Powerfrau schaltet einen Gang hoch

Arnold Schwarzenegger fährt einen, Lindsay Lohan hat ihren gerade bei einem Unfall zerlegt. Michael „Bully“ Herbig fährt in "Zettl" ebenfalls einen – Porsche 911 Cabrio. Carsten Germer und seine Lebensgefährtin Gabriele Lohmann fahren noch keinen, aber ohne ihre Firma fährt überhaupt keiner: In jedem Porsche 911 Cabrio, das seit 2004 gebaut wurde, stecken acht Teile aus der Halberstädter Firma HBS-Technik. Und nicht nur in diesem Fahrzeug, denn die Markenpalette von HBS-Technik beginnt nicht erst bei P wie Porsche, sondern schon bei A.

Das auf CNC-Metallzerspanung spezialisierte Unternehmen, das 2001 gegründet wurde, fertigt Teile für Cabriodächer. Wagen von Audi, Ferrari, Mercedes, Opel, Peugeot und Porsche fahren mit Halberstädter Technik. Carsten Germer und Gabriele Lohmann starteten mit Aufträgen aus der Nutzfahrzeugindustrie, für die der Betrieb bis heute Bremsenträger fräst und bohrt. Seit 2011 steht auch Medizintechnik in den Auftragsbüchern der Firma, Teile für Blutwäsche-Maschinen kommen seither aus Halberstadt.

Gabriele Lohmann hat ein Händchen für Geld. Und gute Argumente, wenn sie von ihrer Bank einen Kredit brauchte, selbst mitten in der Krise. "Ich habe lieber mit der Bank geredet, als einem Mitarbeiter den Lohn vorzuenthalten", sagt sie. Es habe da bisher keine Verzögerungen gegeben, betont die 53-Jährige selbstbewusst, "auch bei Lieferanten hatte ich nie Außenstände."

Gabriele Lohmann sagt "ich", nicht "wir", sie hat die Finanzen fest im Griff. Das Unternehmen nennt sie "mein Baby", die erste Maschine ihr "Schätzgen". Carsten Germer (46) muss lächeln, wenn er das hört, und nickt. Die Frau an seiner Seite weiß, was sie will, er setzt die Aufträge mit seinem 27-Mann-Team zuverlässig um. 24 Stunden am Tag ist er für jeden erreichbar. "Es ist der Macher, ich bin die Rechnerin", charakterisiert Lohmann das Chef-Gespann.

Team und Geschäftsführung sind ein eingeschworenes Team. Auch wenn es bis auf gelegentliche Benzingutscheine keine Boni gibt – die Mannschaft steht zu ihren Firmenlenkern. Wer hier mit Leidenschaft arbeitet, musste selbst während der Wirtschaftskrise 2009 nicht um seinen Job bangen, und jeder Azubi bekommt ein Jobangebot. Einer der ersten Lehrlinge steht seit kurzem als Betriebsleiter in der Produktionshalle, "unsere Wilden" nennt Gabriele Lohmann die jungen Nachrücker. "Sie sind nicht immer einfach, aber loyal und engagiert."

Germer und Lohmann kommen aus einer niedersächsischen Firma, sie Personaler, er Betriebsleiter. Als klar wurde, dass die Firma Aufträge ablehnen musste, weil es ihr schon zu schlecht ging, um noch zu investieren, fassten sich beide ein Herz. Warum nicht in den Osten gehen, nach Halberstadt mit seiner Metallbautradition und guten Förderungsmöglichen – und selbst gründen?

Die beiden mieteten eine alte Werkhalle. Das war 2001, es gab eine Maschine, vier Mitarbeiter und den ersten Auftrag für Bremsenträger. Durch Zufall lernte Carsten Germer 2004 einen süddeutschen Zulieferer für Porsche kennen, der ihm einen dicken Fisch in Aussicht stellte – wenn er kräftig investierte. Drei Millionen Euro standen im Raum, die durch Landes- und Bundesmittel weiter aufgestockt würden, die aber auch Verbindlichkeiten verlangten, etwa fünf Jahre laufende Arbeitsverträge. "Das ist schon ein Risiko – und dann ein solcher Kreditvertrag. Unterschreiben Sie den mal – puh", stöhnt die Geschäftsfrau bei der Erinnerung an diese Entscheidung.

