Die automobile Zulieferindustrie im Spannungsfeld zwischen Strukturwandel und Corona

– Eine gemeinsame Positionierung –

Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Oberfranken

Zur Ausgangslage Die wirtschaftlichen Folgen der noch anhaltenden Corona-Pandemie werden erst schrittweise zutage treten. Industrieunternehmen sind nicht von einem Lockdown betroffen und können produzieren. Aber der Weg zu einer neuen Normalität ist noch weit. Vor diesem Hintergrund haben die Netzwerke automotive thüringen, AMZ Sachsen, MAHREG Automotive Sachsen-Anhalt und ofraCar Oberfranken eine Umfrage in der regionalen Zulieferindustrie durchgeführt.

Die Rückmeldungen der befragten Automobilzulieferer vermitteln die Zuversicht, dass die Mehrzahl der Unternehmen die gegenwärtige Krise gut überstehen wird. In der Frage nach der Sinnhaftigkeit gesetzlicher Regelungen zeigt sich ein deutliches Meinungsbild. Die Mehrheit der befragten Unternehmen stehen möglichen Homeoffice-Vorgaben und dem bereits gültigen Emissionshandelsgesetz kritisch gegenüber.

Es wächst zudem die Sorge, dass durch oben genannte, gesetzliche Eingriffe zunehmend die Wettbewerbsfähigkeit am Automobilstandort Deutschland leidet.1 Aus diesem Grund haben sich die Netzwerke der automobilen Zulieferindustrie aus Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Oberfranken entschlossen, ein Factsheet mit den Umfrageergebnissen herauszugeben. Es soll Impulse zur Diskussion über die Gestaltung des automobilen Transformationsprozesses in Deutschland setzen und ist als inhaltlich-fachlicher Beitrag aus den Länderinitiativen zu verstehen.

Über die Netzwerke

Als Sprachrohre und Stimmen der Zulieferindustrie unterstützen die Ländernetzwerke der automobilen Zulieferindustrie aus Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Oberfranken die Unternehmen bei der Bewältigung des Strukturwandels und fördern Innovationen insbesondere im Mittelstand.

Der automotive thüringen ist ein Branchennetzwerk der Automobilzulieferindustrie Thüringens. Er repräsentiert mit derzeit fast 100 Mitgliedsunternehmen insgesamt 30.000 Beschäftigte bei einem Gesamtumsatz von 4,4 Mrd. Euro pro Jahr. Das Netzwerk hilft den Unternehmen auf ihren Wegen zur Zukunftsfähigkeit und gibt diesen stets eine wertvolle Unterstützung dabei.

Das Netzwerk AMZ versteht sich als Partner der sächsischen Automobilindustrie und verbindet Akteure aus Wissenschaft und Industrie entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Die 161 AMZ-Mitglieder bilden ein globales Netzwerk von derzeit 1.341 Unternehmensstandorten. Allein in Sachsen beschäftigen die Mitglieder ca. 20.000 Mitarbeiter und erwirtschaften einen Umsatz von 3 Mrd. Euro pro Jahr. Der Branche bietet AMZ eine ideale Plattform, um Kontakte zu knüpfen, Erfahrungen und Ideen auszutauschen, Potenziale für Zusammenarbeit zu entdecken sowie Synergien herzustellen und letztendlich konkrete Projekte zu initialisieren.

Der Cluster MAHREG Automotive ist anerkannter Ansprechpartner, Problemlöser und Vermittler für die automotiven Zulieferer und Entwickler in Sachsen-Anhalt. Derzeitig engagieren sich etwa 60 Unternehmen, wissenschaftliche Einrichtungen und Dienstleister als eingetragene Mitglieder des Vereins Sachsen-Anhalt Automotive e.V. Das Cluster erreicht mit seinen Angeboten den überwiegenden Teil der in Sachsen-Anhalt ansässigen 270 Automobilzulieferer mit ca. 26.000 Beschäftigten. MAHREG versteht sich als Innovationsnetzwerk und ist geprägt durch das Zusammenwirken der Partner mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

Das Automobilnetzwerk ofraCar ist die aktive Plattform der nordbayerischen Automobilzulieferindustrie. Im Netzwerk sind bereits über 50 Mitgliedsunternehmen organisiert, mit dem Ziel ihre Betriebe gemeinsam über vielfältige Aktivitäten (z.B. Arbeitskreise, Kooperationen, Fachseminare) weiter voran zu bringen und sich erfolgreich im Wettbewerb zu positionieren. Das Engagement im Netzwerk und der qualitativ hochwertige Kontakt zu zahlreichen Akteuren aus der regionalen Automobilbranche bieten den Unternehmern die Chance, sich praxisnah auszutauschen und entscheidende Wettbewerbsvorteile zu sichern.

