Drohnen und Satelliten spüren kranke Obstbäume auf

Wissenschaftler*innen am Fraunhofer IFF entwickeln digitales Diagnosesystem für die Landwirtschaft

Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg sind auch der Landwirtschaft kompetente Begleiter auf deren Weg ins digitale Zeitalter. „Wenn europaweit die Ernte von etwa 14 Millionen Tonnen Äpfeln pro Jahr von Erkrankungen bedroht ist, können wir Entwickler von intelligenten digitalen Systemen Lösungen finden“, sagt Uwe Knauer, Wissenschaftler am IFF. Gemeinsam mit Partnern entwickelt sein Team ein intelligentes Fernerkennungssystem für Obst-Krankheiten.

Der Bedarf an regionalen Obstangeboten steigt – nicht nur, weil kurze Transportwege klimafreundlicher sind. Viele Vitamine im Obst und Gemüse aus Südeuropa oder Übersee gehen unterwegs verloren. Heimisches Obst ist da klar im Vorteil. Es wird reif geerntet und enthält den vollen Vitamingehalt – wenn es nicht selbst von Krankheiten befallen ist. „Apfeltriebsucht“ und „Birnenverfall“ sorgen im europäischen Obstbau häufig für Ernteeinbußen. Intelligent vernetzt sollen Drohnen und Satelliten künftig diese Krankheiten frühzeitig erkennen und einen großen wirtschaftlichen Schaden abwenden.

Uwe Knauer, Experte für maschinelles Lernen am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg, zeigt Fotos von einem mit „Apfeltriebsucht“ infizierten Baum. Wie es der Name der Krankheit ahnen lässt: Der Baum hat viele hohe Triebe, die sogenannten Hexenbesen ausgebildet. Die Früchte dagegen sind klein und reifen kaum. Knauer deutet auf die rote Blattfärbung schon im Sommer, hervorgerufen durch Chlorophyllabbau. Der Baum ist unterversorgt. Ähnliche Symptome zeigen vom „Birnenverfall“ betroffene Obstbäume. Hervorgerufen werden die Krankheiten durch Phytoplasmen. Das sind zellwandlose Bakterien, die von Insekten übertragen werden und im Wurzelballen überwintern. Zur wirksamen Bekämpfung durch Baumrodung müsste der Parasitenbefall frühzeitig erkannt werden – noch bevor die ersten Symptome auftreten. Eine Befundung mittels molekularer Analyse, so Knauer, sei allerdings sehr teuer und die visuelle Inspektion jedes einzelnen Baumes nur unter hohem Personalaufwand machbar.

Diagnose großer Flächen vom Schreibtisch aus

Mit genau diesen Problemen befasst sich das Institut für Pflanzenforschung ALPlanta in Neustadt an der Weinstraße. Auch im Rheinland-Pfälzischen Obstbau grassieren „Apfeltriebsucht“ und „Birnenverfall“ und sorgen für immense wirtschaftliche Schäden. „Das ALPlanta war wegen der Entwicklung unserer Smartphone-App auf das IFF aufmerksam geworden“, erzählt Uwe Knauer und erläutert, dass diese App spektrale Messungen durchführen kann, etwa zur Bestimmung des Hauttyps oder eines Farbtons oder für die Bewertung von Lebensmitteln. Die Weiterentwicklung dieser Anwendung wurde zur Grundidee für ein gemeinsames Forschungsprojekt, um Obstbauern ein zuverlässiges sowie zeit- und kostensparendes Diagnoseinstrument in die Hand zu geben. Dritte im Bunde ist die Firma Spatial Business Integration in Darmstadt. Die SBI ist weltweit führend, was satellitenbildbasierte Dienstleistungen u.a. für die Land- und Forstwirtschaft betrifft. „Agrarunternehmen können auf den Satellitenbildern ihre Flächen bis ins Detail betrachten, ohne den Schreibtisch zu verlassen“, macht Uwe Knauer auf dieses besondere Potenzial für ein intelligentes Diagnosesystem aufmerksam: „Auch auf den Satellitenaufnahmen sind kranke und gesunde Bäume voneinander zu unterscheiden.“

Inzwischen wissen die Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF so einiges über die in Europa am häufigsten vorkommenden Obstbaumerkrankungen. Uwe Knauer und sein Team haben die Krankheitssymptome in ihrem Labor mittels einer Hyperspektralkamera analysiert. Die zerlegt das Licht in bestimmte Wellenlängen, in deren Bereichen Erscheinungsbilder der Krankheiten deutlich früher sichtbar sind. „Stammt die Blattprobe von einem befallenen Baum, wird mehr rotes als grünes oder blaues Licht reflektiert“, erklärt Uwe Knauer.

Maschinelles Lernen in der Landwirtschaft

Die Projektpartner arbeiten an einem Fernerkennungssystem aus der Luft. Dazu wird die Hyperspektralkamera an einer Drohne befestigt und kann so Anbauflächen verschiedener Größe aufnehmen. Ein Rechner neben der Kamera zeichnet die Messdaten auf. Die Analyse der Daten erfolgt nach dem Flug cloudbasiert. Satellitengestützte Multispektralaufnahmen ergänzen die Auswertung.

Im Herbst befand sich die Hyperspektraldrohne im Testflug über Obstplantagen in der Pfalz. Begleitend wurden Proben von Apfelbaumblättern und Birnenstielen genommen, um sie molekularbiologisch zu untersuchen.

Mit Hilfe all der Ergebnisdaten werden neuronale Netze und statistische Modelle trainiert. „Die daraus entwickelten Algorithmen sind auf das Erkennen von ,Apfeltriebsucht‘ und ,Birnenverfall‘ spezialisiert und ersetzen die aufwändigen personellen Feldbonituren und Laboranalysen“, sagt Knauer. Das intelligente Früherkennungssystem wäre eine echte Innovation für die Landwirtschaft, blickt der Wissenschaftler in eine Zukunft, in der Obstbauern Drohnenanbieter beauftragen, ihre Apfel- und Birnenanbauflächen zu überfliegen. Zeitnah könnte die Diagnose auf dem Tablet abzulesen sein. Noch besser: Die Landwirte besäßen ihre eigenen Drohnen.

In zwei Jahren solle die intelligente Fernerkundungsmethode soweit ausgereift sein, dass sie in der Praxis angewendet werden könne, stellt Uwe Knauer in Aussicht. „Maschinelles Lernen“, so der Wissenschaftler, „ist eine Antriebskraft für die Digitalisierung in der Agrarwirtschaft. Sie bringt den Landwirten nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische Vorteile.“

Autorin: Kathrain Graubaum/IMG Sachsen-Anhalt


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