Sie stellte sich als richtig heraus, HBS-Technik nahm Fahrt auf. Aufstockung des Maschinenparks, aus vier Mitarbeitern wurden 24. 2006 folgt ein weiterer Großauftrag, wieder stand Gabriele Lohmann bei ihrer Bank, bat um vier Millionen Euro. Schon bald arbeiteten 52 Mitarbeiter bei der HBS-Technik. Roboterschweißgeräte wurden angeschafft, dann kam 2008 die Kündigung des Vermieters, 2009 blieben die Aufträge aus. "Wir wollten aufgeben. Wie sollten wir zusätzlich einen 300.000 Euro teuren Umzug finanzieren? Immerhin musste die Produktion für acht Wochen still stehen. Das Geld brauchten wir für die Kredite." All die sorgenvollen Nächte, all der Mut, sich als Unternehmer haushoch zu verschulden – umsonst?

"Ich bin wieder zu meiner Bank gegangen", erzählt Gabriele Lohmann. Mit zwei Argumenten: zum Einen die ausgebremste Produktion, also geringe Verluste durch den Stillstand. Zum Anderen ihr Kunde, der sie unterstütze, sodass sich das Unternehmen trotz Kurzarbeit über Wasser hielt. Sie bekam den Kredit, schnappte sich einen alten Halberstädter, der wusste, wo es leere Hallen gab. Ein ehemaliger Baustoffhandel vor den Toren der Stadt taugte mit etwas Phantasie zum neuen Werk. "Der Vermieter hat daran geglaubt, dass wir wieder auf die Beine kommen, und dieses 2.000-Quadratmeter-Areal für uns umgebaut." Lohmann kokettiert damit nicht, sie stellt es einfach fest.

Sie sagt von sich, dass sie viele Dinge nicht verstehe, technische Zeichnungen zum Beispiel, oder wie man diese Halle mitten im Winter trotz einer offenen Seite warm bekommt. "Aber ich sage, welches Ergebnis ich möchte, und die Männer um mich respektieren das." Warum, da winkt sie ab, wisse sie auch nicht, es sei eben so. Also lässt sie über den kopfschüttelnden Heizungsmonteur hinweg eine riesige Plane aufhängen. "Und was soll ich sagen: Es wurde warm", erzählt sie und lacht über die eigene Courage.

Die Temperatur spielt eine zentrale Rolle in der Metallbearbeitung, bei der es um Tausendstel Millimeter geht. Elektronisch werden Stichproben nachgemessen. Dieses präzise Arbeiten brachte HBS-Technik 2010 einen Auftrag, durch den sie mit Schwung aus der Krise heraus beschleunigen konnte. Ein Zulieferer für Bremsenträger musste sich vom Markt verabschieden, Halberstadt wurde ab sofort Ziel der Lkw, die Gussteile anlieferten.  

Inzwischen läuft der Betrieb mit 80 Prozent Auslastung. Die beiden Geschäftsführer zeigen sich zufrieden, es läuft. "Aber wir sind Typen, die mehr Dampf brauchen", formuliert es Gabriele Lohmann. Zehn weitere Metallfacharbeiter sieht ihr Stellenplan vor, die Werbung um neue Aufträge läuft auf Hochtouren. Zusammen mit Carsten Germer navigiert die Powerfrau das Unternehmen zuverlässig in Richtung Erfolg: Schon im kommenden Jahr laufen große Kredite aus.

Dann werden die beiden passionierten Cabriofahrer den Sportwagen-Prospekt wieder hervorkramen. Sie träumen schon lange von einem Porsche-Cabrio. Neid hin oder her: Der PS-Bollide wäre ein klares Statement für solide Teile made in Halberstadt.  


Autorin: Kathrin Wöhler

Kontakt:
HBS-Technik GmbH
Geschäftsführer: Carsten Germer, Gabriele Lohmann
Osttangente 7
38820 Halberstadt
Tel.: +49 3941 621133-0
E-Mail: info.ignore@hbstechnik.de, gabriele.lohmann.ignore@hbstechnik.de
Web: www.hbstechnik.de
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