Klein, aber mit riesigem Potenzial

In Sachsen-Anhalt wird intensiv an Bioraffineriekonzepten für Mikroalgen geforscht

Im Bereich Chemie und Bioökonomie, einem der fünf definierten Leitmärkte Sachsen-Anhalts, könnte Laura König-Mattern vom Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme Magdeburg bald einen wichtigen Durchbruch erzielen:  Die Wissenschaftlerin arbeitet an einem Bioraffinerie-Konzept für Mikroalgen, mit dem sie in ihre Grundbausteine zerlegt werden können. Diese wiederum bergen eine breite Palette an biowirksamen Stoffen– einsetzbar in vielfältigen Anwendungen.

Makroalgen, erklärt Laura König-Mattern, könne man sich vorstellen wie Seetang im Meer, mit richtigen Blättern. „Mikroalgen dagegen sind einzellig, nur wenige Mikrometer groß. In kleinen Kolben werden sie im Max-Planck-Institut gehegt und gepflegt“, erläutert die Forscherin. Bei Bedarf werden sie in einem großen, 28 Liter fassenden Reaktor kultiviert, damit sie genügend Biomasse für Experimente erzeugt.

Volle Ausnutzung der Biomasse durch geeignete Lösungsmittel

Während der Kultivierung der Mikroalgen nimmt die Zelldichte im Kulturmedium immer weiter zu; ist es zu Beginn des Prozesses noch ganz hell, wird es am Ende dunkelbraun. Zu diesem Zeitpunkt vermehren sich die Zellen nicht mehr so stark, sie sind „stationär“ und können abgeerntet werden. In mehreren Schritten wird dabei die Zellpaste mit ihren wertvollen Inhaltsstoffen vom Kulturmedium getrennt. Bisherige Algen-Prozesse gehen mit dem Trocknen der Algen einher – und der Zufuhr von viel Energie. Laura König-Matterns Ansatz ist ein anderer: Sie erforscht geeignete Lösungsmittel, um die Zielmoleküle aus der nassen Biomasse zu extrahieren. „Bei meinem Bioraffinerieverfahren gelingt die Ausnutzung der ganzen Masse, nicht nur einzelner Teile“, erklärt sie. Sie kann dafür auf einen großen Datensatz mit Lösungsmitteln zurückgreifen, aus dem sie mit einem computerbasierten Screening basierend auf quantenmechanischen Rechnungen die passenden Mittel für die jeweiligen Moleküle heraussucht. Dies reduziert den Aufwand bei den Experimenten. „Von den Trennschritten hängt sehr viel ab“, erklärt die Wissenschaftlerin, „deshalb ist die Forschung auf diesem Gebiet so wichtig. ,Grüne‘ Lösungsmittel sind eine günstige und umweltschonende Möglichkeit.“

Große Palette an wichtigen Stoffen in den Algen enthalten

Die Trennung der Biomasse in ihre Grundbausteine, nämlich Proteine, Kohlenhydrate, Fette und Pigmente, ermöglicht es, eine ganze Palette an biowirksamen Stoffen aus den Algen zu gewinnen. „Anstatt nur ein Zielprodukt aus den Zellen zu extrahieren, möchten wir die Biomasse optimal nutzen“, so Laura König-Mattern. Noch sind es eher Nischenprodukte – aber mit großem Potential. Das tiefrote Pigment Fucoxanthin zum Beispiel wird als natürlicher Farbstoff genutzt. Lipide können in Biodiesel umgewandelt werden. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren aus Mikroalgen sind eine nachhaltige Alternative zu Fischölkapseln. Laminarin, welches in der Kohlenhydratfraktion zu finden ist, dient als natürliches Pflanzenschutzmittel, und viele Mikroalgen produzieren essenzielle Aminosäuren, wie sie sonst oft nur in Fleisch zu finden sind.

Spitzenclusterförderung vom Land Sachsen-Anhalt

„Die Marktreife ist noch Zukunftsmusik“, sagt Laura König-Mattern. Sie hat Biosystemtechnik sowie Systemtechnik und technische Kybernetik an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg studiert und forscht seit September 2019 als Doktorandin am Max-Planck-Institut Magdeburg an der Lösungsmittelauswahl in Bioraffinerien. Zur Unterstützung hat sie jetzt ein Stipendium der Christiane Nüsslein-Volhard-Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Forschung bekommen. Dieses und die Forschungslandschaft Sachsen-Anhalts mit seinen Universitäten und Instituten helfen ihr bei ihrer Arbeit. „Hier gibt es eine gute, international aufgestellte Forschungsinfrastruktur und gute Forschungskräfte“, sagt Laura König-Mattern. Die Abteilung Prozesstechnik des MPI Magdeburg, dersie angehört, kooperiert nicht nur mit anderen Forschungseinrichtungen wie zum Beispiel dem Fraunhofer CBP Leuna, dem Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse, sondern arbeitet auch mit Industriepartnern wie dem Unternehmen Roquette aus Klötze zusammen. Die Gruppe ist auch international gut verknüpft und forscht gemeinsam mit Schweizer Wissenschaftlern über das in Holz enthaltene Lignin, welches zu Chemiestoffen umgewandelt werden soll.

Sachsen-Anhalt verfügt über ein breites Netzwerk an Institutionen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit Know-how in der Bioökonomie - allein im Spitzencluster BioEconomy sind 75 Partner organisiert. Bereits seit 2013 wird der Cluster BioEconomy in Ergänzung zur Spitzenclusterförderung des Bundes auch vom Land gefördert, Mitte 2017 wurde die Verlängerung dieser Unterstützung bis 2026 beschlossen.

Autorin: Anja Falgowski/IMG Sachsen-Anhalt


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