Proberäume für die nächste industrielle Revolution

In Sachsen-Anhalt wird ein „Kompetenzcenter Wirtschaft 4.0“ gegründet

Industrie 4.0 – dieser Begriff wurde erstmals auf der HANNOVER MESSE 2011 publik gemacht. 2016 präsentiert der Zweckverband zur Förderung des Maschinen- und Anlagenbaus Sachsen-Anhalt FASA seine Studie „Industrie 4.0 im Maschinen- und Anlagenbau“ auf der HANNOVER MESSE. Das Konzept zur Umsetzung der vierten industriellen Revolution innerhalb der Branche hat zunächst eine Wegstrecke bis 2020 im Blick.

Der Maschinen- und Anlagenbau gehört zu den bedeutendsten Industriezweigen in Sachsen-Anhalt. Die Branche ist als sogenannter „Solution Provider“, als Anbieter von produktionsoptimierten Lösungen einer der Leitmärkte des Landes. „Die kleinen und mittelständischen Unternehmen richten sich an den Anforderungen des internationalen Marktes aus“, sagt Andrea Urbansky, Geschäftsführerin des Zweckverbandes zur Förderung des Maschinen- und Anlagenbaus Sachsen-Anhalt e.V., kurz FASA. Der Verband ist den Unternehmen seit 20 Jahren Partner und Begleiter auf dem Weg zum globalen Markt. Nun bringt der Übergang zu digitalen Produktions- und Arbeitsprozessen eine Herausforderung neuer Dimensionen mit sich: die besagte „revolutionäre“ Form der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine, gar zwischen Maschine und Maschine.

„Wir wollen den Begriff Industrie 4.0 mit Leben füllen“, sagt Andrea Urbansky und dass der FASA selbstredend auch beim Eintritt in das neue technologische Zeitalter ein verlässlicher Partner sein will. Er führte im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft eine Studie durch, die die aktuelle Situation in Sachsen-Anhalt erfasst und auswertet, um Handlungsempfehlungen zu geben.

Jetzt geht es an die Umsetzung von „Industrie 4.0 im Maschinen- und Anlagenbau in Sachsen-Anhalt“. Die Erfahrungen des FASA und die Kompetenzen des Fraunhofer-Instituts für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg bilden ein stabiles Fundament für den Weg zur industriellen Digitalisierung. „Das IFF verfügt über eine ausgezeichnete Infrastruktur, um den Unternehmen praxisnahe Anschauungs- und Erprobungsmöglichkeiten von Industrie 4.0-Anwendungen anzubieten“, sagt Andrea Urbansky. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut und Autorin der Studie. Sie weiß: „FASA und IFF kennen die Situation im Maschinen- und Anlagenbau des Landes und die Bedürfnisse der Unternehmen genau.“

Auf der HANNOVER MESSE wird der FASA am Gemeinschaftsstand des Landes Sachsen-Anhalt die Studie „Industrie 4.0 im Maschinen- und Anlagenbau“ vorstellen. Die richtet sich an die kleinen Handwerksbetriebe und an die mittelständischen mit zirka 250 Mitarbeitern, aber auch an große Unternehmen; ebenso an Verantwortungsträger aus anderen Branchen entlang der Wertschöpfungskette und aus der Politik. Und sie findet großen Anklang. Stellvertretend wird Joachim Peisker von der „Weber Industrieller Rohrleitungsbau und Anlagenbau GmbH Co. KG“ in Merseburg zitiert: „Entscheidend ist, unsere Marktposition weltweit zu halten und zu stabilisieren. Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um effizient und profitabel zu arbeiten und uns gegenüber unseren Wettbewerbern durchzusetzen.“

„Unsere Studie soll die Unternehmen motivieren und ihnen helfen, die richtigen Hebel zu finden und erfolgreich bei der Modernisierung ihrer Informations- und Kommunikationstechnologien einzusetzen“, sagt Andrea Urbansky. Als Anwendungsfelder nennt sie die Serviceleistungen eines Unternehmens, den Produktionsprozess und auch die Produktgestaltung.

Zunächst aber, meint sie, hätten die Unternehmensleitungen die Aufgabe, den Mitarbeitern die Angst vor der Vorstellung zu nehmen, dass vernetzte Anlagen und Maschinen die Tätigkeit der Menschen übernehmen würden. Eine menschenleere Fabrik werde es durch Industrie 4.0 nicht geben. Viel mehr gehe es darum, dem Menschen Technik zur Seite zu stellen, die ihn unterstützt und entlastet. Darum müssten die neuen Technologien einfach, funktional und beherrschbar sein.

Die Autorin der Studie rückt noch einen anderen Aspekt in den Fokus: „Auch die demografische Entwicklung macht vollautomatisierte Wertschöpfungsketten nötig.“ Christof Günther, Geschäftsführer der InfraLeuna GmbH stellt in der Studie die These auf, dass die digitalisierte Industrie die problematischen Engpässe von qualifiziertem Personal lösen könne. „Wir müssen mit unserem Personal sehr effizient umgehen. Mitarbeiter von monotonen Arbeiten zu entbinden, schafft Ressourcen für betriebliche Herausforderungen.“

Wirtschaft und Politik finden in der Studie Handlungsleitfaden und Empfehlungen, die auf Online-Befragungen und Expertengesprächen basieren. „Wir haben einen facettenreichen Maßnahmenkatalog erstellt, der verschiedene Anregungen und Wünsche vereint, so dass sich die unterschiedlichsten Unternehmen hier ihre Anregungen sowie Antworten auf Fragen zu IT-Sicherheit und Datenschutz holen können“, sagt Andrea Urbansky. „Außerdem wurden verschiedene Best Practice Beispiele recherchiert, die jedes Unternehmen für sich prüfen kann.“

„Auch das Herzstück unseres Maßnahmenkatalogs wird von der Politik befürwortet“, freut sich die Autorin und stellt die Gründung eines „Kompetenzcenters Wirtschaft 4.0“ in Aussicht. Ende Mai wird das Konzept dafür vorgestellt. Es sieht eine Art Plattform vor, auf der sich die Unternehmen treffen und austauschen. Das Kompetenzcenter soll die Vernetzung der Unternehmen mit den Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie anderen relevanten Akteuren des Landes fördern. „Eine Workshop-Reihe zum Thema, Chancen und Risiken von Industrie 4.0‘ schwebt uns vor“, sagt Andrea Urbansky und nennt u.a. die Industrie- und Handelskammer, die Handwerks- und die Ingenieurkammer als mögliche Partner.

Das „Kompetenzcenter Wirtschaft 4.0“ soll am IFF angesiedelt sein und hier das Virtual Development and Training Centre nutzen. Das VDTC ist auf neueste Virtual-Reality-Technologien für Anwendungen in der Industrie spezialisiert. „In einer ,Smart Factory‘ wird es hier möglich sein, neue Technologien auf ihre Praxistauglichkeit zu testen“, sagt Andrea Urbansky.

Autor & Bild: Kathrain Graubaum (Text/Foto)

BU: Andrea Urbansky, Geschäftsführerin des FASA, ist Autorin der Studie „Industrie 4.0 im Maschinen- und Anlagenbau in Sachsen-Anhalt“.

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