien Zahnriemens rollen sie fast lautlos durch die Landschaft. Und der Gates Carbon Drive Zahnriemen (Lebensdauer 20.000 Kilometer - ist Garant dafür, dass lästiges Kettenschmieren und ölverschmutzte Hosenbeine der Vergangenheit angehören.

Der Stahlrahmen macht den Unterschied

Im Magdeburger Wissenschaftshafen direkt am Elberadweg entsteht derzeit die nächste Fahrradmanufaktur: In einem ehemaligen Speicher werden ab Juni 2012 die legendären Hardo Wagner Räder hergestellt – stabile Fahrräder für Weltreisen oder Städtefahrer. Bisher wird das Rad vom gebürtigen Magdeburger Hans Pfeiffer (58) in Braunschweig gebaut. Jetzt erweitert er mit seinen Partnern und Freunden Ralf Artus und Markus Rosam die Produktion in Magdeburg. Gesamtinvestition: 1,6 Millionen Euro. Bereits jetzt gibt es Händleranfragen aus Deutschland und Europa. Das außergewöhnliche an dem Fahrrad sind durchdachte Geometrie und der Stahlrahmen. Die modernen, hoch entwickelten Stahlrohre ermöglichen es, leichte und dennoch seitensteife Stahlrahmen für Fahrräder zu bauen. Damit nicht genug: Die auf die individuelle Größe des Fahrers zugeschnittenen Hardo Wagner Rahmen garantieren hohen Fahrkomfort - das ist besonders bei langen Strecken wichtig. Tatsächlich bekommt ein Kunde, der zwischen Pedale und Sattel einen Abstand von 56 Zentimetern benötigt, auch dieses Rahmenmaß. Gefertigt werden die Rahmen aus hochwertigen Rohren der italienischen Firma Dedacciai, die weltweit einen hervorragenden Ruf genießt: „Diese Rohre garantieren uns, die für unsere Räder benötigte, extreme Zugfestigkeit und Belastbarkeit“, sagt Ralf Artus. So wird nicht nur eine perfekte, entspannte Sitzposition garantiert, sondern die Hardo Wagner Bikes sind auch ideal für Langstrecken geeignet: Selbst wenn das Rad schwer mit Gepäck beladen wird, bleiben die sportlichen Fahreigenschaften (ruhiger Lauf, ausgewogenes Kurvenverhalten) erhalten. Neben der bisherigen Nachfrage setzen die Chefs der neuen Fahrradmanufaktur auch ein bisschen auf die Sogwirkung des Elberadweges: „Hoffentlich kommen neugierige und interessierte Radfahrer, die sich dann während einer anstehenden Reparatur oder einer Pause im Wissenschaftshafen über unsere Produkte informieren können“, sagt Ralf Artus.

MIFA überrascht immer wieder

Sachsen-Anhalts erfolgreichster Fahrradbauer dagegen hat seinen Standort im Land, in Sangerhausen. Dafür sind die Mitteldeutschen Fahrradwerke (MIFA) Deutschlands absatzstärkster Fahrradhersteller, sie verkauften 2011 644.000 Fahrräder (Umsatzerlös von 100,5 Millionen Euro). Erfolgsgeheimnis: Die MIFA führt zwar auch eigene Fahrradmarken,  produziert jedoch Fahrräder hauptsächlich für große Einzelhandelsketten, wie ALDI, Metro oder Edeka.

Knapp 500 Mitarbeiter beschäftigt die MIFA, während der Hauptproduktionszeit im Frühjahr kommen gut 350 Aushilfskräfte dazu. Gearbeitet wird in drei Schichten, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Seit 2011 werden in Sangerhausen auch E-Bikes gebaut - für Großabnehmer, gut 5.000 Stück: „E-Bikes sind ein wohltuender Schub für die gesamte Branche“, sagte der heutige Alleinvorstand Peter Wicht auf der 50. Münchener Salutaris Gesprächsrunde am 15. Dezember 2012. Er übernahm nach der Wende zusammen mit Michael Lehmann den volkseigenen Betrieb. Sie schafften es, dass MIFA schon 2000 ein profitables Unternehmen wurde. In den vergangenen Jahren sorgte die MIFA immer für positive Überraschungen: 2004 wurde der Betrieb in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Ende 2011 übernahm  Finanz-Investor und AWD-Gründer Carsten Maschmeyer 29 Prozent der Mitteldeutschen Fahrradwerke – besitzt mittlerweile etwa 33 Prozent. Letzter Coup: MIFA übernahm den deutschen E-Bike-Hersteller Grace GmbH & Co. KG. Das Unternehmen bietet ausschließlich innovative und hochwertige Elektroräder im gehobenen Preissegment an. „Die Übernahme macht uns zu einem Anbieter im Premiumsegment und das bedeutet für die MIFA auch künftig ein gesichertes Wachstum, insbesondere bei der ‚Generation Apple‘“, sagte MIFA-Chef Peter Wicht bei der Vertragsunterzeichnung. Übrigens: Der Marktpreis für ein normales E-Bike liegt bei rund 2.400 Euro. Allein in Deutschland wurden 2011 gut 310.000 E-Bikes verkauft.


Autor: Thomas Pfundtner
Foto: IMG

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