Die Ausgangsdaten

Im Zeitraum 08.02. – 17.02.2021 wurden insgesamt 745 Unternehmen befragt. Die Rückmeldequote von 31% bildet eine repräsentative Basis. Befragt wurden Zulieferer, Dienstleister, Engineering-Partner. Mehr als 63 % der Rückmeldungen kommen von produzierenden Zulieferunternehmen, davon sind 71 % kleine und mittlere Unternehmen.

I. Erwartete Liquiditätsrisiken im Jahr 2021

  • Anders als befürchtet gehen 73 % Unternehmen davon aus, nicht in Liquiditätsprobleme zu geraten.
  • Dieses unerwartet positive Ergebnis bei der Liquidität wird neben einer guten Umsatzentwicklung auch durch die Einhaltung der Zahlungsziele durch die Kunden gestützt, die über 75 % der Unternehmen ausdrücklich bestätigen.

II. Beschäftigungsprognose 2021

  • Und 80 % der Unternehmen erwarten, dass ihre Beschäftigtenzahlen konstant bleiben oder sich sogar erhöhen werden.
  • Von den 20 % der Unternehmen, die einen Rückgang der Beschäftigten erwarten, sind 80 % produzierende Zulieferunternehmen.

III. Mangelnde Personalverfügbarkeit trübt Geschäftserwartungen

  • Die Personalverfügbarkeit ist und bleibt eine der größten Herausforderungen. 42 % der Unternehmen können ihre offene Stellen nicht besetzen. Dies ist ein zutiefst beunruhigendes Ergebnis.
  • Die Ursachen liegen u.a. im Fachkräfte- und Bewerbermangel und insbesondere fehlenden Qualifikationen begründet. Der Kompetenzentwicklung des Personals und der Fachkräftesicherung kommen eine immer weiter steigende Bedeutung zu.

IV. Elektromobilität stützt zunehmend das Geschäft

  • 70 % der Unternehmen besitzen erste Aufträge für die Produktion von Elektrofahrzeugen. Diese Umsatzkomponente ist von hoher Bedeutung, da Fahrzeuge mit konventionellen Antrieben mit eher rückläufigen Stückzahlen verbunden sind, während die Elektromobilität boomt.
  • Weitere Umsatzsteigerungen durch Elektrofahrzeuge erwarten 60 % der Unternehmen.

V. Aktuelle Gesetzesvorhaben wenig hilfreich

  • Bei den Fragen zu aktuellen Gesetzen und Gesetzesvorhaben ist das Meinungsbild in den vier Ländernetzwerken sehr eindeutig.
  • Gesetzliche Homeoffice-Regelungen lehnen 83 % der Unternehmen ab, da dies in und durch die Unternehmen selbst und besser geregelt werden kann.
  • Das seit Anfang 2021 in Deutschland geltende Emissionshandelsgesetz bewerten die Unternehmen kritisch. 72 % erwarten dadurch Kostensteigerungen bei in Deutschland ohnehin schon hohen Energiekosten. Dies belastet die Wettbewerbsfähigkeit.

Eine gemeinsame Positionierung

Insbesondere im Hinblick auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland ist die Meinung zu gesetzlichen Vorhaben und bestehenden Regelungen ein ausdrückliches Stimmungsbild aus der Zulieferindustrie. Gesetzliche Faktoren setzen die Wettbewerbsfähigkeit am Standort Deutschland unter erheblichen Druck. Die bestehenden Unsicherheiten über die künftige Ausgestaltung der deutschen Klima- und Energiepolitik unterstützen diese problematische Lage.

Für die Zulieferindustrie und den Maschinenbau als wichtigen Ausrüster sind die im internationalen Vergleich hohen Strompreise darüber hinaus zu einer enormen Belastung geworden. Zudem ist dieser Umstand für Investitionsentscheidungen nachteilig. Deutschland muss aufpassen, dass sich seine Wettbewerbsposition im internationalen Vergleich nicht verschlechtert. Die deutsche Automobilbranche und mit ihr die Unternehmen der Zulieferindustrie tun alles, um die Krise zu überstehen. Dabei darf der Automobilstandort Deutschland nicht an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Quelle: mw.sachsen-anhalt.de

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