Der fehlende Baustein der Energiewende

Sachsen-anhaltisches Unternehmen entwickelt Wasserstoff-Sauerstoff-Kreislaufmotor

„Das Wasser ist die Kohle der Zukunft“, so schrieb es Jules Verne bereits 1875. Diese Zukunft steht nun unmittelbar bevor. Wasserstoff gilt als Baustein für eine umfassende Energie- und Mobilitätswende. Gefragt sind aktuell Lösungen für die Speicherung und bedarfsgerechte Lieferung. Das Wissenschaftlich-Technische Zentrum für Motoren- und Maschinenforschung Roßlau (WTZ) hat mit dem Zero-Emission-Kreislaufmotor eine solche Lösung entwickelt und bringt viele weitere grüne Projekte auf den Weg.

Die Preisjury des „Hugo-Junkers-Preis für Forschung und Innovation aus Sachsen-Anhalt“ war sich sicher: Der Zero-Emissions-Kreislaufmotor könnte schon bald der fehlende Baustein in der Energiewende sein. Das WTZ-Projekt wurde vor zwei Jahren in der Kategorie „Innovativstes Projekt der angewandten Forschung“ mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Vereinfacht gesagt werden im weltweit ersten Motor seiner Art regenerativ erzeugter Wasserstoff und Sauerstoff mittels Druckelektrolyse in Elektroenergie und Wärme umgewandelt. Da Kohlenstoff und Stickstoff in diesem Verbrennungsprozess fehlen, entstehen Kohlenstoffdioxid und Stickoxide im Gegensatz zu normalen Verbrennungsmotoren gar nicht erst. Somit werden keine umweltschädlichen Abgase ausgestoßen. Einziges Reaktionsprodukt des Motors ist reines Wasser.

„Wir liefern eine Energieumwandlungsmaschine.“

Die Motoren-Entwickler aus Sachsen-Anhalt sehen die Einsatzgebiete ihres Motors, den es bisher als Prototypen gibt, zunächst in der Rückverstromung in der Energiewirtschaft, bei Haushalten, die mit Photovoltaik ausgestattet sind oder etwa bei Landwirtschaftsbetrieben mit einer Windkraftanlage. Projektleiter Manuel Cech erklärt den wichtigsten Vorteil: „Häufig kommen Verbrennungsmotoren zum Einsatz, die meistens Erdgas verbrennen. In unserem Motor wird statt fossiler Brennstoffe grüner Wasserstoff verwendet.“ Das System beschreibt er wie ein Speicherkraftwerk: „Strom aus erneuerbaren Energiequellen wird, wenn er zuhauf vorhanden ist, mit Hilfe von Elektrolysen zwischengespeichert – als Sauerstoff und Wasserstoff. Wenn keine oder wenig erneuerbaren Energien da sind, können aus den Tanks wieder Strom, Wärme und Wasser erzeugt werden. Das Wasser wird dabei immer wieder verwendet. Mit unserem Motor liefern wir im Prinzip eine Energiewandlungsmaschine, die kostengünstig Wasserstoff und Sauerstoff wieder zu Strom zusammenführt.“

Vorbild Junkers: Entwicklungen sollen in marktfähige Produkte überführt werden

Hervorgegangen ist das Projekt aus „LocalHy“, einem Leuchtturmprojekt des vom Bundesforschungsministerium geförderten mitteldeutschen Forschungskonsortiums „HYPOS“. „Hydrogen Power Storage & Solutions East Germany“ entwickelt die gesamte Wertschöpfungskette, in der die bislang nichtspeicherbaren Energie aus Biomasse, Wind- und Sonne in den speicherbaren Energieträger Wasserstoff umgewandelt wird.

Wie schon das große Vorbild Hugo Junkers, der 1914 in Dessau das erste Flugzeug ganz aus Metall gebaut und 1889 eine Versuchsstation für Gasmotoren gegründet hat, um eine Antriebsmaschine für Elektroenergie zu konstruieren, wollen die WTZ-Ingenieure ihre Entwicklungen in marktfähige Produkte überführen. Das Team aus dem im Jahr 1950 gegründeten wissenschaftlich-technischem Zentrum ist dem berühmten Ingenieur also nicht nur räumlich sehr nahe. „Wir sehen uns als Schnittstelle zwischen Industrie und reiner Forschung“, sagt Projektleiter Manuel Cech. Das WTZ kooperiert mit zahlreichen Universitäten, hält Kontakte mit der Industrie, die nach der Auszeichnung verstärkt auf die sachsen-anhaltischen Entwicklerinnen und Entwickler aufmerksam geworden ist. Viele Motorenbauer wollen bei der gemeinnützigen Forschungseinrichtung in Dessau-Roßlau auf dem Laufenden bleiben, wie es weitergeht in Sachen „grüner“ Wasserstoff und Nachhaltigkeit. Was 2019 mit dem Landespreis gekrönt wurde, bezeichnet Manuel Cech gern als „Real-Labor“ und sagt: „Wir haben erstmals erlebbar gemacht, was auf dem Gebiet möglich ist.“ Derzeit befindet sich der „grüne Wasserstoffmotor“, in der zweiten Ausbaustufe, bei dem die Effektivität des Gesamtsystems noch weiter optimiert werden soll, um ihn an die Leistungsfähigkeit bisheriger Serien-Motoren heranzuführen.

Vision wird Realität: Grüner Wassersstoff soll ins Erdgasnetz eingespeist werden

Parallel dazu initiiert das WTZ zahlreiche Projekte. Eins davon wird derzeit in Sonneberg realisiert im Rahmen der Initiative „H2-Well“, bei der mehr als 40 Partner*innen und Unterstützer*innen zwischen Main und Elbe mit Wasserstofftechnologien neue Wertschöpfungsmöglichkeiten generieren wollen. Die Entwicklerinnen und Entwickler aus Sachsen-Anhalt beteiligen sich mit ihrem „grünen Wasserstoffmotor“ an der Lieferung von Strom für das Rathaus der thüringischen Kommune.

Im Forschungszentrum in Dessau-Roßlau beschäftigt sich indes die neu gegründete Abteilung „Energiesysteme“ damit, die gesamte Energiezelle abbilden zu können – also Sauerstoff und Wasserstoff effizient zu speichern, den Verlust zwischen einzelnen Schritten abzufangen und als Wärme zu nutzen. „Unser übergeordnetes Ziel heißt hierbei, wie bei allem, was wir tun: Wir wollen weg von den fossilen Medien“, sagt Manuel Cech. Dafür arbeiten die Forscherinnen und Forscher mit zahlreichen Firmen im Land zusammen. „Die Energiewende“, so der Projektleiter, „ist eine Chance für ganz Sachsen-Anhalt, hier wird bereits einiges auf den Weg gebracht“. Das WTZ geht diesen Weg mit und lässt nun eine weitere Vision reifen. Diese dreht sich um Blockheizkraftwerke, die bisher Energie und Wärme aus Erdgas produzieren. Diese möchten Cech und sein Team auf Wasserstoff umrüsten. und grünen Wasserstoff ins Erdgasnetz einspeisen. Cech ist sich sicher, dass man „schon in den nächsten Jahren mit der Technologie in Serie gehen könnte“.

Autorin: Manuela Bock/IMG Sachsen-Anhalt


Sachsen-Anhalt ist Vorreiter, wenn es um den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft geht. Zahlreiche innovative Ideen sind hier schon zu Leuchttürmen gewachsen. Beispielsweise, wie grüner Wasserstoff im industriellen Maßstab wirtschaftlich erzeugt und genutzt,oder wie Wasserstoff sicher gespeichert werden könnte.

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